gäbe, die ihn nicht brauchen würden), sondern
er ist ein Sinnbild für uns alle!
Wir können Gott nicht von Natur aus sehen—
und das Schlimme dabei: Die meisten Men-
schen merken es nicht!
Sie gehen durch eine Welt voll der Wunderwer-
ke Gottes, die indirekt auf ihn als den Schöpfer
hinweisen (Röm 1,19ff.), aber sie sehen den
Hinweis nicht und merken nicht, dass sie etwas
verpassen! Es ist wirklich ein Paradox: „Denn
mit sehenden Augen sehen sie nicht“ (Mat
13,13).
Kann es das denn geben, dass man etwas
direkt vor Augen hat und trotzdem nicht sieht?
Man kann das mit dem „Blinden Fleck“ im
menschlichen Auge vergleichen: „Blinder Fleck“
heisst derjenige Punkt auf der Netzhaut, an
dem die Sehnerven das Auge verlassen und an
dem es deswegen keine Lichtempfindung gibt.
Tatsächlich hat das Bild, das unsere Augen
sehen, also zu jeder Zeit ein „Loch“ - aber wir
merken es nicht. Warum?
Unser Gehirn rechnet den fehlenden Fleck
sozusagen weg, so dass für uns die Illusion
entsteht, wir würden ständig mit beiden Augen
ein vollständiges Bild sehen.
Macht einmal das Experiment im Kasten, um
Euren blinden Fleck zu finden!
Einen „Blinden Fleck“ für Gott?
Genauso geht es unseren Zeitgenossen: Wir
können ihnen noch so viel von Gott und Jesus
erzählen, wenn sie einen „blinden Fleck“ für die
Gegenwart Gottes haben, wird das alles nichts
nützen!
Die Folgerung daraus lautet, dass manchmal
alles Reden und Erzählen nichts nützt. Manch-
mal ist es wichtiger, mit Gott über den Betref-
fenden zu reden, als mit dem Betreffenden über
Gott.
Eine verwandelte Sicht von Jesus
Der Geheilte Mann in Joh 9 macht wie gesagt
eine Entwicklung durch: Von „Mensch“ wandelt
sich seine Sicht von Jesus zu „Prophet“ und
schliesslich zu „Menschensohn“ (von der Sinn-
richtung her gleich wie Messias).
Dass seine Blindheit geheilt worden ist, ist his-
torische Tatsache—aber zugleich auch ein Bild.
Ein Bild dafür, dass auch unsere Perspektive
von Jesus sich wachstümlich verändern kann—
es ist nicht damit getan, dass wir zum Glauben
kommen, es geht weiter, wir sollen und können Falkenstrasse 1 8630 Rüti
immer mehr von seinem Wesen, seiner Kraft
und seiner Liebe erfahren!
Predigt vom 17. Februar 2008
In Eph 1,17.18 bittet Paulus Gott, dass er uns
als schon Gläubigen die „Augen des Herzens
öffnet“. Und es heisst, dass Gott uns seinen
Geist geben sollen, ihn zu „erkennen“.
Wenn das geschieht, können wir wachsen in
unserem Leben als Christen—denn „Blindsein“
und „Sehen können“ ist kein Thema nur für
körperlich Blinde und nicht Gläubige, sondern
auch für uns!
Amen.
Letzte Nacht hast Du die Bis zum Abend war Dein
Augen nicht mehr zumachen Leben nicht mehr dassel-
können—dein ganzes Leben be—geheilt auf unerlaubte
hast Du sie nicht öffnen kön- Weise (mindestens, wenn
nen, und jetzt flieht Dir der es nach den Gesetzesleh-
Schlaf und Du kannst sie rern ging), wütend von ei-
nicht mehr schliessen. nem Pulk von Leitern aus
Die Ereignisse des Tages, der Synagoge ausgeschlos-
sie rasen wie Blitze an Dir sen. Und die grösste Verän-
vorbei—Du sassest im derung von allen: Nach der
Staub, arm, unbeachtet, äusseren Sicht gewannst
verachtet, wie immer. Hof- DU auch einen ganz neuen
fend, dass niemand Dir die Blick auf den Jesus, der Dir
mageren Spenden von dem begegnet war—zuerst war
schäbigen kleinen Tonteller er für Dich nur „ein
vor Dir stiehlt—denn Du Mensch“ (V. 11), dann ein
konntest es ja nicht sehen! - „Prophet“ (V. 17), und
bangend, ob sich heute ge- schliesslich erkanntest Du
nügend barmherzige Hände ihn als den Messias und
finden, die Dir wenigstens betetest ihn an (V. 38). Was
ein paar kleine Münzen hi- für ein Tag! Er war so be-
neinwerfen würden. deutend, dass wir heute
Bildangaben Wie Pfeile trafen Dich immer noch, 2000 Jahre später
• Icon-Darstellung: CD-Cover von wieder die Worte der Leute, die sagten: „Gott davon sprechen!
