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Ein Gentleman
im Brauhaus
Edler Zwirn, feine Slipper, markante
Knöpfe und rauher Charme: Das sind die
Markenzeichen von Peter Christoph. Denn
der Gastronom im Düsseldorfer Lokal
„Himmel & Ähd“ achtet nicht nur beim
Essen auf Details. Eine kleine Stilkunde.
Von Katharina Pfannkuch
S
chon von weitem ist auf der Düs-
seldorfer Nordstraße die leuch-
tend rote Markise des „Himmel
& Ähd“ zu sehen. Neben dem na-
mensgebenden Traditionsgericht aus
Kartoffelpüree, gebratener Blutwurst
und Apfelmus stehen hier vor allem bo-
denständige Gerichte und natürlich Alt-
bier auf der Karte. Das in schlichtem
Schwarz gekleidete Personal bahnt sich
den Weg durch das zu jeder Tageszeit
volle Lokal und tauscht mit schnellen
Handgriffen leere Gläser gegen frischge-
zapftes Alt aus. Wenn Spiele von Fortu-
na Düsseldorf im Fernsehen übertragen
werden, herrscht im vorderen Teil dich-
tes Gedränge. Herbes Fußballkneipen-
Flair und Fans in Jogginghose und Ach-
sel-Shirt sucht man hier dennoch verge-
bens. Dafür sorgt ein Mann, der mit wa-
chem und manchmal auch strengem
Blick, aber immer im bis ins kleinste De-
tail durchdachten Outfit über das Lokal
wacht: Peter Christoph.
„Manche halten mich für arrogant, an-
dere für bekloppt“, sagt er, um die Reak-
tionen auf seinen Kleidungsstil zu be-
schreiben. Der entspricht dank perfekt
sitzender Dreiteiler, des nie fehlenden
Einstecktuchs, Hemden mit Haifischkra-
gen und polierter Lederschuhe eher dem
Dresscode eines Sterne-Restaurants als
dem eines rheinländischen Brauhauses.
Auch heute prüft Christoph im Sakko
mit dezenten blauen Streifen über einem
strahlend weißen Hemd und mit farblich
auf die blau-rot gemusterte Krawatte ab-
gestimmtem Tuch in der Brusttasche die
Bestellungen am Tresen, begrüßt Stamm-
gäste und rückt zwischendurch mit geüb-
tem Griff die blauen Manschettenknöpfe
zurecht.
Details sind ihm wichtig: „Wenn in
meiner Jacke Blau auftaucht, muss auch
der Rest dazu passen. Mit einem schwar-
zen Gürtel oder einer Uhr mit schwar-
zem Zifferblatt zu blauen Streifen auf
dem Anzug könnte ich nicht das Haus
verlassen. In dieser Hinsicht bin ich
schon etwas extrem“, gibt Christoph zu.
Seine Umgebung nimmt solche Details
auf den ersten Blick meist gar nicht
wahr. Für ihn ist das Nebensache: „Ich
tue das für mich selbst, damit ich mich
wohlfühle.“ Erst dann sei das sichere Auf-
treten möglich, mit dem er seit fast 14
Jahren das „Himmel & Ähd“ leitet.
Dass er inmitten der eher leger geklei-
deten Gäste auffällt, ist ihm natürlich be-
wusst. Vor allem im Sommer, wenn die
Herren am liebsten in kurzärmligen
Hemden, Polo- und T-Shirts auftauchen
und er selbst trotz hoher Temperaturen
nicht auf Sakko und geschlossene Schu-
he verzichten mag. Dann ersetzt er
höchstens die Krawatte durch ein leich-
tes Tuch. „Ich trage immer irgendeine Ja-
cke. Wenn ich mich an einen Tisch set-
ze, kann ich sie ja immer noch auszie-
hen“, erklärt er ganz pragmatisch. Den
Anblick von Männern in Hemden mit
kurzen Ärmeln verschmerze er zwar, tra-
gen würde er selbst sie aber nie, fügt er
entschieden hinzu.
