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Der Christ zwischen Medizin


und Paramedizin
Mit einer Stellungnahme
zu dem Taschenbuch: Die Homöopathie und ihre
religiösen Gegner im Blickwinkel medizinischen
Wissens und christlichen Glaubens

Manfred Schäller
Manfred Schäller, Jg. 1942, verh., drei Kinder, Bibellehrer
an den Bibelschulen Burgstädt und Wiedenest, Reise-
dienst in den Brüder-Gemeinden, jetzt im Ruhestand. Der
Aufsatz wurde zuerst veröffentlicht im Informationsbrief
des Bibelbundes “Biblisch Glauben, Denken, Leben” (Nr.
44, 1998).
Die Stellungnahme zu dem Taschenbuch von Klein-
schmidt/ Frick: “Die Homöopathie und ihre religiösen Geg-
ner im Blickwinkel medizinischen Wissens und
christlichen Glaubens” erschien zuerst in “Bibel und Ge-
meinde” 1999-2.
Beide Aufsätze zusammen erscheinen als Sonderdruck des Bibelbundes und
sind seit der 3. Auflage mit einem Nachwort des Verfassers versehen. Ab der
4. Auflage (Januar 2006) fügte der Verfasser noch einige Materialhinweise
ein.
Anschrift:
Manfred Schäller Horlitzaweg 13G, 02959 Groß Düben
eMail: Manfred.Schaeller@t-online.de

Bestellnummer: 00276
Preisgruppe 6

© Bibelbund-Verlag: Hammerbrücke 2006

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Zwischen Medizin und Paramedizin 3

Der Christ zwischen Medizin und Paramedizin


nsere Zeit ist überreich an kon- Seuchen, jede Form von Gebrechlichkeit

U trären Standpunkten. Während


die meisten Menschen den Gang
zum Arzt oder den Griff zur Tablette ge-
und Hinfälligkeit – das Altern und Ster-
ben – sind Merkmale einer gefallenen
Welt. In Gottes ursprünglicher Schöp-
wissermaßen im Nebenbei vollziehen, fung, wie sie im Anfang aus seiner Hand
so als gälte es ein Fenster zu öffnen oder hervorging, gab es das noch nicht. Und
eine Fliege zu scheuchen, gibt es jene an- in Gottes neuer Welt, die kommen soll
deren Zeitgenossen, die selbst die größ- und gewiss kommen wird, wird es das
ten Herrlichkeiten des pharmakologi- nicht mehr geben (Offb 21,4). So gese-
schen Fortschritts ungerührt ins Klo ver- hen ist die ärztliche Kunst und die medi-
senken, weil sie das “Gift” nun mal nicht zinische Wissenschaft ausschließlich
mögen. Sie halten sich lieber an das “Na- eine Sache dieses Weltzeitalters. In die-
türliche”, das schon bei Tante Emma so ser Welt allerdings hat sie ihre große Be-
gut half – und an den über die Landes- deutung, die nicht unterschätzt werden
grenzen hinaus berühmten Alternativ- sollte. Wie die Sonne, die Gott täglich
heiler, den sogar Nachbarin Polde wärm- über Gerechte und Ungerechte aufgehen
stens empfiehlt. lässt, so ist auch sie ein Ausdruck der
Bei Christen kann das Misstrauen ge- welterhaltenden Güte Gottes. Unterhalb
genüber dem Arzt und jeder Art von dieser biblisch-heilsgeschichtlichen Ein-
ärztlicher Weisheit gelegentlich Züge ordnung darf nun doch einmal das Er-
annehmen, die jeden Beurteiler irritie- freuliche und Lobenswerte der medizini-
ren. Sollte man ihr Gottvertrauen be- schen Wissenschaft herausgestellt wer-
wundern - oder ihren Starrsinn schelten? den, denn es gibt wirklich beeindrucken-
Ich erinnere mich an einen Glaubensbru- de Segnungen und Großtaten der Medi-
der, der sich – aus geistlichen Gründen, zin.
wie er meinte – konsequent weigerte, bei
der schweren Niederkunft seiner Ehe- Pest, Pocken und Grippe
frau einen Arzt zu holen. Die arme Frau
wäre bald gestorben. Er aber blieb fest Erinnern wir uns beispielsweise an die
bei seiner Meinung. Was soll man dazu Pest, jene furchtbare Geißel des Mittelal-
sagen? Der Gang zum Arzt – ein Akt des ters. Von 1347 bis 1351 raffte der
schnöden Unglaubens? “schwarze Tod” – wie man die Seuche
nannte – etwa ein Drittel (!) der gesam-
Medizinischer Fortschritt – ten Bevölkerung Europas dahin. Bei ih-
Geschenk Gottes in einer rem Wiederaufflackern in Norwich,
gefallenen Welt England, um 1579 fielen ihr abermals
ein Drittel der Einwohner zum Opfer.
Eine Grundwahrheit muss sich der bibel- Und als sie 1630 in Mailand erneut aus-
orientierte Christ allerdings beständig brach, raffte sie gar die Hälfte der Bevöl-
vor Augen halten: Alle Krankheiten und kerung weg. Nächst Gott ist es dem me-
4 Manfred Schäller:

dizinischen Fortschritt zu danken, dass aber territorial weit ausgedehnte Grip-


die Pest heute praktisch eine besiegte peepidemien traten noch in den Jahren
Krankheit ist. 1957, 1968 und 1977 auf. Weil das Grip-
Oder denken wir an die Pocken, eine pevirus die Eigenschaft hat, sich auf ge-
üble Seuche schon der vorchristlichen netischer Ebene fortwährend zu verän-
Zeit. Durch die Europäer wurde sie nach dern, kann leider nicht davon gespro-
Amerika eingeschleppt und grassierte chen werden, dass es grundsätzlich be-
hier in unvorstellbarem Ausmaß. Mit siegt sei. Jederzeit kann eine solche Epi-
starken wissenschaftlichen Gründen tre- demie erneut ausbrechen. Und es gibt
ten einige Historiker dafür ein, dass nicht keinerlei Gewähr dafür, dass sie nicht
zuerst Pferde und Feuerwaffen, sondern wieder solche Ausmaße wie 1918 an-
die Pocken (und andere Viren) die wahre nimmt. Wenn beispielsweise ein korea-
Ursache für die Dezimierung der india- nischer Geschäftsmann auf dem über-
nischen Urbevölkerung darstellten. Heu- füllten Flughafen von Honululu niest,
te existiert das Variola- oder Pockenvi- kann ein Virus, das er sich eine Woche
rus - soweit bekannt - nur noch in zwei zuvor in China zuzog, innerhalb weniger
Hochsicherheitslaboratorien in Atlanta Stunden auf New York, London, Brüs-
und in Moskau. Sobald alle 175000 Ba- sel, Paris oder Berlin übergreifen.
senpaare des Variola-Genoms sicher be- Es wird aber viel getan, um genau
stimmt sind, will man sämtliche Labor- diese Wahrscheinlichkeit so gering wie
bestände vernichten. Dann wäre dieses möglich zu halten. Beständig werden Vi-
Virus die erste Spezies, die der Mensch ren aus allen Teilen der Welt an gewisse
vorsätzlich und mit gutem Grund ausge- epidemiologische Laboratorien gesandt.
rottet hat. Wenn einmal die letzten Va- Mit hektischer Betriebsamkeit, arbeitet
riola-Kulturen vernichtet sind, wird, au- man dort Jahr um Jahr im Vorhinein an
ßer einer gewissen Zeichensequenz auf serologischen Abwehrwaffen, die sofort
einer Computerdiskette, nichts mehr an bereit stehen müssen, wenn da oder dort
diese furchtbare Geißel vergangener eine Epidemie “zum Schlag ausholt”.
Jahrhunderte erinnern. Das Ergebnis dieser Bemühungen: die –
Die simple Grippe wäre in diesem zu Unrecht ignorierte – spätherbstliche
Zusammenhang ebenfalls zu nennen. Grippeschutzimpfung .
Wer macht sich schon klar, dass diese Auch bei den Erbkrankheiten gibt es
Krankheit, die heute für die meisten inzwischen bemerkenswerte Fortschrit-
Menschen nach wenigen Tagen mit Un- te. So gelang es 1993 den molekularen
pässlichkeit, Kopfschmerzen und Fieber Hintergrund der Chorea Huntington auf-
ausgestanden ist, noch um 1918 mehr als zuklären. Seither besteht die realistische
20 Millionen Todesopfer dahinraffte. Hoffnung, dass einmal eine Therapie
Die damals sogenannte “spanische Grip- möglich wird. Ähnliches deutet sich
pe” hatte Einfluss auf das Ende des 1. auch für die Multiple Sklerose, für die
Weltkrieges. An ihr starben so viele Alzheimersche Krankheit und für man-
deutsche Soldaten, dass allein dadurch che Formen von Krebs an.
ihre letzte große Offensive weitgehend Natürlich ist die medizinische Wis-
zum Erliegen kam. Weniger tödliche, senschaft nicht allvermögend. Auch für
Zwischen Medizin und Paramedizin 5