blog.manbornblind.com straft ihn! Er ist selber schuld—sicher hat er
• Bild „Baby-Teenie-Ritter“ von Chick Publications, schwer gesündigt, dass Gott ihn blind gemacht Tatsächlich, das tun wir. Und können noch
Cover, The Next Step“ (www.chick.com) hat!“ heute Gottes persönliche Ansprache aus die-
Da, die aufgeregten Stimmen der Menge kün- sen Zeilen hören—wenn wir uns nur etwas Zeit
digten das Kommen des aufsehenerregenden nehmen, zu hören, spricht die Geschichte zu
Lehrers an, jetzt ganz nahe, manche sagten, uns.
Wolfgang v. Ungern-Sternberg eines Propheten, andere, noch mehr—und er
Tel. 055 241 16 35 kam!
wolfgang.vonungern@chrischona.ch
Alles Dein Fehler?
„Und seine Jünger fragten ihn und sprachen:
Meister, wer hat gesündigt, dieser oder seine
Eltern, dass er blind geboren ist?
Jesus antwortete: Es hat weder dieser gesün-
digt noch seine Eltern, sondern es sollen
die Werke Gottes offenbar werden an ihm.“
Joh 9, 3—4
Hier gibt es einen interessanten theologischen
Punkt: Wie kann jemand zuerst „gesündigt“
haben und dann schon bei seiner Geburt
dafür bestraft worden sein? Denn genau darauf
zielt die Frage der Jünger: Sie überlegen, ob er
zuerst gesündigt hat und dann als Strafe dafür
blind geboren wurde. Was ist das? Reinkarnati-
on? Mitnichten. Es entspricht der rabbinischen
Vorstellung davon, dass das Kind im Mutterleib
sündigen und dafür als Strafe Blindheit bei der
Geburt zu erleiden haben kann.
Die religiösen Leiter zur Zeit Jesu waren der
irrigen Auffassung erlegen, dass Menschen, die
das Unglück getroffen hatte, selbst daran
schuld waren. Wenn sie also schwer krank, von
Lepra befallen, blind, taub oder lahm waren,
sagte man: „Dass es ihnen so übel geht, ist ihr
eigener Fehler, Gottes Gericht über ihre Sün-
den.“ Sie wurden von der Gesellschaft ausge-
stossen und man blickte herab auf sie.
(Ausserdem hatte dieser Gedanke den ange-
nehmen Nebenaspekt, das alle, die hoch auf
der sozialen Leiter standen—also die Lehrer—
damit allein schon Kraft dieser Tatsache Gottes
besonderes Wohlgefallen für sich in Anspruch
nehmen konnten—denn er würde doch sicher-
lich niemand Unwertes Pharisäer oder Geset-
zeslehrer werden lassen, oder? Wehe dem, der
daran zweifelte.)
Die Wahrheit debattieren oder tun?
Der Unterschied zwischen Jesus und seinen
Jüngern liegt nun hier: Als seine Jünger den
Blinden erblicken, sehen sie in ihm einen blos-
sen Diskussionsgegenstand: Wer hat gesün-
digt? Dieser oder seine Eltern? Jesus hingegen
will die Wahrheit tun, er will ihm helfen! Für ihn
ist er nicht der abstrakte Diskussionsfall, an
dem man die Gemüter erhitzen und ggf. den
Verstand schärfen kann—sondern er ist ein
Mensch, ein Kind Abrahams, als wertvoll und
seinen Bruder.
Eine trostreiche Einsicht
Die Fragen, die uns als Christen in unserem
Leben manchmal am meisten beklemmen sind
doch diese: Bin ich nicht selbst schuld an mei-
ner gegenwärtigen Misere? Wir alle treffen
ständig Entscheidungen in unserem Leben, und Blind, ohne es zu merken? Der blinde Fleck
manche davon leben nur einen Augenblick,
andere beeinflussen uns ein Leben lang. Wel-
chen Beruf ich wähle, wen ich heirate, in wel-
ches Land ich ziehe, oder auch einfach nur, ob
ich im entscheidenden Moment meinen Wagen
unter Kontrolle habe, als der Fussgänger plötz-
lich über die Strasse läuft … sind Dinge, die
unser ganzes Leben bestimmen können.
