Immer wieder finden weltweit Veranstaltungen gionen ohne Dialog zwischen den Religionen.
statt, bei denen Vertreter der verschiedenen Kein Dialog zwischen den Religionen ohne
Weltreligionen (Stammesreligionen, Hinduis- globale ethische Maßstäbe. Kein Überleben
mus, Chinesische Religion, Buddhismus, Juden- unseres Globus ohne ein globales Ethos, ein
tum, Christentum und Islam) miteinander reden. Weltethos“.1
Ihr Ziel ist, die Toleranz aller Religionen voran- Nach Küng´s Vorstellung sollen die ethi-
zutreiben. Man möchte eine weltumspannende schen Grundlagen aller Religionen einen Kata-
religiöse Einheit in versöhnter Verschiedenheit log von Verhaltensregeln hergeben, nach de-
darstellen. Dafür steht der Begriff Pluralitäts- nen sich alle Menschen dieser Welt richten
Synkretismus. Diesem Dialog der Weltreligio- sollen. Die Ausgangslage dieses Projektes ist
nen liegt das esoterische Dogma zugrunde, dass die Annahme, dass der Wesenskern aller Reli-
alle Religionen aus einer Quelle stammen und gionen gleich ist, weil sie die gleiche Wurzel
deshalb auch nur ein gemeinsames Ziel haben. haben. Damit sind auch alle Religionen
Die Frage nach einer allgemeingültigen Wahr- gleichwertig, haben gleiche ethische Maßstäbe
heit stellt sich nicht. Wahrheit ist nicht der Aus- und dieselben Ziele. So müssen schließlich
gangspunkt und auch nicht ein festzulegendes alle Menschen jede Religion als richtig und
Ziel. Die Wahrheit im Dialog zu erfahren bleibt gut anerkennen. Das nennt man dann die Tole-
ein andauerndes Unternehmen nach dem Motto: ranz aller Religionen. Wenn damit aber das
„Der Weg ist das Ziel.“ Recht und die Möglichkeit der Konversion,
das heißt des Religionswechsels, als intolerant
verurteilt und praktisch verhindert wird, be-
„Projekt Weltethos“ kommt das ganze Unternehmen einen intole-
ranten Wesenszug. Küng´s Weltethos ist in der
Genau das ist auch die geistige Grundlage des Tat, wie der Theologe Klaus Berger in der
Projekt „Weltethos“. Es wurde von dem deut- Deutschen Tagespost bemerkt, „strukturell
schen katholischen Theologen Hans Küng initi- autoritär konzipiert. Er spricht da von der ‘ab-
iert und wird derzeit vom Weltparlament der soluten Autorität‘, mit der die ‚Leiter und Leh-
Religionen in Verbund mit den Vereinten Na- rer‘ der Religionen im Bedarfsfall ‚mit allen
tionen vorangetrieben. Der Grundgedanke die- Mitteln’ auf Menschen einwirken sollen“.2 Das
ses politisch-religiösen Projektes ist: „Kein aber ist Zwang. Diese Idee einer dachorgani-
Weltfriede ohne Religionsfriede. Deshalb: Kein sierten Uniformierung geht vom Weltparla-
Frieden unter den Nationen ohne Frieden unter
1
den Religionen. Kein Frieden unter den Reli- Hans Küng, Spurensuche (München: Piper, 1999), S. 267.
2
Diakrisis, Nr. 3, 1996: 164.
ment der Religionen aus, das die Freiheit ein- 1. Kenne ich die andere Religion?
zelner stark einschränkt. Politisch gesehen kann Bevor ich die Glaubenspraxis einer anderen
aber Frieden nur dort wachsen, wo echte Frei- Religion verstehen und nachvollziehen kann,
heit gewährt wird. muss ich mich zunächst gedanklich, zum Bei-
Es kann trotz Kulturaustausch keine Ein- spiel durch Literatur, mit den lehrmäßigen
heitskultur geben, die Frieden unter den Men- Grundlagen dieser Religion auseinander set-
schen schafft. So wird es auch trotz Religions- zen.
dialog, kein Weltethos und damit auch keine
wirkliche Toleranz aller Religion geben, die zu
2. Kenne ich meine Bibel?
einem friedlichen Miteinander der Menschen
führt. So wertvoll auch alle politischen Bestre- Um in einen Dialog, das heißt. ein Wechselge-
bungen nach Frieden sind, ein Dialog der Reli- spräch, mit einem Menschen einer anderen
gionen, der wirklich zum Frieden führen könnte, Religion einzutreten, ist es notwendig, das
muss immer von der Basis ausgehen. Dort wo Wesen und den Charakter der Religion, die ich
Menschen als Nachbarn zusammenleben, kann im Gespräch vertrete, genau zu kennen. Dabei
und sollte sich jeder Mensch selber entscheiden ist mir schon jetzt gedanklich klar: beim
können, welche Religion er annehmen und le- christlichen Glauben handelt es sich eigentlich
ben will. Das beinhaltet nachdrücklich auch das nicht um eine der großen Weltreligionen, son-
Recht zum Religionswechsel. dern um den persönlichen Glauben an Jesus
Dass sich an diesem Projekt „Welt-ethos“ Christus, den Schöpfer, Erlöser und Herrn die-
auch christliche Kirchen beteiligen, ist die prakti- ser Welt, der mir in der biblischen Offenba-
sche Auswirkung der Esoterikwelle in Theologie rung entgegen tritt. Ich muss also exakt wis-
und Kirche, die zu gravierenden theologischen sen, was ich als Christ glaube. Bibelkenntnis
Umdeutungen des biblischen Glaubens geführt ist hier gefragt. Neben diesem Grundwissen
haben.3 So verwundert auch nicht, dass Hans rede ich als Christ als persönlich betroffener
Küng in seinen theologischen Grundeinsichten und engagierter „Vertreter meiner Religion“,
die Heilsfrage nicht als identisch mit der Wahr- denn der Glaube ist immer auch an eine sub-
heitsfrage ansieht, Gott als innerweltliches Prin- jektive Erfahrung gebunden. Gerade die per-
zip versteht, die Trinitätslehre als spekulativ be- sönliche Überzeugung ist das Kennzeichen,
zeichnet ablehnt und die reale Auferstehung Jesu das mich erst zu einem „religiösen“ Menschen
in ein geistiges Erlebnis der ersten Christen um- und damit zu einem qualifizierten „Vertreter
deutet.4 meiner Religion“ macht.