sie gilt: “Stückwerk bleibt, was man Zur Klarstellung: Paramedizin darf
treibt.” Aber es ist nicht zu übersehen, nicht – was leider immer wieder ge-
dass ihr enorme Fortschritte gelungen schieht – mit den Naturheilverfahren
sind. Wer je einmal ein Lehrbuch der z.B. Kneipp-Kuren, Massagen, Bäder,
historischen Medizin in der Hand hatte, Gymnastik, Diäten, Kräuterkuren, usw.
wird erleichtert aufatmen, dass er in die- verwechselt werden. Diese gründen sich
sem Jahrhundert leben darf. Wer hier in- auf natürliche und nachprüfbare Wir-
nehält und einen Schritt zurücktritt, wird kungen der Mittel und Methoden, und
mit voller Überzeugung sagen können: haben insbesondere für die Gesundheits-
Es ist ein beständiger Grund zur Dank- pflege ihren Wert.
barkeit gegen Gott, dass es dieses Ge- Dagegen baut die Paramedizin ge-
schenk der medizinischen Wissenschaft wöhnlich auf spekulativen, unbelegten
gibt. Was wäre der Diabetiker ohne sein Vorstellungen auf und bedient sich eso-
Insulin, der Asthmatiker ohne seinen terisch-magischer Theorien. Man werfe
Spray, der Epileptiker ohne sein Medi- nur einen Blick auf die Angebote unter
kament? Wie stünden wir da, ohne die “Gesundheit/Lebenshilfe” in unseren
Hilfe der modernen Apparatemedizin? Buchhandlungen. Da zucken ungewöhn-
Ein gläubiger Urologe meinte einmal, liche Begriffe aus den Regalen: Aura-
keiner wisse mit dem Begriff der Erlö- skopie; Ayurveda; Bach-Blüten; Biore-
sung einen tieferen Inhalt zu verbinden, sonanztherapie; biologisch-dynamischer
als der Prostata-Kranke, der nach einem Landbau; Bombastus-Heilkräuter; Chan-
akuten Harnverhalten eine erfolgreiche neling/Kinesiologie; Chakren; Deme-
Katheterisierung erlebte. Im Blick auf ter-Produkte, Dreck-Apotheke; Edels-
das reichhaltige medizinische Angebot tein-Therapie; Fang-Schui; Fußzonenre-
sollten wir es grundsätzlich mit der zwi- flexmassage; Hildegard-Medizin; Ho-
schentestamentlichen Weisheit aus Sir möopathie; Irisdiagnostik; Hand- und
38 halten: “Ein vernünftiger Mensch Fußdiagnostik; Quigong; Radiästhetik;
verschmäht den Arzt nicht.” Reiki; Tantra; Weleda – um nur einige
zu nennen. Was ist davon zu halten? Al-
Der Irrgarten der Paramedizin les gut und nützlich, wenn es mit Dank-
sagung genossen wird?
Diese volle und klare Anerkennung
muss leider dem versagt werden, das Alles prüfen – aber nicht alles
es jetzt zu besprechen gilt: Neben dem glauben!
Gottesgeschenk der medizinischen
Wissenschaft, gibt es auch die sog. Leider kann die kindliche Einfalt auf die-
“Paramedizin”. Darunter versteht sem Gebiet nicht empfohlen werden.
man ein breites Spektrum von Verfah- Denn die Paramedizin ist ein ungemein
ren, von denen behauptet wird, dass erfolgreicher Tummelplatz verschieden-
sie sich zur Erkennung und Behand- artigster Gestalten. Da sind einerseits die
lung von Krankheiten eignen, ohne verkannten Genies, die von ihrer Sen-
dass dies bisher wissenschaftlich be- dung völlig überzeugten medizinischen
legt wäre. Außenseiter, die unentwegten Enthusi-
6 Manfred Schäller:

asten mit Sondereinsichten (die, wie sie ihre Verfahren über Eigenschaften ver-
überzeugt sind, von der arroganten fügen, die die “verstaubte Schulmedi-
Schulmedizin zu Unrecht ignoriert wer- zin” eben nicht aufzuweisen vermag.
den), sodann die Eigenbrötler, Geisthei- Während man dort sofort die großkalib-
ler und Spökenkieker; und nicht zuletzt rigen pharmakologischen Geschütze
die Scharlatane und Augenauswischer, auffährt, versucht man es hier noch mit
deren Zahl Legion ist (denn ihrer sind den “sanften Streicheleinheiten” der al-
viele). Die biblische Empfehlung lautet ternativen Methoden. Zugegeben, es ist
daher: “Prüfet!” (1Thess 5,22). Prüfen mehr als ein Körnlein Wahrheit an die-
aber heißt kritisch sein. Und Kritik be- sem Vorwurf. Aber der eigentliche Un-
darf der Kriterien! terschied liegt an anderer Stelle: Wäh-
Wie soll man prüfen? Eine äußerst rend sich die konventionelle Medizin
schätzenswerte – und dabei viel zu we- wissenschaftlicher Methoden bedient,
nig gehandhabte – Grundregel lautet: um ihre Verfahren und Behandlungs-
“Sapere aude!” Bediene dich deines weisen immer wieder zu überprüfen und
Verstandes! Wenn ein Christ beispiels- zu korrigieren, lehnen die Vertreter der
weise erfährt, dass Lebensmittel, um paramedizinischen Verfahren die sorg-
vollwertig zu sein, von den Sternen her- fältige wissenschaftliche Überprüfung
stammende “Astralkräfte” enthalten überwiegend als “für sie unangemessen”
sollten, dann müssen sofort alle roten ab. Wissenschaftliche Untersuchungen
Raketen hochgehen. Kühe, so hört man, sind jedoch unabdingbar, wenn man
könnten mit ihren Hörnern “Astralstrah- wirksame Verfahren von unwirksamen
len” auffangen. Man fülle also Kuhhör- trennen will.
ner mit Kuhmist und vergrabe sie im Bo-
den. Nach einem Jahr wird der Inhalt Homöopathie: Heilkraft durch
wieder herausgekratzt und in starker Verdünnen und Schütteln?
Verdünnung auf den Acker gesprüht
(biologisch-dynamischer Landbau!). Das Bei den “mit Mist gefüllten Kuhhör-
Ergebnis dieser ungewöhnlichen Wirt- nern” dürfte die “Entscheidungsfin-
schaftsweise sind dann die sog. Deme- dung” relativ leicht fallen. Was aber ist
ter-Produkte. Noch Kommentare nötig? bei Mitteln und Methoden, die sogar von
Sapere aude! der Ärzteschaft kontrovers diskutiert
Stets ist tiefstes Misstrauen angesagt, werden? z.B. bei der Homöopathie? Ein
wenn die Wirkungsweise gewisser Mit- Sechstel aller niedergelassenen Ärzte in
tel und Methoden auf “astrale Kräfte”, Deutschland soll, so das Ergebnis einer
“kosmische Energien”, “animalischen Umfrage, zumindest gelegentlich ho-
Magnetismus”, “Erdstrahlen” und “geis- möopathische Mittel verschreiben.
tig-seelische Schwingungen” zurückge- Das homöopathische Behandlungs-
führt wird. konzept, vor etwa 200 Jahren von dem
Häufig wird die Paramedizin auch deutschen Arzt Samuel Hahnemann auf-
als “sanfte Medizin”, als Erfahrungsheil- gestellt, beruht auf mehreren Grundprin-
kunde oder Alternativmedizin bezeich- zipien, von denen zwei besonders er-
net. Diese Begriffe suggerieren, dass wähnt seien: das “Simile-Prinzip” und
Zwischen Medizin und Paramedizin 7

