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Verlorene Paradiese - paraísos perdidos - kupotea peponi
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Ebook298 pages3 hours

Verlorene Paradiese - paraísos perdidos - kupotea peponi

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About this ebook

Tinas idyllische Familienwelt gerät zunehmend in eine Schieflage, als sie erfährt, dass ihre Zwillingsschwester mit drei Jahren entführt worden ist.
Ihre Suche nach Katharina birgt Konflikte mit der geliebten Großmutter. Beharrlich geht sie ihren Weg, der sie in andere Länder und in Kontakt mit anderen Schicksalen bringt und die junge Mutter reifen lässt. Sie erkennt: Kein Weg führt zurück und nichts wird mehr so sein, wie es war...
LanguageDeutsch
PublisherXinXii
Release dateJan 23, 2016
ISBN9783945672013
Verlorene Paradiese - paraísos perdidos - kupotea peponi

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    Verlorene Paradiese - paraísos perdidos - kupotea peponi - Irmgard Rahn

    Irmgard Rahn

    Ulrike Froer

    Verlorene Paradiese

    paraísos perdidos - kupotea peponi

    Roman

    KRAHN VERLAG 2014

    Autorinnen

    Irmgard Rahn, geb. 1952 in Salzburg, Fremdsprachenkorrespondentin, lebt mit ihrer Familie in Südwestdeutschland. Sie liebt hohe Berge, Rosen, fast alle Tiere (außer Spinnen) und Bücher.

    Blog: Books of Reality, https://irmgardrahn.wordpress.com

    Uli Froer, geb. 1951 in Essen, Interesse an Malerei, Literatur, Filmkunst, Gesellschaftsspiele

    Impressum

    Erschienen bei: © Krahn Verlag, Gemmrigheim 2014

    Dieses Buch ist urheberrechtlich geschützt

    ISBN 978-3-945672-01-3

    Homepage: https://www.Krahn-Verlag.de

    Covergestaltung: Irmgard Rahn, Uli Froer

    Fotos: Irmgard Rahn

    Amsterdam: Margit Pieterse

    Krähenfoto: Dirk Paeschke www.kostenlos-fotos.de

    E-Book Distribution: XinXii

    www.xinxii.com

    Inhalt

    Interview mit den Autorinnen Irmgard Rahn und Uli Froer

    Prolog

    1 Salzburg, Februar 2011

    2 Salzburg, Glasenbachklamm, April 2013

    3 Ludwigsburg, Juni 2013

    4 Salzburg, Sommer 2013

    5 Mallorca, Puerto Christo Nuovo, August 2013

    6 Mallorca, Formentor

    7 Mallorca, Sa Torre

    8 Palma de Mallorca

    9 Salzburg, Herbst 2013

    10 St. Martin am Tennengebirge, Januar 2014

    11 Tamm-Hohenstange, 1984 – 1987

    12 Amsterdam 1987

    13 Salzburg, Frühjahr 2014

    14 Kenia, im Juni 2013

    15 Kenia, Shanzu Beach, Juni 2013

    16 Kenia, Nairobi, Deutsche Schule, Juli 2013

    17 Kenia, Shanzu Beach, April 2014

    18 Salzburg, Frühsommer 2014

    Anhang

    Interview mit den Autorinnen Irmgard Rahn und Uli Froer

    I.: Frau Rahn, Sie sprechen in Ihrem Titel von der Mehrzahl. Gibt es nicht nur ein Paradies?

    R.: Sicher gibt es in einigen Religionen eine Vorstellung von nur einem Paradies. Jedoch wird jeder, den Sie fragen, ein anderes Bild vor sich sehen. Also gibt es viele verschiedene Paradiese.

    I.: Lesen Sie gerne?

    R.: Schon immer habe ich gerne und viel gelesen. Ich habe einen Literaturkreis ins Leben gerufen, da ich auch den Austausch über das Gelesene schätze und mich über neue Leseimpulse freue.

    I.: Wie sind Sie zum Schreiben gekommen?

    R.: Ich erzähle für mein Leben gern: meinen Freunden, meinen Kindern und Enkelkindern, also habe ich den Kreis ein wenig erweitert.

