Jahrgang: 2004
Ausgabe: 19
Mensch und Tier: Der unhrbare Schrei
Das Menschentier ist keine Gattung mehr, sondern ein Feld dialektischer Spannungen, von
Zsuren durchquert. Worum es noch gehen kann, ist die wieder auffindbare Animalitt am
Ende der Geschichte, als des Menschen einziges wie letztes Kapital. Das Paradox, in dem der
Mensch steht, zeigt ihn als den, der gezwungen ist, sich, um menschlich zu bleiben, als
Nichtmensch zu erkennen. Oder umgekehrt, wie Agamben es formuliert: Der Mensch ist das
Tier, das sich selbst als menschlich erkennen muss, um es zu sein.
Agambens Lebensphilosophie sucht auf das gleiche Dilemma zu antworten, das auch im
kulturdiagnostischen Blick Kathans erkennbar wird. Es sind, aus der Perspektive der
Kulturwissenschaft wie aus derjenigen der Philosophie, zwei Versuche, den Begriff des
Lebens neu zu befragen. Beide arbeiten an dem gleichen Dilemma. Wenn der Mensch seine
Tierheit preisgibt, drngt er zugleich das Leben aus sich hinaus. Er wird zum Artefakt, zum
Cyborg, wie Donna Haraway von feministischer Seite schon vor lngerem zu bedenken
gegeben hat. Die eigene Physis zu bejahen: Es scheint, als sei dies das politische Mandat, das
dem Menschen, der Mensch sein will, zu ergreifen noch offen bleibt.
Bernhard Kathan: Zum Fressen gern Zwischen Haustier und Schlachtvieh; Kulturverlag
Kadmos, Berlin 2004; 256 S.