das “Potenzieren”. Das Simile-Prinzip - gräne, verklebten Augenliedern und Im-


gefunden nach Selbstversuchen mit Chi- potenz helfen, usw.
narinde – lautet nach des Meisters klassi- Mit besonderer Heftigkeit wandte
scher Formulierung: “Wähle, um sanft, sich die Kritik von naturwissenschaftlich
schnell, gewiss und dauerhaft zu heilen, Denkenden auch gegen das “Potenzie-
in jedem Krankheitsfall eine Arznei, die rungsprinzip”. Hier sind es die geradezu
ein ähnliches Leiden (homoion pathos) extrem hohen Verdünnungsgrade, der
für sich erregen kann, als sie heilen soll! höheren “D-Stufen”, die den Wider-
Similia similibus curantur!” (= Ähnli- spruch herausfordern. Dass eine stark
ches wird durch Ähnliches geheilt.) wirkende Substanz in 1000-facher (D3)
Das zweite homöopathische Haupt- oder 10000-facher Verdünnung noch
prinzip ist das sog. “Potenzieren”: Man wirken kann, ist ein nachvollziehbarer
versteht darunter die Einstellung der Gedanke. Doch wird sich die Mehrzahl
“richtigen Stärke” durch Verdünnun- der Patienten kaum klar machen, was
gen, die sich an einer Zehnerreihe orien- etwa hinter der Angabe “D20" oder gar
tieren. Bei flüssigen Arzneimitteln geht ”D200” auf der kleinen braunen Flasche
man aus von einer Urtinktur, einem steht. “D20” ist eine Verdünnung von
konzentrierten Extrakt des Arzneistoffs. 1:10 hoch 20. Sie entsteht, wenn eine
Dieser wird im Verhältnis 1 zu 10 mit Aspirintablette im Atlantik (!) aufgelöst
verdünntem Alkohol gemischt und und gleichmäßig verteilt wird. Aber das
zehnmal geschüttelt. Es entsteht die ist noch längst nicht der Gipfel homöo-
Tinktura decimalis 1 (D1). Durch aber- pathischer Verwegenheit: Es gibt Ver-
maliges Verdünnen (und Schütteln!), schreibungen mit Verdünnungsgraden
stets im Verhältnis 1 zu 10, entsteht D2, von 1:10 hoch 1500. Das geht weit über
D3, usw. jegliches Vorstellungsmaß hinaus. Diese
Was sagt die heutige Wissenschaft Verdünnung erreicht man, wenn man
zu diesen Prinzipien? Dem Simile-Prin- eine Substanzmenge von der Größe ei-
zip mögen etliche zutreffende Erfahrun- nes Reiskorns in einem Wasserball von
gen zugrunde liegen. Hahnemann hatte der Größe des Sonnensystems auflöst,
sicher seinen Grund, wenn er z.B. einen Tropfen davon nimmt, ihn noch-
schrieb: “Der Kaffee erregt in großer mals in der gleichen Wassermenge ver-
Gabe Kopfschmerzen, in mäßiger Gabe dünnt und dies 2 Milliarden mal wieder-
vermag er Kopfschmerzen zu stillen.” holt (nach J. Randi)! Hier vermag alles
Im Ergebnis führte es jedoch zur gleich- Reden von ”feinstofflicher Wirksam-
artigen Behandlung unterschiedlichster keit" und “energetischer Betrachtungs-
Krankheiten und rief darum die Skepti- weise” nicht weiterzuhelfen: Derartige
ker auf den Plan: Pulsatilla D6 soll ge- homöopathische Hochpotenzen sind ab-
gen Ischias helfen, hilft aber auch bei solut leer an jeglicher Wirksubstanz.
krankhafter Eifersucht der Mädchen. Es ist ein Irrtum zu meinen, eine Sub-
Ambra D3 ist empfehlenswert bei stanz sei beliebig verdünnbar. Denn jede
Keuchhusten, hilft aber auch bei Ehesor- Substanzmenge besteht aus einer zwar
gen. Nux vomica wird bei heftiger Streit- sehr großen, aber doch endlichen Anzahl
sucht empfohlen, soll aber auch bei Mi- von Molekülen. Rechnerisch kann sie
8 Manfred Schäller:

mittels der Loschmidt´schen Konstante wissenschaftlich noch weitgehend un-


(N=6,026 x 10 hoch 23 Moleküle pro verstanden – fasst man unter dem Sam-
Mol) bestimmt werden. Das heißt, dass melbegriff Placebo-Effekt zusammen.
etwa ab D23 auch nicht ein einziges Mo- Es gibt auch das Gegenteil des Noce-
lekül der Urtinktur vorhanden ist. Hinzu bo-Effekts: Allein die Angst vor schädli-
kommt dann noch die Rolle des Schüt- chen Folgen vermag bereits negative
telns beim Verdünnen: Hierdurch soll et- Auswirkungen im Körper hervorzuru-
was vom “geistigen Wesen” der Ursub- fen. Der Placebo-Effekt kann sehr stark
stanz auf das Lösungsmittel übertragen sein. Experimente ergaben, dass insbe-
werden. Spätestens hier wird deutlich, sondere das Schmerzempfinden durch
dass das homöopathische Konzept die ihn stark beeinflusst werden kann. Will
wohlbegründeten Grenzlinien des natur- man dagegen herausfinden, ob eine be-
wissenschaftlich Nachvollziehbaren über- stimmte Therapie wirklich (!) wirksam
schreitet – und zwar hin zum Spekulati- ist, muss methodisch sichergestellt wer-
ven und zum Magischen. den, dass der stets mögliche Placebo-Ef-
Im Rahmen seiner Zeit beurteilt, war fekt die Test-Ergebnisse nicht verfälscht.
Hahnemann durchaus ein brillanter Kopf Um Medikamente oder Therapien zu
mit einer bemerkenswerten Beobach- testen, muss man daher zwei Patienten-
tungsgabe. Aber er wusste noch nichts gruppen bilden: Die eine Gruppe erhält
von Bakterien und Viren, von Atomen, das zu testende Medikament (Verum),
Molekülen und der Loschmidt´schen die Kontrollgruppe dagegen ein völlig
Konstante. Die Mehrzahl heutiger Medi- unwirksames Scheinmedikament (Fal-
zinwissenschaftler kommt darum nicht sum bzw. Placebo). Werden beide Grup-
umhin festzustellen: Für die “sanfte” ho- pen ansonsten völlig gleich behandelt
möopathische Methode fehlen (noch im- (um dies sicherzustellen, muss der Test
mer) die harten Beweise. Die Medizini- doppelblind durchgeführt werden, d.h.
sche Fakultät der Universität Marburg weder die Patienten noch die behandeln-
erklärte im Ärzteblatt vom 3. März 1993 den Ärzte dürfen wissen, ob jeweils das
die Homöopathie zur (medizinischen) echte Medikament oder das Placebo ver-
Irrlehre. abreicht wird), dann ist der Placebo-Ef-
Warum aber sind unwirksame Ver- fekt in beiden Gruppen gleich, und Un-
fahren oft so populär? Weil die Patienten terschiede zwischen den Gruppen gehen
vielfach von der Anonymität und dem tatsächlich auf das getestete Medika-
Massenbetrieb des modernen Gesund- ment oder die Therapie zurück.
heits(un)wesens abgeschreckt sind. Sie Während dieses Vorgehen in der
fühlen sich bei einem “Alternativmedizi- wissenschaftlichen Medizin und bei der
ner” viel wohler. Dieser geht endlich Zulassung von Arzneimitteln Standard
einmal auf ihre Persönlichkeit ein. Schon ist, lehnen Vertreter unkonventioneller
das Vertrauen in einen Therapeuten, in Heilmethoden solche Prüfungen meist
die Wirksamkeit einer Therapie oder ei- als unangemessen ab. Sie verweisen statt
nes Medikaments kann Prozesse im Kör- dessen auf beeindruckende Fallbeispiele
per auslösen, die die Heilung fördern. von geheilten Patienten. Für “Otto Jeder-
Diese Wirkungen einer Behandlung, - mann” mögen diese sehr überzeugend
Zwischen Medizin und Paramedizin 9

sein – wissenschaftlich sind sie ohne Solide: nämlich an das Gebet des Glau-
jede Beweiskraft. Denn es bleibt völlig bens und an die hinlänglich begründete
unklar, bei wie viel Patienten die Be- vernünftige Einsicht, die den Arzt nicht
handlung erfolglos war. Hinzu kommt, verschmäht.
dass viele Krankheiten in Schüben ver- Und im Übrigen wollen wir uns ge-
laufen oder von selbst wieder heilen, und genseitig helfen, nicht gegen Gottes Rat-
dass auch bei chronischen Erkrankungen schluss zu murren, der uns die ganze Er-
Spontanheilungen vorkommen. lösung unseres Leibes erst für “jenen
Tag” in Aussicht stellt (Röm 8,23). ¡
Fazit: An das Solide halten

Zunächst einmal ist es an sich schon eine


betrübliche Sache, wenn der Christ den
dubiosen Heilungsversprechen ungezähl-
ter Quacksalber, Geistheiler, Schwärmer
und Scharlatane auf “friss Vogel oder Literatur:
stirb” ausgeliefert ist. Zum anderen aber
besteht die Gefahr, dass er über Bachblü- Oepen, I. (Hrsg.): Unkonventionelle me-
ten und Hahnemann‘schen Hochpoten- dizinische Verfahren. Gustav Fischer
zen, und trotz sündhaft teurer (aber völ- Verlag, Stuttgart 1993
lig unwirksamer) Abschirmungsgeräte
gegen “Erdstrahlen” die wirksamen Be- Oepen, I., Sarma, A. (Hrsg.): Parawis-
handlungsmethoden versäumt. Er steht senschaften unter der Lupe. Lit-Verlag,
dann da, “ärmer am Beutel” aber beilei- Münster 1995
be nicht “gesünder am Herzen”, und
schleppt weiter an den Lasten seiner Müller, Georg: Heilkraft durch Verdün-
Tage. Darum nochmals: Sapere aude! nen? CLV, Bielefeld, 1992 (Besonders
Gebrauche deinen Verstand. empfehlenswert!)
Und was ist, wenn man da schon vie-
les falsch gemacht hat? Dann höre man Prokop, O.: Homöopathie. Was leistet
einfach auf damit und halte sich an das sie wirklich? Ullstein, Frankfurt, 1995
10 Manfred Schäller:

Stellungnahme zu dem Taschenbuch


Karl Kleinschmidt, Hermann Frick. Die Homöopathie und ihre religiösen
Gegner im Blickwinkel medizinischen Wissens und christlichen Glaubens.
Ernst Franz, Metzingen: 1998. 119 S. Pb.
uf das Erscheinen des Buches mit möopathie, usw. Das Gespräch zwi-