    I.: Frau Froer, die Untertitel des vorliegenden Romans sind in Spanisch und Kisuhaeli angeführt. Warum haben Sie sich dafür entschieden?

    F.: Nun, die Räume, in denen die Romanfiguren ihr jeweiliges Paradies gefunden hatten, liegen in diesen Sprachräumen.

    I: Mögen Sie Bücher?

    F: Wenn man die Bücherliebe an der Höhe der Bücherstapel messen kann, die sich bei mir neben dem Bett, am Schreibplatz und im Wohnzimmer befinden, kann ich die Frage wohl mit „Ja!" beantworten.

    I.: Ist eine Autorenpartnerschaft empfehlenswert?

    F.: Es ist für die Gestaltung des Romangeschehens und deren Ausführung auf jeden Fall gewinnbringend. Sicher kostet es ein wenig mehr Zeit und vor allem benötigt man einen großen Papierkorb!

    Prolog

    Der perfekte Platz: Auto abseits vom Weg - in der Wiese – hinter den hohen Büschen - keine Spaziergänger!

    Jetzt noch ein Probelauf. Wie oft geübt! Jeder Griff muss sitzen. Fast könnte er das Paddelboot mit geschlossenen Augen aufbauen.

    Das Wasser ist eiskalt. Es fehlt noch eine kleine Schwimmweste.

    Muss ich besorgen.

    Zeitstopp: Fünf Minuten. In Ordnung!

    Gut als Ankerplatz: der Baumstumpf auf der anderen Seite.

    Die Pässe sollte ich ab jetzt immer dabei haben. Glück muss man

    haben: Martins Pass für mich abgestaubt. Wäre sowieso bald

    abgelaufen. Wenn man nicht genau hinschaut, sehen wir uns schon ähnlich. Ab und zu ist Verwandtschaft brauchbar.

    Manchmal muss man das Recht beugen, um Recht zu bekommen.

    1 Salzburg, Februar 2011

    Tina strahlte: Da ist sie, ihre Schneeglöckchenwiese! In der Wintersonne, die diese Lichtung erst ab Mittag erreicht, leuchten die weißen Glöckchen. Zarte Blüten auf hellgrünem Stiehl. Sie lächelt versonnen. Denkt an früher. Sie läuten den Frühling ein, hat Oma ihr erklärt. Sie sehen so zart aus und haben doch die Kraft durch den gerade aufgetauten Boden ihre Blätter in die Sonne zu schieben. Sie stehen in mehreren großen Gruppen, aber auch einzeln, vom Waldrand bis weit in die Wiese hinein, nicken leicht im Wind. Die will ich auch noch! Da drüben die ist noch schöner! Und die beiden hier sind die allerschönsten!

    Sie richtet sich auf und dreht sich um. Dunkler Wald. Schweigender Wald. Panik ergreift sie. Die Mädchen! Wo sind die Mädchen? Die Zwillinge! Nichts als Morzger Wald! Kein Mensch weit und breit! Knacken im Unterholz. Rätschend fliegt ein Eichelhäher auf. Auf einmal ist ihr eiskalt. Sie macht ein paar Schritte zum Waldrand. Sie zittert.

    „Wo seid ihr?"

    Leises Plätschern vom Bach.

    „Wo seid ihr denn?"

    Ihr Atem dampft, so kalt ist es. Die Angst krallt sich in ihren Magen wie eine kalte Faust.

    „Wo bist du?"

    Der nächste Baumstamm steht gerade richtig! Sie muss sich anlehnen, rutscht entlang des Stammes auf den Boden, die Schneeglöckchen entgleiten ihren Fingern.

    Schneller werdendes Klicken von Wanderstöcken dringt in ihr Bewusstsein. Wie lange sitzt sie hier schon? Oma und ihre Freundin Rosie kommen um die Wegbiegung.

    „Um Himmels Willen, Tina?"

    „Ganz weiß ist sie!"

    „Tina, was ist denn los?" Anne beugte sich zu ihrer Enkelin hinab, nahm deren kalte Wangen in die Hände.

