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Arnold Schönbergs Serenade op.

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Betrachtet man Arnold Schönbergs Schaffen zur Zeit der freien Atonalität (ab 1909), so fällt
auf, dass zwar immer wieder Werke mit vertrauten Gattungstiteln geplant waren,
beispielsweise eine Sinfonie (1914/15) oder eine Passacaglia (1920), viele der letztendlich
vollendeten Werke aber abstraktere Titel tragen, etwa Fünf Orchesterstücke oder Sechs kleine
Klavierstücke und somit weder auf eine Gattung noch auf eine vertraute Form verweisen.
Eine gewichtige Ausnahme bildet Pierrot lunaire op. 21, wo einzelne Stücke mit Titeln wie
Serenade, Valse oder Passacaglia überschrieben sind. Meist ist der Rückbezug auf
traditionelle Muster aber so ironisch gebrochen, dass sich beim Hören nur punktuell ein
Gefühl von Vertrautheit einstellt. Anfangs der Zwanzigerjahre verändert sich die Situation
spürbar. Schon die Fünf Klavierstücke op. 23 sind nicht mehr so gattungsneutral wie der Titel
zunächst scheinen mag – zunehmend werden wieder traditionelle Formmuster erkennbar; das
letzte Stück ist gar mit Walzer betitelt und folgt hörbar dem historischen Modell. Die hier
noch vereinzelten Formtypen weisen in den folgenden Opera mehr und mehr über sich hinaus
und vernetzen sich schliesslich zu Gattungen: In relativ kurzer Zeit entstehen die zwei Suiten
op. 25 und op. 29, das Bläserquintett op. 26 und die Serenade op. 24.

Die Entstehung der Serenade ist spürbar mit Pierrot lunaire verknüpft. 1921 wurde Pierrot
mehrfach gespielt und Schönberg hatte schon 1920 auf einem Skizzenblatt ein neues Werk
mit gewissen Rückbeziehungen unter anderem zum Pierrot skizziert. Die Besetzungen der
zwei Werke sind durchaus vergleichbar, wobei in der Serenade Mandoline und Gitarre das
fehlende Klavier ersetzen. Die Instrumentation wurde in beiden Werken sehr differenziert und
beziehungsreich gewählt. Klanglich erinnert die Serenade an die Nachtmusik aus Gustav
Mahlers Siebter Sinfonie und an Wiener Schrammelmusik.

Als dichtes Konglomerat unterhaltender, volkstümlich tänzerischer und musiktraditioneller


Rückbezüge ordnet sich das Werk nahtlos ein in die klassizistischen Tendenzen der
Zwanzigerjahre. Ein Blick auf die siebensätzige, fast zentralsymmetrisch angelegte Form
bestätigt dies. Der erste (Marsch) und letzte Satz (Finale) sind thematisch verwandt, weiter
stehen sich ein Menuett und eine Tanzszene gegenüber, dann ein Variationensatz und ein Lied
ohne Worte. Im Zentrum steht – auf den ersten Blick untypisch für die Gattung – ein durch
eine tiefe Männerstimme gesungenes Sonett von Petrarca. Nicht nur Petrarcas
«Transformation aller Wirklichkeitselemente ins Artifizielle», seine «Indirektheit» und
«Chiffrierung» (Neumann) scheint mit Schönbergs klassizistischer Verfahrensweisen
innerlich verwandt. Durch Einbeziehung der Singstimme und Rückbezug auf Petrarcas
Sammlung Canzoniere führt Schönberg darüber hinaus die Gattung Serenade an ihre
vorklassischen Ursprünge zurück: zum Abendständchen – was wiederum die Verwendung
von Mandoline und Gitarre als charakteristisches Kolorit erklären würde, man denke nur an
die Canzonetta Deh vieni alla finestra aus Mozarts Don Giovanni!

Damit haben wir das Werk historisch verortet und Schönbergs eigenem Anspruch, ein
«natürlicher Fortsetzer richtig verstandener, guter, alter Tradition» zu sein, Rechnung
getragen. Beim Hören sind diese Bezüge aber eher sekundär – vielmehr öffnet sich da ein
weiter Raum innermusikalischer Beziehungen. Die Serenade ist ein Schlüsselwerk in
Schönbergs Schaffen, denn mit ihr überwindet er endgültig die krisenanfällige freie Atonalität
und findet dank der Methode der Zwölftontechnik zu einer neuen Leichtigkeit in der Themen-
und Formbildung.