A der schönen Arzneipflanze (Aco-


nitum napellus) auf dem Cover
hatten etliche Leute mit Spannung ge-
schen Theologie und Homöopathie wird
dadurch sehr schwierig. Ein kritischer
Einwand, der die eine Richtung betrifft,
wartet: Die Gegner, um zu sehen, ob es muss die andere durchaus nicht betref-
neue Erkenntnisse gibt; die Befürworter, fen. Im strengen Sinn kann das Gespräch
um neue Gewissheit daraus zu schöpfen. immer nur mit einer Richtung erfolgen.
Das Buch enthält zwei Hauptteile:
“Die Homöopathie zwischen Glaube Der Arzt Samuel Hahnemann
und Denken” von Dr. med. Karl Klein-
schmidt und “Kurze Medizingeschichte Aus mancherlei Erwägungen schien es
und Lehre der Homöopathie nach Samu- mir empfehlenswert, mit dem zweiten
el Hahnemann und Otto Leeser” von Dr. Beitrag zu beginnen. Frick schildert zu-
med. Hermann Frick. Beide Verfasser erst das Leben des Begründers dieses
sind überzeugte Christen und dazu ho- Heilverfahrens – des deutschen Arztes
möopathische Ärzte; zugleich sind beide Dr. med. Samuel Hahnemann (1755 -
auch Schüler von Prof. Dr. med., Dr. phil. 1843). Beginnend in der frühen Jugend-
Otto Leeser – einem führenden deutschen zeit zeichnet er das Bild eines unge-
Homöopathen in der Zeit nach dem 2. wöhnlich hochbegabten jungen Men-
Weltkrieg. schen, der es als Sohn eines Porzellan-
Zwei Vorbemerkungen sind nötig: malers – auf unvorstellbar schwierigem
1) Die Besprechung des Buches setzt Lebensweg – über die Fürstenschule St.
beim Leser eine gewisse Kenntnis des Afra zu Meißen schließlich zum Doktor
Gegenstandes voraus. Es würde einfach der Medizin gebracht hat. Im Zuge der
den Rahmen dieser Buchbesprechung Darstellung gelingt es dem Autor, viel
sprengen, müssten alle sachbezogenen Sympathie für diesen bedeutenden Arzt
Einzelheiten noch weitläufig erklärt zu wecken. Als Seuchenhygieniker und
werden. Reformer steht Hahnemann ein wohl-
2) Es gibt nicht nur die eine Homöo- verdienter Platz in der Geschichte der
pathie, sondern eine Vielzahl unter- Medizin zu. Die Forderung einer Kran-
schiedlicher Homöopathien. Man unter- kengeschichte, heute eine Selbstver-
scheidet die Niederpotenzler, die Hoch- ständlichkeit, ist eines seiner bleibenden
potenzler, die Monotherapeuten, die Po- Verdienste.
lypragmatiker, die homöopathischen Phy- Dass dieser geniale Mann in charak-
totherapeuten, die anthroposophische Ho- terlicher Hinsicht auch recht schwierig
Zwischen Medizin und Paramedizin 11

sein konnte, wird nicht verschwiegen. “Die Erhöhung der Schlange”4: “Zwi-
“Die biographischen Notizen dieser Jah- schen Homöopathie und Mesmerismus
re zeichnen leider das Bild eines unnach- hat es von Anfang an ein Bündnis gege-
giebigen Diktators.”1 ben, weil beide wesens-identisch sind.”
Allerdings, in einem Buch, das sich Dass Hahnemann Freimaurer war,
laut Titel mit den “religiösen Gegnern” weiß das Buch (S. 27). Doch wird dieser
der Homöopathie auseinander setzen Punkt nicht weiter ausgeführt. Gibt es in-
möchte, hätte man sich schon einigen zwischen ein genaueres Wissen über die
Aufschluss über das geistlich-religiöse Esoterik der Loge “Minerva zu den drei
Leben dieses Mannes gewünscht. Palmen”, der Hahnemann zugehörte?
Andere Hahnemann-Biographen füh- Wenn er den Freimaurerphilosophen Dr.
ren hier wesentlich weiter, so z.B. der C.F.K. Krause empfing, verbannte er die
Homöopath Prof. Hans Ritter: ganze Familie aus dem Haus. Gibt es
“Er sprach von dem ‘Erzschwärmer Anhaltspunkte für den Inhalt dieser ver-
Christus’, nicht ahnend, dass er hier in traulichen Gespräche? In einem Brief
Leipzig auf dem Wege war, aus dem spricht Hahnemann von “wichtigen
Wissenschaftler zu einem Erzschwärmer maurerischen Eröffnungen”, die er ihm
zu werden, zu einem Erzschwärmer des machen wollte. Hängt dies mit der “Ent-
Simile.”2 deckung” des Potenzierungsverfahrens
Auch wünschte man sich, einiges der homöopathischen Arzneien zusam-
über die Beziehung Hahnemanns zu dem men, wie der Hahnemannforscher Georg
großen ‘Wiener Wunderdoktor’ Franz Müller zu erweisen sucht?
Anton Mesmer (1734-1815) zu erfahren. Etwas mehr Information hätte man
Nach dem “Organon”3 stand er dessen sich in dem biographischen Abriss über
“magnetischer” Therapie wohlwollend die Familie Hahnemanns gewünscht.
und aufgeschlossen gegenüber. Hat er Die Ehen der Töchter, soweit sie heirate-
den Mesmerismus auch selbst ausgeübt, ten, scheiterten. Zwei wurden unabhän-
wie Eschenmayer, Tischner und Ritter gig voneinander ermordet, alle anderen
sagen? Gibt es einen tieferen Zusam- von neurotischen Ängsten geplagt. Der
menhang zwischen Homöopathie und einzige Sohn, Friedrich – Hochschulleh-
Mesmerismus. Soll gar durch die “kräfti- rer in Leipzig, dann Apotheker in Wol-
gen Schüttelschläge” beim Potenzieren kenstein im Erzgebirge, später ausge-
“Lebensmagnetismus” auf die Arznei wandert – führte einen so überdrehten
und das Vehikel übergehen, wie Dr. Ar- Lebensstil, dass sich die Leute vor ihm
tur Lutze, nach Hahnemann wohl der er- fürchteten. Er verscholl irgendwo in
folgreichste homöopathische Arzt über- Amerika.
haupt, meinte? Hahnemanns Biograph
Herbert Fritsche schreibt in seinem Buch

1 S. 90
2 Ritter, Hahnemann, S. 60.
3 Vgl. z.B. § 288
4 7. Auflage, Burgdorf 1991, S. 99.
12 Manfred Schäller:

Arzneimittelprüfung an Gesunden eines Menschen keine spürbaren Symp-


tome. Bei Graphit – ein pharmakolo-
Ein weiterer Schwerpunkt ist der The- gisch völlig indifferenter Stoff – fand
menkreis “Hahnemann und die neuere Hahnemann 1444 verschiedene Sympto-
Forschung” (S. 95ff). Der Leser erfährt, me. Bei der späteren Nachprüfung an der
dass es nach des Altmeisters Ansicht homöopathischen Poliklinik in Leipzig
keinen anderen Weg gäbe, “untrüglich konnte man nur 45 Symptome feststellen
zu erfahren” wie die Arzneien wirken, – die sich aber kaum mit Hahnemanns
“als dass man sie versuchsweise gesun- “typischem Graphitbild” deckten.6 Man
den Menschen in mäßiger Menge gibt, sieht: Zweifel an der “reinen Sprache der
um zu erfahren, welche Veränderungen, Natur” sind durchaus berechtigt und
Symptome und Zeichen ihrer Einwir- wurden von Fachleuten immer wieder
kung jede besonders im Befinden des geäußert.
Leibes und der Seele hervorbringe ...”
Entsprechend dem berühmten Lehr- Die Potenzierung
satz “Similia similibus curentur” (Glei-
ches werde durch Gleiches geheilt) wird Enttäuschend auch das Kapitel “Poten-
angenommen, dass ein Medikament in zierung, physikalisch erklärt” (S. 102 ff).
homöopathischer Verordnung gerade Unter Potenzierung versteht man die an-
jene Krankheitssymptome zu heilen ver- gebliche Wirksamkeitszunahme durch
mag, die es unter Versuchsbedingungen den Prozess zunehmender Verdünnung
am gesunden Menschen hervorruft. Das in Hunderter- bzw. Zehner-Schritten
Vermutete, Behauptete oder gar Erdich- (Centesimal- bzw. Dezimal-Potenzen),
tete sei so gänzlich ausgeschlossen. Viel- wobei bei jedem Verdünnungs- resp. Po-
mehr hätte man auf diese Weise “die rei- tenzierungsvorgang je 100 bzw. 10 kräf-
ne Sprache der sorgfältig und redlich be- tige Schüttelschläge auszuführen sind.
fragten Natur” vor sich. Die Anfertigung einer C30 – streng nach
Leider erwähnt Frick nicht, dass ihm, Hahnemann in Handverschüttelung – ist
Hahnemann, schwere Täuschungen wi- ein bemerkenswertes Stück Arbeit und
derfuhren. Schon sein Selbstversuch mit kann gut drei Tage in Anspruch neh-
Chinarinde wird von heutigen Pharma- men.7 Ab D23 kann auf Grund physika-
kologen als Allergiereaktion angese- lischer Gesetzmäßigkeiten (Loschmidt-
hen.5 Hahnemann testete auch Magneten sche Konstante!) kein einziges Molekül
am lebenden Menschen – und erhielt, Wirkstoff mehr vorhanden sein. Diese
getrennt nach Nord- und Südpol hunder- Verdünnung entsteht, wenn man eine
te von Symptomen! Von heutigen Ho- Aspirintablette im Atlantik löst!
möopathen wird dieser offenbare Lapsus Im Anschluss an seinen Lehrer Otto
schamhaft verschwiegen. Ein ruhendes Leeser meint der Verfasser, für die ho-
magnetisches Feld erzeugt am Körper möopathische Arznei eine “katalytische