    „Wo ist Sebastian?", erkundigte sich Rosie, während sie Tinas Mütze aufhob.

    „Sebastian, murmelte Tina, „wieso Bastian?

    Sebastian, den Zwillingswagen schiebend, rief beim Näherkommen:

    „Um Himmels Willen, Tina, bist du verrückt geworden? Warum schreist du so? Ich werde doch ein paar Meter vorausgehen können!"

    Seine Tina am Boden? Der Kinderwagen holperte nun schneller über den Waldweg, sodass die beiden Babys erschrocken zu weinen begannen. Schließlich ließ er sie mitten auf dem Weg stehen.

    „Was ist denn passiert? Ihr Mann legte den Arm um sie. Ganz besorgt sein Blick. „Bist du gestolpert? Stille.

    „Liebling, geht es dir nicht gut? Komm, steh auf, es ist zu kalt auf dem Boden." Tina ließ sich hochziehen, machte einen benommenen Eindruck. Mit Sebastian an ihrer Seite bewegte sie sich wie in Trance auf den Wagen der Zwillinge zu, den Anne hergefahren hatte. Die Babys glucksten wieder und lächelten ihre Mama an. Anne streichelte nun leicht über die Schultern ihrer Enkelin.

    „Es ist doch alles in Ordnung."

    Mit Tränen in den Augen fasste Tina nach den Händchen ihrer Kleinen. Zweimal acht Monate Glück. Wie oft hatte sie schon Angst um sie gehabt!

    „Meine beiden!"

    Seine Frau ist immer wieder… na was denn? Also: für eine Überraschung gut. Sebastian versteht die Welt nicht mehr, wird ärgerlich, spricht gereizt:

    „Wenn alles in Ordnung ist, können wir ja umkehren. Der Wind ist verdammt kalt. Was ist mit deinen Schneeglöckchen, Tina? Du wolltest sie doch unbedingt pflücken!"

    Alle bückten sich nach den verstreuten Blüten.

    „Jetzt hat sie wieder Farbe, schau nur!", flüsterte Rosie.

    „Entschuldigt, das galt Anne und Rosie und „ich schiebe jetzt den Wagen, mit energischerem Ton an ihren Mann.

    Die beiden Freundinnen nahmen wieder ihre Nordic Walking Stöcke und folgten der kleinen Familie auf dem schmalen Pfad. Während die Stille der Umgebung das aggressive Schweigen zwischen den jungen Eltern schluckte, bekam Rosie den Anlass für Annes Freude mitgeteilt:

    „Schau, sie tragen meine Mützen."

    Vor Weihnachten hatte ihre Freundin ihre Strickkenntnisse aufgefrischt, sodass sie vier bunt geringelte Mützen in unterschiedlichen Formen unter den Baum legen konnte. Sebastian, das hatte sie wohl gemerkt, hatte die Liebe, die sie mit ihrer Handarbeit zeigen wollte, nicht erfasst, sich aber höflich bedankt. Ob Tina dafür gesorgt hatte, dass er sie heute aufgesetzt hat?

    „Heute ist auch das richtige Wetter dazu."

    Rosie riss sie aus ihren angenehmen Beobachtungen:

    „Du solltest endlich mit ihr reden!"

    Annes Gesicht versteinerte. Sie blieb stehen, stützte sich auf ihre Walkingstöcke, atmete schwer:

    „Ich kann nicht darüber sprechen! Es ist auch nicht nötig! Ich bin so froh, dass Tina eine glückliche junge Frau geworden ist."

    „Das sah allerdings vorhin bei der Schneeglöckchenwiese ganz anders aus! Ich habe dir schon vor 23 Jahren gesagt, du musst offen mit ihr reden. Sie muss doch die Wahrheit über die Tragödie erfahren!"

    „Ja, heute schien sie ein bisserl durcheinander. Aber die ganzen 23 Jahre habe ich sie noch nie so erlebt, das vergeht wieder!"

    „Ach Anne, so stur wie eh und je!"

    „Man hat anscheinend Freundinnen, damit sie einem etwas Freundliches sagen!", Annes Stimme klang etwas spitz.

