Ich bin auf eine frühchristliche Meditationsform gestoßen, auf die ich euch
gerne einmal hinweisen möchte.
Der Sache nach ist das Ruhegebet diejenige Gebetsform, aus der später das
Herzensgebet entstanden ist. Das Herzensgebet, auch Jesusgebet genannt, ist
ein besonders in der Orthodoxen Kirche weit verbreitetes Gebet, bei dem
ununterbrochen der Name Jesu Christi angerufen wird. Damit soll der
Aufforderung „Betet ohne Unterlass!“ (1 Thess 5,17) des Apostels Paulus
genüge getan werden. Im Hesychasmus (byzantinische und slawische
Spiritualität im 12. bis zum 16. Jahrhundert.) und anderen
Meditationsformen der Ostkirchen nimmt dieses Gebet eine zentrale
Stellung ein, ebenso in der Spiritualität der Kartäuser (Katholischer Orden).
Verrichtet wird das Jesusgebet üblicherweise an einer Gebetskette.
Die Praxis des Jesusgebetes kann auf der Grundlinie geschehen, die schon
die Kirchenväter vorgegeben haben: Dabei geht es darum, sich zu bemühen,
"rein und ununterbrochen betend den Atem durch die Nase ins Herzinnere
einzuführen" und sich dabei einzig auf die Worte des Gebetes zu
konzentrieren, sie zu meditieren und im Denken zu umkreisen.
Traditionell erfolgt die Einübung in drei Schritten, die bei den meisten
Menschen jeweils mehrere Jahre dauern werden:
Im ersten Schritt wird der Gebetstext sehr häufig laut gesprochen oder
zumindest mit den Lippen geformt. Das Gebet wird dabei zunächst
dreitausendmal am Tag gesprochen, an einem Rosenkranz abgezählt oder
noch besser, da kein störendes Klickern entsteht, an einer Knotenschnur,
dann sechstausendmal, dann zwölftausendmal und schließlich sooft wie
möglich. Dieses bewusste häufige Sprechen des Gebetes in der ersten Phase
dient der Verinnerlichung. Man kann auch mit einer kleineren Zahl
beginnen, sollte anfänglich auch nicht zu schnell steigern, da sich sonst beim
Übenden leicht extremer Überdruss und geistliche Leere einstellen kann und
die Übung dann abgebrochen wird; so haben schon einige Leute ihren
ganzen Glauben verloren. Man muss auch darauf achten, andere Aspekte
des Lebens, wie etwa Arbeit und tätige Nächstenliebe, nicht wegen der
Übungen zu vernachlässigen.
Inneres Beten
Im zweiten Schritt wird das Gebet zum inneren Gebet. Nun kann bewusst
auf die Atmung beim Gebet geachtet werden, also beim Einatmen etwa
"Herr Jesus Christus" und beim Ausatmen "erbarme dich meiner" gebetet
werden. Danach kann der Rhythmus des Herzschlags in das Beten
einbezogen werden. Beim ersten Herzschlag wird "Herr", beim zweiten
"Jesus", beim dritten "Christus" usw. gebetet. Die Koordination mit Atmung
und Herzschlag sollte behutsam und am besten unter Anleitung (und
Segnung) eines erfahrenen geistlichen Begleiters geschehen.
In der dritten Phase schließlich ist das Gebet so sehr verinnerlicht, dass es
gleichsam automatisch mit jedem Atemzug oder Herzschlag gebetet wird.
Nach langer Übung kommt es aus dem Unterbewusstsein hoch und anfangs
ist man erstaunt, da man sich plötzlich innerlich beten hört, ohne das Gebet
willentlich "angeschaltet" zu haben. Das Jesusgebet hat sich verselbständigt.
Gesundheitliche Aspekte
Das British Medical Journal berichtete von einer Studie der Universität
Pavia, bei der herausgefunden wurde, dass sich die Einübung eines Mantras
positiv auf das Herz-Kreislauf-System ausübt. Durch den gleichbleibenden
Gebetsrhythmus reduziert sich die Atemfrequenz auf etwa sechs Atmungen
in der Minute. Konzentration und innere Ruhe werden gefördert.
Anmerkung zur Meditation
Man kann sich außer auf ein Mantra aber auch auf viele andere Dinge
konzentrieren. So kann man sich in vielfältiger Weise auf die Atmung,
auf das "Dritte Auge" (Punkt zwischen den Augenbrauen), auf die
Körperschwere (beim Autogenen Training), auf das Nabelzentrum, auf
das Herz, auf ein Heiligenbild, auf eine Kerze, auf ein Koan (beim
Zen), auf Gott, Jesus, Buddha, Maria, einen Heiligen oder eine Heilige
und auf viele andere Dinge konzentrieren. Das entscheidende dabei ist,
dass man sich "einpünktig" auf den Meditationsgegenstand konzentriert
und nicht davon abschweift, dass man gewissermaßen damit
verschmilzt. Dieses hat Auswirkungen auf die Atmung und auf das
Gehirn. Es finden also physiologische Veränderungen im Gehirn statt,
die letzten Endes einen heilenden Einfluss auf unsere Gesundheit haben.
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