5 Hopff, S. 13
6 Vgl. G. Speicher. Heilen mit Erfolg. München 1974, S. 98.
7 So Dorcsi, nach Prokop, S. 31.
Zwischen Medizin und Paramedizin 13

Wirkung” annehmen zu sollen. Wie das die Denkmöglichkeit der Homöopathie


aber gehen soll – vor allem, wenn die herauszumartern, vermögen nicht zu
Substanz des Katalysators nicht mehr überzeugen. Der Physiker Martin Lam-
vorhanden ist (!) – wird weder angedeu- beck sagte neulich: “Sollte diese Grund-
tet noch ausgeführt. Man muss aber annahme der Homöopathie über die
Frick hoch anrechnen, dass er wenigs- Wirksamkeit der Potenzierung richtig
tens deutlich sagt: “Eines müssen wir sein, dann muss ich meinen Kollegen
voraussetzen: dass nämlich noch Mole- von der physikalischen Chemie und der
küle, zumindest aber 1 Molekül des be- Spektroskopie sagen, dass sie seit 50
treffenden Wirkstoffs am Reaktionsort Jahren geschlafen haben.”8
vorhanden ist. Die Arzneiwirkung kön- Nein, Homöopathie kann, von der
nen wir uns also nicht losgelöst von dem Placebowirkung einmal abgesehen,
Ausgangsstoff vorstellen.” (S. 104) überhaupt nicht rational erklärt werden,
Abgesehen davon, dass 1 Molekül weder chemisch noch physikalisch. In
am Reaktionsort nach pharmakologi- Anlehnung an einen bekannten Satz
scher Plausibilität viel zu wenig ist, muss wird man sagen dürfen: Ubi physicus de-
man angesichts der Naturstoffe, die die sinit, homöopathicus incipit, wo der
Homöopathie einsetzt – z.B. Bryonia, Physiker am Ende ist, da erst fängt der
(Zaunrübe), Sepia, (Tintenfisch), Crota- Homöopath wirklich an.
lus, (Toxin der Waldklapperschlange),
usw. – voraussetzen, dass genügend vie- Die Auseinandersetzung mit den
le, d.h. Tausende von spezifischen Mole- religiösen Gegnern
külen am Reaktionsort (was genau ist
damit eigentlich gemeint?) vorhanden Nur der Beitrag von Dr. med. Karl
sind. Dies aber kann aus elementaren Kleinschmidt spricht zum eigentlichen
physikalischen Gründen schon im Be- Thema des Buches. Der Autor beginnt
reich der niederen Potenzen nicht mehr mit einem erkenntnistheoretischen Ein-
garantiert werden. Geradezu befreiend, stieg, in dem sehr viel Gutes, Lehrrei-
dass wenigstens im Blick auf die Wirk- ches und Beherzigenswertes gesagt
samkeit der Potenzstufe C 30 eingestan- wird. Aber es leuchten auch schon Vor-
den wird, dass darin “ein einstweilen un- und Nebengedanken auf, die zu besorg-
gelöstes Problem” liegt (S. 108). Unge- tem Fragen Anlass geben: “Heute ist die
löst sind seit 200 Jahren freilich alle Pro- große Zeit des nur materialistischen
bleme, die die Homöopathie aufgibt: Denkens auch in der Wissenschaft vor-
“Nichts gelöst in einem Verdünnungs- bei (S. 12).” “Die innewohnende Kraft
mittel soll deutlich besser wirken, als das als Zielgerichtetheit der Entwicklung,
Verdünnungsmittel, in dem nichts gelöst die Entelechie ist ein Grundbegriff ...
ist.” So der Marburger Dermatologe, dessen sich die moderne Biologie erneut
Prof. Dr. med. Rudolf Happle. bedient (S. 17).” Diese Sätze lassen an
Alle Versuche, aus den physikali- einen hintergründigen Vitalismus den-
schen Gesetzmäßigkeiten wenigstens ken. In der Zeit zwischen den beiden

8 Berliner „Tagesspiegel“, 05.10.98


14 Manfred Schäller:

Weltkriegen, war der Biologe, Philosoph und das versteht nur, wer hier verneh-
und Parapsychologe Hans Driesch wohl mend folgen konnte - auch eine Heilung
dessen prominentester Vertreter in die- durch Zaubersprüche.”10
sem Jahrhundert. Schade, dass der Autor Kleinschmidt macht sich die Sache
nicht bei diesem Punkt verweilt! sehr einfach und tut Fritsche als “hinein-
Der aristotelische Begriff der Entele- interpretierenden Phantasten” ab (S. 17).
chie bezeichnet eine immaterielle (“geis- Zwar sagt er deutlich, durch solche “me-
tartige”) Kraft, die im Raum wirkt, ohne taphysischen Interpretationen” würden
den Raum zu erfüllen. Mit gewöhnlichen die ablehnenden Reaktionen der Kontra-
(d.h. chemischen, physikalischen oder henten wenigstens teilweise verständ-
pharmakologischen) Stoffwirkungen ist lich. Aber leider unternimmt er nicht den
Homöopathie schlechterdings nicht zu kleinsten Versuch, auf seine Widersa-
erklären. Ihre Vertreter, soweit sie über cher wirklich einzugehen. Sie sind ihm
das zugrundeliegende Wirkprinzip über- nichts anderes als “sich fromm überhe-
haupt nachdenken, greifen sehr oft auf bende christliche Autoren” (S. 18). Ein
die Vorstellung immaterieller, “geistarti- wirklicher Dialog mit ihnen lohnt sich
ger” Kräfte zurück. So suchte man die nicht.
Reichenbachsche Odlehre (nach dem
germanischen Gott Odin bzw. Wodan), Otto Prokop und der materialisti-
den “animalischen Magnetismus” Mes- sche Angriff
mers (hat nichts mit dem natürlichen
Magnetismus zu tun) oder die Vorstel- Eines muss für den interessierten Leser
lung von einer den gesamten Kosmos von vornherein klar sein: Was Luther für
durchwehenden heilsamen Kraft (“vis den Papst, das ist Prokop für alle Spielar-
medicatrix naturae”) heranzuziehen.9 ten der Paramedizin. Der Ostberliner
Während der Naturwissenschaftler Professor ist in der Tat einer der schärfs-
zunächst vor der Frage steht, ob es diese ten Kritiker aller nicht-naturwissen-
“geistartigen” Kräfte überhaupt gibt, hat schaftlichen Heilverfahren. Allerdings:
der Christ und Theologe zu fragen, wel- Als Gerichtsmediziner hat dieser Mann
cher Natur sie sind. auch besonders häufig die oft tragischen
Der ungewöhnlich gut informierte, Auswirkungen des Okkultismus, der
aber freilich auch unbequeme Biologe Quacksalberei und leider auch so man-
und Hochpotenz-Homöopath Dr. Her- cher “alternativen Methode” zu sehen
bert Fritsche (1911-1960) erklärt die Ho- bekommen! Zudem ist Prokop ein unge-
möopathie konsequent esoterisch: “wird mein fleißiger, gründlicher und wohlin-
... die Simile-Arznei eingesetzt, so kom- formierter Forscher. Seine profunde
men zwei konkordante Hervorrufungen Quellenkenntnis mit umfangreicher Bi-
miteinander ins Gespräch: Abyssus bliographie werden für die wissenschaft-
abyssum invocat, ein Abgrund ruft dem liche Arbeit noch lange ihre wichtige
anderen. Insofern ist die Homöopathie - Bedeutung haben.