    „Nein, damit sie einem helfen, die Bretter vorm Kopf wegzudrücken, es ist höchste Zeit, denk darüber nach!", fügte Rosie hinzu.

    „Rosie, du weißt doch, wie es war! Ich kann nicht darüber sprechen. Ich will mich nicht erinnern! Es tut so weh!"

    „Aber Anne, es geht nicht nur um dich! Es geht auch um deine Enkelin. Um deine Tina! Es betrifft doch auch ihr Leben!"

    „Darüber gibt es nichts zu diskutieren! Sie reckte den Kopf. Energisch setzte sie sich wieder in Bewegung. „Jetzt freu' ich mich erst mal auf etwas Heißes. Komm! Rosie versuchte kopfschüttelnd, mit ihr Schritt zu halten.

    An Rosies einladend gedecktem Kaffeetisch mit Gmundner Porzellan und den zarten Schneeglöckchen in einer weißen Schüssel, sprach man nicht mehr über den Zwischenfall. Tinas mitgebrachter selbst gebackener Guglhupf mit Birnen wurde von allen gelobt. Sie selbst war wohl am meisten stolz auf sich, dass sie es geschafft hatte zu backen. Vor Kurzem wäre das noch nicht möglich gewesen, da hatte sie kaum das Nötigste einkaufen können, geschweige denn kochen oder gar backen. Eine Tüte Milch auf dem Küchentisch hatte sich problemlos eine Stunde lang betrachten lassen! Bastian hatte sich gestern richtig gefreut, sie nach der langen Krankheit wieder aktiv zu sehen. Ja, sie hatten schon einige Schwierigkeiten gemeistert!

    „Tina, der ernste Tonfall riss sie aus ihren Gedanken, „ich habe dir eine Aufnahme von der Schale mit den Schneeglöckchen gemacht.

    Sebastian legte den Fotoapparat weg, der seit der Geburt der Zwillinge sein ständiger Begleiter war.

    „Du weißt, dass die Schneeglöckchen inzwischen unter Naturschutz stehen, du solltest wirklich keine mehr pflücken!"

    Sie richtete sich im Sitzen auf, reckte den Kopf, strich die langen Haare hinter die Ohren. Darüber diskutiere ich nicht! Betont ruhig sagte sie:

    „Ich liebe Schneeglöckchen! Sie sind von meiner Wiese! Als Kind habe ich immer um diese Zeit einen Spaziergang dorthin gemacht. Wir hatten immer so schöne Sträußchen und waren froh, nach den schneereichen Wintern endlich wieder Blüten und Grün zu haben, nicht Oma?" Beifall heischend blickte sie zu Anne.

    „Ja, ganz rote Wangen hast du vor lauter Eifer gehabt. Das ist halt eine Familientradition. Sehe es doch so Sebastian!", fügte sie in seine Richtung gewandt hinzu.

    Ihre Freundin steuerte begeistert eigene Kindheitserinnerungen über winterliche Freuden bei. Damals, als es noch richtige Winter gab und man große Schneemänner bauen konnte! Bei Sebastians Erzählung, wie er und sein Bruder früher mit ihren Freunden die vereiste Straße zur Schlittenbahn erklärt hatten. Diese mit ihren zusammengebundenen Schlitten hinabgesaust waren, um sich anschließend vom Cousin mit dem Traktor wieder hochziehen zu lassen. Da konnte man sich die Begeisterung und das Johlen der Jungen richtig vorstellen.

    „War das nicht gefährlich", wollte Tina wissen.

    „Doch, aber aufregend schnell!"

    „Komisch, dass man sich als Kind immer darauf freut, größer und älter zu werden, und stolz ist, gefährliche Momente zu bestehen. Auch wenn man die Gefahr gar nicht einschätzen kann. Wenn man dann erwachsen ist, erscheint einem die Kindheit durchgehend als Zeit des Glücks. Man erinnert sich an so viel Schönes, eigentlich an kleine Dinge, zum Beispiel an das Gefühl, einen Becher warmen Kakao oder gar einen Bratapfel nach einem Winterspaziergang bekommen zu haben." Rosie schien jetzt noch den Geschmack zu spüren, sie lächelte gedankenverloren.