Manchmal denke ich: Als Christen können wir
eigentlich ganz gut mit dem Gedanken umge-
hen, dass es gewisse „unabwendbare Katastro-
phen“ geben kann, für die wir keine Schuld
tragen, denen wir aber gleichwohl unterworfen
sind. „Höhere Gewalt“, sagen wir, wenn jemand
plötzlich krank wird, „kann man nicht ändern“,
wenn der miesepetrige Nachbar uns aus uner-
findlichen Gründen zum Boxsack seiner
schlechten Laune ausersieht oder der Boss
plötzlich Lust daran zu finden scheint, den Bü- Ein ganz einfacher Test: Schliesse Dein linkes Auge, halte das Blatt auf Armeslänge von Dir und
roalltag zum Survival-Parcour zu machen. starre mit dem rechten Auge ganz genau auf das Kreuz.
Aber wo es wirklich zu stechen anfängt, dass Jetzt zieh das Blatt langsam zu Dir heran, ohne das Auge vom Kreuz zu lassen—bei einer bestimm-
ist, wenn wir selbst unsere Misere—und sei es ten Distanz wird der Punkt unsichtbar.
auch nur teilweise—selbst eingebrockt haben, (Funktioniert nur, wenn man wirklich nur auf der Kreuz fokussiert und den Punkt darum nur mit peri-
wenn wir selbst etwas verbockt haben. pherer Vision wahrnimmt).
Das sind dann die Dinge, die uns einsam ma-
chen, die uns davon abhalten, uns jemandem
aufzuschliessen und Rat oder Trost zu su- Alle sind blind … oder?
chen—und die uns auch den Gedanken einge- Jesus kennenlernen bedeutet, Sehen zu ler-
ben könnten: „Gottes Willen—damit kann ich nen—und unabhängig davon, ob wir körperlich
doch Gott nicht belästigen, er weiss doch ganz blind geboren oder „nur“ geistlich blind sind,
genau, dass es mein Fehler ist, dafür ist er betrifft das uns alle.
doch nicht zuständig!“
Und genau das ist die gute Nachricht dabei:
Gott hilft gern, auch wenn andere finden, man Man schaut etwas an und sieht es
sei es „nicht wert“ oder es wäre doch „alles
bloss die eigene Schuld“. doch nicht—
Ja, wir sind Menschen. Und ja, wir machen wie beim Blinden Fleck!
Fehler. Mengen. Irgendwie gehört das dazu.
Und das tolle dabei: Ja, Gott ist immer noch wie
damals. Er stört sich nicht
Die Bibel ist in dieser Hinsicht furchtbar radikal:
Messianisches Wunder Sie sagt uns, dass wir Menschen mit unseren
„Von Anbeginn der Welt an hat man nicht ge- Fähigkeiten vor Gott nicht bestehen können.
hört, daß jemand einem Blindgeborenen die Sie sagt, dass wir
Augen aufgetan habe.“ (Joh 9,32) Mensch stumm, funktionierte das aber • „(Geistlich) tot sind in Sünden und Übertre-
nicht) tungen“
Warum die starke Reaktion der Schriftgelehrten
• Die Heilung eines Blindgeborenen • Blind sind gegenüber der Wahrheit Gottes
und Pharisäer? Nach damaliger Auffassung
gab es drei Arten von Wundern, die nur der • Völlig entfremdet sind von seinem Leben
Messias selbst würde tun können: Deswegen also die Aufregung—und der Mut
des Mannes! Er war wirklich Teil der Heilsge- Deswegen haben wir mehr mit dem Blindgebo-
• Die Heilung eines jüdischen Aussätzigen schichte geworden—Jesus hatte durch dieses renen gemein, als wir uns das vielleicht ausma-
(weil Aussatz als besondere Strafe Gottes Wunder auch ohne Worte beansprucht und len. Er ist nicht nur das Beispiel eines „armen
galt und seit Mose nie mehr passiert war) verkündigt, der Messias zu sein es waren an benachteiligten Zeitgenossen“, ein Fall von
• Einen stummen Geist austreiben ihm „die Werke Gottes offenbar gewor- jemand „der sicherlich Jesus braucht“ (eine
(weil jüdische Exorzisten nach dem Namen den“ (V.3). Formulierung in die in Klammern sozusagen
des Geistes fragen mussten—war der immer mit den Anschein weckt, als ob es Leute