9 Lutze, Altschul, Adolf von Gerhard, Edward Whitmont u.a.


10 a.a.O. S. 36.
Zwischen Medizin und Paramedizin 15

Es stimmt, Prokop ist Materialist und wird die Frage gestellt, welche “geistar-
Atheist. Unverständlich aber, warum tigen Kräfte” in einem homöopathischen
sich der Homöopath Kleinschmidt so Pharmakon wirken, zumal, wenn diese
sehr darüber ärgert? Zuweilen appelliert Wirkungen, wie beharrlich behauptet
er beherzigenswert an die Unterschei- wird, weit über jeglichen Placeboeffekt
dungskraft: Man dürfe z.B. “mit dem hinausgehen? Ist es eine noch unbekann-
Badewasser des Spiritismus nicht das te Naturkraft oder eine mit dem Mesme-
Kind der Kräutermedizin” (S. 21) aus- rismus eng verknüpfte bzw. verwandte
schütten. Dagegen liest sich S. 23ff aber Methode, wofür bedeutende Homöopa-
so, als sähe er es gern, wenn man mit then (z.B. Artur Lutze, Adolph von Ger-
dem “Badewasser des Materialismus” hardt, Friedrich Gisevius, Herbert Frit-
auch die wissenschaftliche Arbeit Pro- sche) eintraten?
kops gänzlich verwerfen sollte. Warum? Die Forderung nach reproduzierba-
Freilich dürfte man sich der Führer- ren, randomisierten und placebokontrol-
schaft Prokops nicht anschließen, wenn lierten Doppelblindstudien – eigentlich
es z.B. um die theologische Wertung des auch ein materialistischer Angriff! – wird
Spiritismus und Mediumismus ginge. bejaht (S. 43-47). Aber es wird nicht ge-
Da würde sein konsequent materialisti- sagt, dass es bereits hunderte solcher Ver-
scher Ansatz in der Tat zu einer Fehlbe- suche gab, die bisher aber nie den völlig
urteilung führen. Bei einer Arsenikver- klaren Beweis für die Wirksamkeit zu er-
giftung hingegen bliebe sein weltan- bringen vermochten. Die französischen
schaulicher Standpunkt völlig unerheb- Autoren Hill und Doyon publizierten
lich. Darum lautet die Frage: Inwiefern 1990 das Ergebnis ihrer Analyse von 40
stört Prokops Materialismus bei der Be- kontrollierten klinischen Studien. Nur
urteilung der Homöopathie? Welche drei (!) von ihnen waren methodisch ein-
weltanschaulichen Voraussetzungen muss wandfrei, alle anderen wiesen wesentli-
man eigentlich mitbringen, um ihr ge- che Mängel auf. Zwei der drei Studien
recht zu werden? Von einem “materiali- kamen zu einem für die Homöopathie ne-
stischen Angriff” auf die Homöopathie gativen Resultat. Von der dritten schrie-
zu sprechen, macht nur dann richtig ben die Autoren selbst, dass ihre Ergeb-
Sinn, wenn diese in nichtmaterielle (vita- nisse nur Anlass für weitere “rigorose”
listische, odische, entelechiale oder Untersuchungen sein könnten.11 Zu wel-
sonstige metaphysische) Dimensionen chen Schlussfolgerungen die auf S. 46f
hinein ragt. Ist dies der Fall, dann sollte erwähnten, in The Lancet veröffentlichten
man es klarer und deutlicher sagen. Studien führen werden, bleibt abzuwar-
Dann sollte man vor allem den Versuch ten. Nach allem Bisherigen ist Skepsis
einer physikalischen Herleitung von aber mehr als angebracht. Vom ideologi-
vornherein unterlassen. Weiterhin sollte schen Gefälle unserer Zeit her dürfte aber
man zugeben, dass zumindest der kriti- mit einer rasant zunehmenden Weiterver-
sche Blick der religiösen Gegner hinrei- breitung aller paramedizinischen Verfah-
chend gerechtfertigt ist. Seit langem ren zu rechnen sein.

11 Nach Oepen/Schaffrath, Parawissenschaften, 1998, S.34.


16 Manfred Schäller:

Die religiösen Gegner rich Himmler, Julius Streicher, Gerhard


Wagner u.a. fand diese Heilweise, die so
So richtig zur Sache kommt Klein- gut zu der neugermanischen Blut- und
schmidt auf Seite 26ff: “Der religiöse Bodenmystik zu passen schien, unge-
Angriff: Was alles vom Teufel sein soll”. mein tatkräftige Förderer. Bedeutende
Hier liegt zweifellos der Hauptnerv des Befürworter waren zugleich hochrangi-
ganzen Buches; hier neigt sogar der Ho- ge Nazis. Unter diesen Umständen
möopath, sonst von feinstofflichen Wir- musste die wissenschaftliche Kritik völ-
kungen völlig überzeugt, etwas zu schul- lig zum Erliegen kommen. Unerwähnt
medizinischer Grobheit: Contraria con- bleibt auch, dass man sogar an KZ-Häft-
trariis curantur - Gegensätzliches wird lingen Homöopathika testete. Ohne je-
mit Gegensätzlichem geheilt. Besonders den Erfolg.
seine ärztlichen Kollegen Samuel Pfeif- Unerwähnt bleibt ferner, dass es ne-
fer (“Gesundheit um jeden Preis”) und ben dem “materialistischen” und “reli-
Reinhard König (“Sanfte Heilverfah- giösen” Angriff, mindestens noch einen
ren”) nimmt er sich “zur Brust”. Bei al- weiteren gibt: den Angriff aus den eige-
lem Verständnis für seinen Zorn - er nen Reihen. Wiederholt wechselten Ho-
wird auch ungerecht (z.B. S. 32): “Pfeif- möopathen ins Lager der Kritiker hin-
fer glaubt unkritisch an das Bewiesene in über. Bestes Beispiel ist Dr. med. Fritz
der Medizin. Was (noch) nicht bewiesen Donner, der einst zu den führenden ho-
ist, hält er für unbeweisbar, und was un- möopathischen Ärzten Deutschlands ge-
beweisbar ist, ist für ihn Okkultismus hörte. Donner war beteiligt an Überprü-
und Dämonie.” Ob er damit seinen ärzt- fungen homöopathischer Arzneien, die
lichen Kollegen Dr. med. Samuel Pfeif- in den Jahren 1936 - 1939 vom damali-
fer richtig erfasst hat? gen Reichsgesundheitsamt angeordnet
Ein angemessenes Sensorium für die wurden. Er überzeugte sich von der Un-
christlichen Vorbehalte, ob sie nun von wirksamkeit der Homöopathie. Außer-
volkstümlichen Evangelisten (Moder- dem erwähnt er unseriöse Praktiken sei-
sohn, Markmann, Kriese) oder von tens der Prüfer. So sagte der damalige 1.
christlichen Ärzten (Pfeiffer, König, Vorsitzende des Deutschen Zentralver-
Kormannshaus, Heide) geäußert wur- bandes homöopathischer Ärzte (DZV),
den, ist nirgends auszumachen. Hanns Rabe, wörtlich: “Wir können
Pfeiffer muss sich (S. 31/32) in mehr- doch das gar nicht, was wir behaupten!”
facher Wiederholung anhören, dass er (vgl. Donner, 1966) Auch Otto Leeser
dies und jenes “nicht erwähnt”, bzw. wird – in kritischem Zusammenhang –
“verschweigt”. Aber: Kleinschmidt ver- erwähnt.
schweigt auch. Wohl hält er für erwäh-
nenswert (S. 24), dass es in der ehemali- Fazit
gen DDR gelungen sei, die Homöopa-
thie völlig zu unterdrücken. Er ver- Tritt man einen Schritt zurück, um das
schweigt aber, dass die Nazizeit in Ganze zu sehen, so muss man sagen:
Deutschland die große Stunde der Ho- Der Beginn eines echten Dialogs, ein
möopathie war. In Rudolf Hess, Hein- sensibles Eingehen auf die Bedenken
Zwischen Medizin und Paramedizin 17

der “religiösen Gegner” kommt nicht christlichen Vorbehalte können kaum


zustande. besser zum Ausdruck gebracht werden
Wohl betont Kleinschmidt, einige als es der Homöopath Herbert Fritsche in
Klassiker gingen “esoterischen und seiner Hahnemann-Biographie (S. 261)
sonstigen Ideen nach, die der Homöopa- tat: “Was sich da abspielt, ist Ket-
thie fremd sind” (S.56). Aber leider fehlt zer-Wirken - und in der Tat ist und bleibt
ihm die Bereitschaft, wenigstens in die- auch von der Theologie her, die der Ho-
sem Minimal-Punkt seinen christlichen möopathie heimlich innewohnt ... Hah-
Gegnern ein Stück weit entgegenzuge- nemanns Heilkunst eine echte Ketzerei.”
hen. Ist ihm verborgen, dass die Homöo- Genau hier liegt das Hauptproblem: Die
pathie nur selten in der Form seines Leh- dieser Heilkunst “heimlich innewohnen-
rers Otto Leeser – er gilt als der “an Kant de Theologie”! Für die Wahrnehmung
geschulte Rationalist unter den wirkli- dieser Dimension fehlt den beiden Auto-
chen Homöopathen” – auftritt? Sehr viel ren das angemessene Sensorium.
häufiger ist doch die Verflechtung mit Nein, das Buch leistet keinen Beitrag
höchst fragwürdigen bis eindeutig ok- zu einem konstruktiven Gespräch zwi-
kulten Methoden und Anschauungen. schen den Fronten. Allenfalls vermag es
Und mit genau dieser Wirklichkeit der die Sicht der Befürworter zu befestigen,
Homöopathie hat es der Evangelist in während die Gründe, Beobachtungen
der Seelsorge immer wieder zu tun! Und und Einwände der “religiösen Gegner”
diese Wirklichkeit ruft – mit Recht! – an keiner Stelle einer tieferen Erörterung
den kritischen Blick und das kritische gewürdigt werden. Mir scheint, die kriti-
Wort hervor. schen Autoren - Pfeiffer, König, Müller,
Aber auch die Homöopathie “an u.a. - böten demgegenüber sehr viel
sich” ist in vielfacher Hinsicht eine äu- mehr an angemessener und wohlfundier-
ßerst fragwürdige Angelegenheit. Die ter Information. ¡
18 Manfred Schäller:

Medizin/Paramedizin - ein Nachwort


iese nunmehr in 3. Auflage er- Und mit Hinblick auf ihn greife ich

D scheinende Kleinschrift fand ein


ungewöhnlich lebhaftes Echo.
Sowohl beim Schriftleiter wie bei mir
nochmals zur Feder.
Ja, es ist leider nur zu wahr, dass un-
ser modernes Gesundheitswesen nicht
selbst gingen schriftliche, mündliche selten als ein Unwesen erlebt wird. Es
und fernmündliche Stellungnahmen ein. droht besonders die Gefahr, dass der auf
Ärzte, Apotheker, Heilpraktiker, Mitmenschlichkeit angewiesene hilfsbe-
Krankenschwestern und Seelsorger dürftige Mensch im Gewirr der Appara-
brachten – teils zustimmend, teils ableh- te, Elektroden, Drähte und Schläuche
nend – ihre Gedanken zum Ausdruck. völlig außer Blick gerät. Aber ich bleibe
Sogar von drei Universitätsprofessoren dennoch dabei, dass wir die Ergebnisse
erhielt ich Post. Ich empfand dies inso- der medizinischen Forschung als ein Ge-
fern als ein Phänomen, als bei anderen schenk Gottes in dieser gefallenen Welt
Themen gewöhnlich ungewiss bleibt, ob würdigen sollten. Stünde ich erneut vor
sie überhaupt gelesen werden. Hier wur- der Aufgabe, nochmals zu diesem The-
de gelesen. In inhaltlicher Hinsicht frei- ma zu schreiben, würde ich neben “Pest,
lich waren die Reaktionen so etwas wie Pocken und Grippe” gern noch die frü-
ein “angewandtes Naturheilverfahren”, her so gefürchtete Kinderlähmung er-
eine Art Hydrotherapie mit Kalt- und wähnen. Was hat diese Erkrankung blü-
Heißwassergüssen. hendes menschliches Leben verwüstet!
Insgesamt berührten die Zuschriften Und heute? Ich meine, nächst Gott hät-
zahlreiche weitere Gesichtspunkte, die ten wir es der medizinischen Forschung
sich bis hin zu iatrogenen Schädigungen, zu danken, dass dergleichen Gefahren
Naturheilkunde, Tierversuche, Repro- weithin gebannt sind.
duktionsmedizin, Anti-Babypille und Dagegen ist es eine völlig andere
Viagra erstreckten. Dabei war der noch Frage, ob der Mensch alles darf, was er
immer fortwirkende Einfluss des baby- kann! Sie gehört ins Sachgebiet der Wis-
lonischen Turmbaus auf unsere Sprache senschaftsethik.
wohl zu spüren. Es ist nicht möglich, auf
all diese vielen Dinge einzugehen. Und die Naturheilkunde?
Ein Gesichtspunkt muss hier aber be-
sondere Berücksichtigung finden: “Was Sofern sie sich der Grenzen ihrer Lei-
musst Du”, so artikulierte sich eine maß- stungsfähigkeit bewusst bleibt, kann
voll kritische Stimme, “die schulmedizi- man diesem Konzept nur voll und ganz
nischen Halbgötter in Weiß so über den zustimmen. Naturheilkundlich orientier-
grünen Klee loben, während Du den te Ärzte und Heilpraktiker vermögen
Vertretern der Naturheilkunde zumutest, eine segensreiche Tätigkeit auszuüben.
in der Nähe der Augenwischer und Allerdings wird der Begriff “Naturheil-
Scharlatane Platz zu nehmen?” Diesen kunde” durchaus in unterschiedlicher
Gesichtspunkt nehme ich ganz ernst. Füllung verwandt. Ob die Homöopathie
Zwischen Medizin und Paramedizin 19

beispielsweise, die ich kritisch besprach, des ist nicht zu übersehen, dass manche
zur Naturheilkunde gehört, ist strittig. Formen von Okkultismus und Scharlata-
Der Homöopath Dr. Herbert Fritsche nerie unter dem bergenden Schutz der
schrieb (“Die Erhöhung der Schlange”, Heilpraktiker-Lizenz prächtig gedeihen.
S. 82): “Seit es das Schlagwort ”Natur- Meine letzte seelsorgerliche Bemühung
heilkunde” gibt, wird die Homöopathie auf paramedizinischem Gebiet hat mit
gern im Zusammenhang mit der Natur- einer Heilpraktikerin. Durch ihr heil-
heilkunde genannt und gewürdigt. Das kräftiges “Athrum-Wasser” wurde sie
geschieht ohne jede Berechtigung, denn inzwischen weltberühmt.
Homöopathie ist Kunstheilung kat exo- Athrum-Wasser? Eine Badewanne
chen (d.h. reinster Art, MSch).“ reinen Leitungswassers wird von ihr –
Was aber – und vor allem: wer aber! meditierend – mit silbernem Löffel in
– ist gemeint, wenn ich warnend von der linken Hand nach links gerührt. Da-
“Quacksalbern, Geistheilern, Schwär- durch wird dieses Wasser zu einem
mern und Scharlatanen” sprach? Die “ganz besonderem Saft”. Es hilft, sagen
Heilpraktiker? Nein, so will mein Satz die Leute. Sagen sogar Ärzte! Und –
nicht verstanden sein. Ich kenne Heil- dieses Wasser gibt sie sogar kostenlos
praktiker, mit denen ich bis in heftig um- ab. Das von ihr ebenfalls empfohlene
strittene Einzelfragen hinein, in völliger “Entstrahlungsgerät” – in physikalischer
Übereinstimmung bin. Und auch da, wo Hinsicht reiner Unfug! – geht dagegen
dieses Maß an Übereinstimmung nicht für 1140,- DM über den Ladentisch.
vorhanden ist, darf man mir zutrauen, Noch Fragen?
dass ich zwischen einem Glaubensbru- In einer Welt, in der solches nicht nur
der und wirklicher Scharlatanerie zu un- möglich ist, sondern tagtäglich da und
terscheiden weiß. dort geschieht, spreche ich abermals mit
Letztere kann uns prinzipiell aus je- stärkstem Gewissheitsgrad meine Emp-
dem Berufsstand heraus entgegentreten: fehlung aus: Sapere aude! Gebrauche
Als Pfarrer, als Prediger, als Schäfer, als deinen Verstand!
Diplomingenieur, als Landwirt, usw. In- Der Verfasser
20 Manfred Schäller:

Nachwort zur 4. Auflage


atürlich freue ich mich, dass die- geschrieben. Die verbale Bewertungs-

N se meine Kleinschrift in einer


weiteren Auflage erscheint. Der
unmittelbare Anlass dazu liegt einmal in
skala der einzelnen Heilverfahren reicht
von „geeignet“ über „wenig geeignet“
bis „nicht geeignet“.
der noch immer bestehenden Nachfrage. Aber bei Lage der Dinge dürfte es
Diese wiederum dürfte durch das „Pro et kaum in voller Ruhe über den Laden-
Contra“ der in diesem Jahr in der Zeit- tisch gehen, denn nicht alle Verfahren
schrift „IDEA“ erschienenen Leserbrie- sind nachweisbar gut und wirksam.
fe zur „Homöoapathie“ zu suchen sein. Und das können natürlich die jeweiligen
Seither hat sich an der Situation Vertreter nicht so stehen lassen ... Dafür
kaum etwas Wesentliches geändert: Für muss man Verständnis haben.
die „sanfte Medizin“ fehlen noch immer Die Homöopathie, um die es uns hier
„die harten Beweise“. Das ist auch in schwerpunktmäßig geht, wird auf S.
Hinkunft nicht anders zu erwarten. 159ff beschrieben. Die Autoren gelan-
gen zu der Bewertung:
Ich stelle nun hier im Anhang einige „Als allgemeines Behandlungskon-
Informationsquellen zur Sache vor, die zept ist die Homöopathie zur Behand-
ich in jüngster Zeit zu Gesicht bekam. lung von Krankheiten und Störungen
Da wäre zunächst das von der Stiftung nicht geeignet.“
Warentest herausgegebene Buch:
Verlautbarung der DPhG (Deut-
Die Andere Medizin. „Alternati- sche Pharmazeutische Gesellschaft e.V.)
ve“ Heilmethoden für Sie bewertet. vom 31. Oktober 2005. Es heißt darin:
hrsg. Krista Federspiel und Vera Herbst.
Schlussgutachter Prof. Edzard Ernst. 5. „Die Homöopathie wirkt, aber nicht
neu bearbeitete Auflage. ISBN: 3- durch die homöopathische Arznei.“
937880-08-9 Im Zuge weiterer Erörterung der
Der Wert dieses Buches besteht da- Thematik gelangen die Verfasser
rin, dass dem interessierten Leser in al- schließlich zu dem Ergebnis:
phabetischer Folge eine Übersicht über „In Bezug auf die Homöopathie gibt
die derzeit gängigen „alternativen“ Heil- es heute weder aus experimentellen noch
methoden und deren Beurteilung nach aus klinischen Untersuchungen eine wis-
dem derzeitigen Stand der Wissenschaft senschaftliche Basis dafür, die postulier-
geboten wird. Dieser interessante Teil te Wirkungsweise homöopathischer Arz-
beginnt auf S. 58 mit „Akupressur“ und neimittel für plausibel zu halten.“
endet S. 305 mit dem Stichwort Das ist nun ein Gesichtspunkt, der
„Zell-Therapien“ . Ein Register S. 308 ff eine grundsätzliche Öffnung für un-
hilft der raschen Orientierung. ter-schiedlichste Interpretationsmöglich-
Nach meinem Dafürhalten ist das keiten darstellt. Zum einen hätte hier die
Buch in einer wohltuenden Sachlichkeit Placebo-Theorie einen bequemen An-
Zwischen Medizin und Paramedizin 21