    Tina meinte nachdenklich:

    „Vielleicht hat man sich über Dinge gefreut, die im Erwachsenenleben später einen anderen Wert bekommen haben?"

    „Also zurück zur alten heilen Welt?" Typisch Sebastian! Er liebte es zu spötteln.

    „Ja, eine unbeschwerte Kinderzeit ist das Wichtigste! Eine gute Basis für das spätere Leben. Dabei nickte Anne Rosie ein bisschen trotzig zu. Doch nun meldeten sich die Kleinen, die nur an der Erfüllung ihrer gegenwärtigen Bedürfnisse nach Nahrung, Schlaf und Zuwendung interessiert waren. Bastian verstaute alle Utensilien im Auto, damit sie „zur Raubtierfütterung zu Hause sein könnten, wie er verkündete.

    Besorgt sah Rosie der jungen Mutter beim Abschied in die Augen:

    „Pass auf dich auf!"

    Nach einer turbulenten Zu-Bettbring-Runde, ließ sich Tina erschöpft neben Sebastian auf die weiche Couch im Wohnraum fallen, wo bereits das knisternde Kaminfeuer für Behaglichkeit sorgte, und der Rotwein wartete.

    „Jetzt erzähl' mal, was los war. Vielleicht versteh' ich dann ja, was heute geschehen ist." Nachdenklich nahm Tina einem Schluck vom fruchtigen Zweigelt. Schließlich sagte sie leise und nachdenklich:

    „Ich habe mich an meine Kinderzeit erinnert, während ich die Schneeglöckchen gepflückt habe. Ich war so glücklich. Dann war plötzlich niemand mehr da. Ich war ganz allein! Ich hatte Angst! Die Mädchen waren weg!"

    „Aber du hast doch gesehen, dass ich vorausgegangen bin. Was ist denn so schlimm, wenn du die Kleinen nicht siehst?"

    „Ich war plötzlich allein im Wald, ganz allein! Wenn ich jetzt darüber nachdenke, finde ich mein Verhalten ja auch seltsam, aber… ich… es kam so von selbst!"

    Das Knacken eines brennenden Holzscheits lässt Tina zusammenzucken. Sebastian zieht die Augenbrauen hoch.

    „Geht es dir wieder schlechter?"

    „Was soll das? Die steile Falte zwischen Tinas Augenbrauen warnten ihn. „Was hat die Situation heute mit meiner blöden Depression nach der Geburt zu tun? Diese Frage will ich gar nicht mehr hören. Dann fühle ich mich wieder krank!

    „Ich mache mir doch nur Gedanken, Tina. Alles, was ich mir wünsche, ist, dass es dir gut geht! Du machst dir zu viele Sorgen um unsere beiden Kleinen. Gehe es doch ein bisschen lockerer an, ich bin doch auch noch da, wir sind doch zu zweit."

    „Schon‚ ich versuche es ja!"

    Tinas Blick verlor sich im Feuer:

    „Ich weiß noch, ... der erste Moment, als Dr. Schindler mir sagte, dass ich schwanger bin - das war ein Gefühl! Als ich an der Bushaltestelle stand, war ich so unwahrscheinlich glücklich, dass ich es am liebsten herausgeschrien hätte. Keiner um mich herum kannte mein Geheimnis!"

    Bastian nahm sie fest in die Arme.

    „Ja, für mich sind die beiden auch meine Lieblingsmenschen – neben dir, natürlich."

    August 1983

    Zum Glück habe ich hier dieses Tagebuch angefangen! Zuerst aus Langeweile in diesem Kaff hier! Und jetzt ist soo viel passiert!! Gemmrigheim! Aber Mama und Papa haben sich hier ihr Paradies erschaffen.

    Der Horror aber heute Morgen! Ich bin schwanger! Zumindest, wenn der Test stimmt, den ich gestern in Stuttgart gekauft habe! Dann wäre es jetzt ungefähr drei Wochen her. Von Jo! Der mit seiner blöden natürlichen Verhütung! Ausgerechnet jetzt!