Auch wenn es auf den ersten Blick nahe liegend scheint, war die Idee, alle Ereignisse eines
Stücks, also Melodie und Begleitung, Motive und Akkorde aus einer einheitlichen Tonreihe
abzuleiten, nicht von Anfang an darauf festgelegt, dass diese Reihe alle zwölf Halbtöne je
einmal enthalten muss. Bereits im Pierrot lunaire findet man solche Verfahrensweisen, dort
mit drei Tönen, später experimentierte Schönberg mit Sechstongruppen und schliesslich im
Variationensatz der Serenade mit einer Vierzehntonreihe. Grundlegend für die Entwicklung
der Zwölftontechnik war also weniger die Gleichberechtigung aller zwölf Töne, sondern
vielmehr die Möglichkeit, aus einem Urkern durch Variation alle musikalischen Gestalten
abzuleiten, womit die thematische Arbeit den Satz bis in seine innerste Struktur durchdringt.

Das Prinzip der Variation bleibt nicht im Strukturellen gefangen, sondern kommt immer
wieder an die Oberfläche, etwa im Marsch, dessen motivische Entwicklungen relativ leicht zu
verfolgen sind. Gerade der eigentliche Variationensatz zeigt aber auch die in der
Zwölftontechnik oft paradoxe Dichotomie zwischen strukturellem und thematischem Denken.
Die eingängige Klarinettenmelodie repräsentiert nicht nur das Variationenthema, sondern
auch gleich die Reihe. Davon ausgehend entwickeln sich quasi zwei parallele
Variationszyklen, eine Verarbeitung des thematischen Materials an der Oberfläche und eine
wuchernde reihentechnische Durchdringung des Satzes in der Tiefenstruktur. Beides entzieht
sich dem Hörer weitgehend. Zwar gliedert sich der Satz auf dem Papier in fünf Variationen
und eine Coda, durch die stark differierende Länge der einzelnen Teile und die zahlreichen
Tempo- und Charakterwechsel innerhalb eines Teils wird das aber kaum hörbar. Zudem wird
bereits in der ersten Variation das Thema so zersetzt, dass es ins unhörbar Strukturelle
absinkt. Andererseits eröffnen sich bei genauem Hinhören plötzlich anfänglich noch
unbewusste strukturelle Bezüge. Das Tonmaterial des Themas läuft beispielsweise ab der
Mitte (T. 6) wieder rückwärts (BILD1). Solche für die Zwölftontechnik typischen
Spiegelungen werden im Stück insbesondere in Form der Umkehrung so konsequent
durchgeführt, dass sie früher oder später auffallen. Beim Hören erlebt man eine verwirrende
Gegenläufigkeit: Das anfänglich Thematische geht auf in die Struktur während das
strukturelle Gerüst schlussendlich zur gestalthaften Oberfläche emporwächst.

Im Sonett von Petrarca, arbeitet Schönberg zwölftönig. Traditionell sind italienische Sonette
als Endecasillabo, also Elfsilber, gestaltet. Schönberg baut die Singstimme aus mehrmaligen
untransponierten Reihendurchläufen. Da er auf Melismen verzichtet und so jedem Ton eine
Silbe zuordnet, bleibt nach elf Silben, also am Ende eines Verses, jeweils ein Reihenton übrig:
Reihenlänge (12) und Verslänge (11) sind also inkongruent. Deshalb verschieben sich die
Versanfänge gegenüber der Zwölftonreihe schrittweise nach hinten, also 1-12-11-10 und so
fort. Als Hilfsmittel beim Komponieren hat sich Schönberg dafür eine Art Rechenschieber
(BILD2) gebastelt.
Noch verschärfter als beim Variationensatz liesse sich hier fragen, inwiefern für den Hörer
überhaupt solche subkutanen thematischen Vernetzungen nachvollziehbar werden. Die
Serenade, einerseits geprägt von einer neu gewonnenen Leichtigkeit des Ausdrucks und
spielerischen Beherrschung der Form, enthüllt andererseits auch ein grundlegendes Problem
der modernen Musik: Komponier- und Hörweise sind nicht mehr in eine Identität zu bringen.
Konsequenterweise lehnte Schönberg Reihenanalysen seiner Werke ab und meinte, man solle
sich nicht damit beschäftigen, wie es gemacht ist, sondern «was es ist».

Was aber ist denn die Serenade? Zunächst einmal ein Stück voller klanglicher Poesie,
übersprühendem Ideenreichtum und tänzerischem Schwung. Das Stück hat rhythmisch etwas
sehr Körperliches, Gestisches und zeigt immer wieder Humor in bestem Sinn – reflexartig
möchte man hinzufügen «…obwohl es zwölftönig ist». Doch gerade dieser vermeintliche
Gegensatz wird bereits in Schönbergs erstem Zwölftonwerk virtuos aufgelöst: Die Methode
ist nur der Nährboden, auf dem kreative und sinnliche musikalische Gedanken wachsen
können, deren Aufblühen die Interpretation und Rezeption dieses Werks jedes Mal wieder
zum geist- und genussreichen Erlebnis machen.

Michel Roth
© 2006

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