haltspunkt. Das ist auch die Sicht einer Stemmler zeigt besonders die Bezie-
Auswertung von 110 veröffentlichten hungen zum Taoismus auf und kommt
homöopathischen Studien, die zu dem folgerichtig zu dem Ergebnis: Eine
Ergebnis führten, dass die beschriebenen ‚christliche Homöopathie’ ist nichts an-
Heilwirkungen nicht über Place- deres als eine Form von Synkretismus.
bo-effekte hinausgingen (Lancet, 2005). (Synkretismus = Religionsvermi-
Aber der eben erwähnte Befund der schung). Auf S. 178 seines Buches
DPhG – ‚Homöopathie wirkt’ - bietet schreibt er zusammenfassend:
auch der konsequent-esoterischen Auf- „Hinwendung zur Homöopathie ist
fassung des oben erwähnten, in hohem immer eine Hinwendung zum heidni-
Maße sachkundigen – und darum äu- schen Taoismus und den Mächten der
ßerst unbequemen! – Herbert Fritsche ei- Finsternis.“
nen Anknüpfungspunkt ... Dies führt Als Seelsorger hat er natürlich einen
nun weiter zu dem Buch von Blick für die Auswirkungen auf das Le-
ben des Gläubigen. Er spricht von Se-
Klaus Stemmler: Homöopathie – gensentzug als Folge dieser synkretisti-
Religion der sanften Macht. Verlag schen Praxis.
7000 / 2. überarb. Aufl., 1996. ISBN Dazu noch ein wichtiger aber auch
3-929344-13-0 betroffen machender Satz Stemmler’s:
Der Verfasser (37) studierte Theolo- „Wer sich von ganzem Herzen von der
gie in New York und Basel und war jah- Homöopathie löst, muss damit rechnen,
relang (leitender ?) Mitarbeiter des Seel- dass die alten Leiden, die durch die ho-
sorgewerkes „Sebulon Zuflucht“, wel- möopathische Behandlung verschwun-
ches sich mit dem Kampf gegen unter- den waren, wieder erneut hervorbre-
schiedlichste Formen der Esoterik be- chen. Hier gilt es, dem Herrn Jesus den-
fasst. noch treu zu bleiben ....“
Er nennt die Homöopathie eine Reli- Ich stimme voll und ganz dem Urteil
gion. Damit ist natürlich nicht zuerst die im letzten Satz des Klappentextes zu:
kleine braune Arzneiflasche mit den ge- „Das Buch bietet eine gute Hilfe zum
wissen Tröpfchen oder Kügelchen zu Widerstand gegen die „homöopathi-
denken, sondern an das hinter dem ho- sche“ Integration in den gegenwärtigen
möopathischen Medikament stehende antichristlichen Zeitgeist.“
Lehrgebäude. Manfred Schäller im Dezember 2005
Bibelbund??
Der Bibelbund ist ein Zusammenschluss bibeltreuer Christen, die sich
in einem eingetragenen gemeinnützigen Verein organisieren. Er
nimmt Stellung zu kritischen Fragen über die Bibel. Sein Anliegen ist
es, die Gläubigen vor Ort in ihren Auseinandersetzungen mit
unbiblischen Entwicklungen in ihrer Umgebung zu helfen und ihr
Vertrauen in die Irrtumslosigkeit der Heiligen Schrift stärken. Deshalb
gründet er auch keine eigenen Gemeinden.
1894 wurde der Bibelbund in einem pommerschen Pfarrhaus gegründet,
um ein Forum für schriftgebundene christliche Lehre zu bilden. Durch den
Bibelbund wollte man sich besser gegen das massive Vordringen der Bi-
belkritik und die zunehmende Liberalisierung der Theologie zur Wehr set-
zen. Bekannte Mitglieder des Bibelbundes waren unter anderen: Fritz
Rienecker, Wilhelm Möller, Erich Sauer, General von Viebahn, Kurt
Koch, Otto Riecker, Hans Bruns, Wilhelm Busch, Heinrich Jochums.
Heute wird die Arbeit des Bibelbundes von Christen aus Kirchen und
Freikirchen, Gemeinschaften und Brüdergemeinden getragen, die durch
das Bekenntnis zur Heiligen Schrift verbunden sind.
Die Mitglieder bekennen sich zu dem Glauben, dass allein die Bibel Alten
und Neuen Testaments nach ihrem Selbstzeugnis bis in den Wortlaut
hinein das durch göttliche Inspiration empfangene, wahre Wort Gottes
und verlässliche Zeugnis von seiner Offenbarung in der Geschichte ist.
Sie halten an der völligen Zuverlässigkeit und sachlichen Richtigkeit aller
biblischen Aussagen - auch in geschichtlicher und naturkundlicher Hin-
sicht - sowie ihrer uneingeschränkten Geltung in ihrem heilsgeschichtli-
chen Zusammenhang fest. Sie ist in allem, was sie sagt, uneinge-
schränkte göttliche Autorität und Norm für Lehre und Leben.
In die Öffentlichkeit tritt der Bibelbund durch Vorträge und Tagungen, vor
allem aber durch seine Zeitschrift »Bibel und Gemeinde«, die seit fast
100 Jahren erscheint. Dazu kommt der Vierteljahresbrief »Biblisch
Glauben, Denken, Leben«, der noch in der DDR als Mitarbeiterhilfe ent-
stand und kostenfrei weitergegeben werden kann.
Besuchen sie uns im Internet:

www.bibelbund.de
Wir empfehlen Ihnen außerdem unsere beiden
Zeitschriften, die auch auf elektronisch
erhältlich sind:

Bibel und Gemeinde


Die 80seitige Schrift erscheint viermal im Jahr und enthält wichtige
Artikel zur Bibelfrage, zur Kritik der Bibelkritik, zu Fragen der
Schöpfungsforschung, der biblischen Archäologie, außerdem Bi-
belarbeiten, Stellungnahmen zu aktuellen Themen, Sekten und Irr-
lehren, Buchbesprechungen.

Biblisch Glauben,
Denken, Leben
Der Informationsbrief des Bibelbundes, der ursprünglich in der
ehemaligen DDR entstand, wird kostenfrei weitergegeben. In
der achtseitigen Loseblattsammlung wird das Anliegen des Bi-
belbundes wie oben vertreten, jedoch mit fasslicheren Artikeln.
Der Infobrief eignet sich von daher gut zur Weitergabe an Glau-
bensgeschwister und zur Werbung für den Bibelbund.

Probeexemplare und Bestellungen:


Bibelbund e.V. Geschäftsstelle, Postfach 470268, 12311 Berlin
Email: Kontakt@Bibelbund.de
Telefon: (030) 4403 92-53 Telefax: (030) 4403 92-54
Unter Paramedizin versteht man ein ganzes Spektrum
von Verfahren , von denen behauptet wird, dass sie sich
zur Erkennung und Behandlung von Krankheiten eignen,
ohne dass dies bisher wissenschaftlich belegt wäre. Sie
baut gewöhnlich auf spekulativen, unbelegten Vorstel-
lungen auf und bedient sich esoterisch-magischer Theo-
rien.

Paramedizin darf nicht mit Naturheilverfahren wie z.B.


Kneipp-Kuren, Massagen, Bäder, Gymnastik, Diäten,
Kräuterkuren verwechselt werden, denn diese gründen
sich auf natürliche und nachprüfbare Wirkungen der Mit-
tel und Methoden, und haben insbesondere für die Ge-
sundheitspflege ihren Wert.

Mit spitzer Feder spießt Manfred Schäller in zwei Aufsät-


zen die Ungereimtheiten paramedizinischer Vorstellun-
gen auf und setzt sich auch mit christlichen
Homöopathen auseinander. Er ermahnt die Gläubigen,
alles zu prüfen, aber nicht alles zu glauben und den Ver-
stand dabei nicht auszuschalten.

Preisgruppe 6

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