    Von wegen „Mutterglück"! Was mach' ich jetzt mit meiner Dolmetscherausbildung? Würzburg ist wohl gestorben!!? Kenia! Was musste er sich eine Auszeit gönnen! Jetzt stehe ich mit allem alleine da. Soll ich es Mama sagen? Wie wird Papa reagieren? Was soll ich Klaus sagen?

    Da lerne ich einen echt coolen Typ kennen, der auch noch der Mega-Tänzer ist – witzig, charmant, aufregend – einfach toll! Und jetzt so was! Gegen 'ne Zweierbeziehung hat Klaus anscheinend nix, aber gleich zu dritt? Eigentlich muss er es wissen! Und wenn er dann Schluss macht? Alternative: ein Abbruch? Will ich das? Eigentlich bin ich noch zu jung für so eine Mutterrolle! Er soll entscheiden! Soll wirklich er entscheiden? Mama liest es mir bestimmt gleich von der Nasenspitze ab, das sehe ich kommen! „Dein Bauch gehört dir, Kind!" Das wird sie sagen, ich wette! Ich kenne doch meine Mutter! Und Papa?

    Jo ist so weit weg. Weit weg aus meinen Gedanken. Weit weg auch aus meinem Herzen!

    Jetzt verkrieche ich mich in meinem Bett und höre ein bisschen Radio Luxemburg!

    Muss Klaus es wissen?

    Das einzig Gute ist: Heute muss ich noch nix entscheiden!

    2011

    Später, vor dem Einschlafen, fragte sich Tina: Wann war eigentlich die Angst aufgekommen? Oder muss man das schon Panik nennen? Sie erinnerte sich an eine Situation, in der sie sich auch unangemessen verhalten hatte, an einen Morgen vor drei oder vier Monaten:

    „Mama Mia von Abba brachte damals gute Laune ins Esszimmer, Tina summte mit, als sie bei ihrer zweiten Tasse Kaffee saß, vor sich die die „Salzburger Nachrichten. Frauen, hatte sie mal gelesen, beginnen immer mit den letzten Seiten der Zeitung. Sie nicht, aber die Politikthemen überflog sie nur diagonal. Auch ein weibliches Merkmal oder ein persönliches? Politik war zurzeit nicht so spannend. Hier: Ein Foto, das einen sonnigen Waldweg zeigt, fesselt sie. Fotos von Wäldern machen Tina unruhig. Schon immer! Warum eigentlich?

    Nanu? Sie lauschte. Was ist mit meinen Mädchen? Es ist schon so lange still! Hektisch sprang sie auf, ihr Lieblingsbecher, der mit dem Mohnblumenmotiv von Monet, fiel um, der Kaffee rann über die Zeitung. Sie stürzte ins Kinderzimmer, an die Wiege: Die Zwillinge lagen auf der Seite, die Gesichter einander zugewandt, sie atmeten ruhig. Sie muss sich setzen, so zittern ihr die Knie. Sie zieht sich einen Stuhl heran. Streichelt über die weichen Wangen. Meine Lieblinge! Ein schönes Fotomotiv wären die beiden jetzt wieder mal für Bastian. Richtig vernarrt ist er in seine Töchter. Über hundert Fotos hat er schon von ihnen geschossen und die Kleinen sind erst vier Monate alt! Er behauptet, dass sich die Babys jeden Tag verändern. Warum gibt es eigentlich von ihr als Baby nur ein einziges Bild?

    „Du wirst hoffentlich nicht so eine überbesorgte und hysterische Mutter", schimpfte sie mit sich selbst, als sie die aufgeweichten Zeitungsseiten wegwarf. Gehört zu ‚Liebe‘ automatisch Angst dazu? Sie wischte den Kaffee von der Tischplatte und vom Boden, hielt inne, den tropfenden Lappen betrachtend. Warum brach sie so leicht in Panik aus, wenn es um die Kleinen ging? Sebastian wunderte sich immer mal wieder, runzelte manchmal die Stirn, kommentierte ihr Verhalten aber nicht. Zum Glück! Meistens gelang es ihr, es zu verstecken. Auch Oma hatte sie irritiert angesehen, als sie sie aufgeregt darauf hingewiesen hatte, dass sie eine Ausfahrt mit dem Kinderwagen, entgegen der Abmachung, um dreißig Minuten überzogen hatte.

    „Du hättest mich anrufen müssen, Anne!"

    „Wieso? Den Kleinen ging es doch gut. Ich habe nur eine Freundin aus dem Bridgeclub am Salzachufer getroffen. Wir mussten schließlich den letzten Bridgeabend ausgiebig besprechen. Na ja, eigentlich haben wir geklatscht. Ich bin halt noch aus dem vorigen Jahrhundert, weißt du, ich habe mein Handy oft nicht dabei."

    Stimmt, sie gehört wirklich der handylosen Generation an! Nervig! Aber böse kann man ihr deswegen ja nicht sein und sie ist eine begeisterte Urgroßmutter. Tina kann sich keine bessere vorstellen.

    Allerdings hatte Anne damals zunächst seltsam auf die Nachricht reagiert, dass sie Zwillingsurenkel bekommen sollte: Schwer geseufzt hatte sie und bedrückt geschaut. Überraschend war sie damals mit Rosie für zwei Wochen auf „ihre Insel gefahren. Capri. „Ich liebe den Anblick des Meeres. Dort finde ich Ruhe und Entspannung, wie auf den Gipfeln der Berge! Aber Bergsteigen, mit meinem Asthma klappt nicht mehr, weißt du!

    Man kann nicht behaupten, dass ich es cool genommen habe, als der Arzt mir im vierten Schwangerschaftsmonat eröffnet hat, dass wir Zwillinge bekommen würden. Ob wir diese doppelte Aufgabe meistern würden? Geht es wohl allen Eltern so, die Zwillinge erwarten? Oder denken manche: doppeltes Glück? Bei uns war es eine lange Zeit richtig stressig gewesen! Unter anderem hatten wir damals auch nach einer neuen Bleibe suchen müssen. Anne mit ihren Verbindungen war es, die das kleine Häuschen in Parsch mit dem schönen Garten gefunden hatte. Sogar bei der Finanzierung hatte sie ihnen geholfen.

    „Ich gebe lieber mit der warmen Hand., hatte sie gemeint, als sie das kleine rote Sparbuch als Überraschungsgeschenk präsentierte, „schließlich brauchen die Kleinen ein Zuhause!

    November 1983

    Zwillinge!! Heute hat uns der Arzt mitgeteilt, dass es Zwillinge werden! Das hat mich umgehauen! Klaus hat sich schneller beruhigt als ich!

    Wie soll das alles gehen? Wenn ich ganz ehrlich bin, habe ich Angst! Wenn beide zur gleichen Zeit hungrig sind? Oder zur gleichen Zeit Windpocken bekommen?

    Wir brauchen einen Zwillingskinderwagen!

    Vor allem brauchen wir zwei Namen, die zusammenpassen! Jetzt haben wir uns immerhin auf einen Mädchennamen geeinigt: ‚Christina‘, der gefällt uns beiden besonders gut. Vier Namen brauchen wir! ‚Christian‘, wenn es ein Junge wird? ,Katharina‘ passt gut zu ,Christina‘, finde ich. Muss ich Klaus mal vorschlagen. Falls es zwei Jungen werden: einer ‚Hannes‘ nach Papa? Wir lassen uns überraschen. Ob überhaupt eine natürliche Geburt möglich ist? Das wäre doch besser für die Kinder – oder? Anne wird wieder ihren Spruch sagen: „Wir Frauen sind stark! Das schaffst du schon!"

    Dezember 1983

    Ich bin froh, dass die Entscheidung gefallen ist. Jetzt werde ich zur Geburt doch nach Stuttgart gehen! Alle schwärmen davon. Individuell und besonders freundlich würde man dort umsorgt. Klaus macht sich große Gedanken. Eines der Kleinen ist eine Steißlage, ausgerechnet das

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