Für seine eigene Garderobe gelten Re-
geln, die er auch im Urlaub und an frei-
en Tagen nicht bricht: Ohne Gürtel,
Manschettenknöpfe und Einstecktuch
geht er nicht aus dem Haus, Marken-Lo-
gos sieht man an ihm ebenso wenig wie
laute Knallfarben: „Ich will ja nicht wie
ein Papagei aussehen. In drei Monaten
werde ich 70, da muss man ein bisschen
aufpassen, dass man es nicht übertreibt
mit Mustern und Farben. Ich versuche,
auf zurückhaltende Weise aufzufallen.“
Diese Prämisse ist durchaus Ansichts-
sache. Das wird spätestens klar, als er sei-
nen – natürlich zum Rest des heutigen
Outfits passend in Blau gehaltenen –
Gürtel zeigt. Den ziert eine große silber-
ne Schnalle mit dem Peace-Zeichen. So
geht also Zurückhaltung à la Peter Chris-
toph. „Den Gürtel sieht ja kaum jemand
unter der Jacke“, sagt er und lacht. Min-
destens so wichtig wie die richtigen Ac-
cessoires ist ihm der Schnitt von Hosen.
Die müssen schmal geschnitten sein.
Nicht ganz so extrem wie bei Hedi Slima-
ne, sondern auf seine bewährte zurück-
haltende Weise: „Die meisten Männer in
meinem Alter tragen ja eher weite, bolle-
rige Hosen, aber das ist nichts für mich.“
Dass sein runder Geburtstag näher-
rückt, sieht und merkt man Peter Chris-
toph nicht an. Dabei hat er ein bewegtes
Leben und eine lange Karriere in der
Gastronomie hinter sich. Deren Statio-
nen dürften sein Stilgefühl entscheidend
geprägt haben: Nach einer Lehre zum
Hotelkaufmann ging er mit 17 Jahren
von Ostwestfalen nach St. Moritz und ar-
beitete in einem Kurhaus, zu dessen Gäs-
ten auch Gunter Sachs und Aristoteles
Onassis gehörten. Danach zog es ihn für
einige Jahre als Steward auf See, bevor er
unter anderem im Berliner Hilton Stati-
on machte. An all diese feinen Adressen
begleitete ihn die Liebe zur Mode: „Das
war schon immer mein Tick.“
Da traf es sich gut, dass seine erste Ehe-
frau beim finnischen Kult-Label Mari-
mekko arbeitete und seine Begeisterung
für Mode teilte. „Wir fuhren mit dem
Auto Hunderte Kilometer bis nach Ham-
burg-Pöseldorf, um dort bei Jil Sander
einzukaufen“, erinnert er sich mit verson-
nenem Lächeln an die Zeit, als die Ent-
würfe der heute als Designer-Ikone gel-
tenden Hamburgerin noch ausschließlich
in deren eigener kleiner Boutique zu er-
gattern waren. Gute Kleidung war seine
große Leidenschaft: „Einmal gewann ich
beim Fußball-Toto 3000 Mark. Die habe
ich natürlich umgehend in einer Düssel-
dorfer Boutique ausgegeben.“
Aus der Begeisterung einen Beruf zu
machen, lag nahe. In den späten siebzi-
ger Jahren plante Christoph, mittlerwei-
le Inhaber von vier eigenen Lokalen in
seiner ostwestfälischen Heimat, schon
den Ausstieg aus der Gastronomie und ei-
gene Modeboutiquen, als ein privater
Unglücksfall diese Pläne jäh durchkreuz-
te. Als viel zu junger Witwer und Vater
zweier Kinder ging er nach Düsseldorf
und machte sich dort als Geschäftsführer
gehobener Restaurants einen Namen.
Und dann stand eines Tages der Gastro-
nom Ulrich Weise, sein heutiger Chef,
vor ihm und bot ihm an, ein neues Brau-
haus zu leiten: das „Himmel & Ähd“.
F R A N K F U R T E R A L L G E M E I N E S O N N TA G S Z E I T U N G , 2 5 . M Ä R Z 2 0 1 8 , N R .
Zunächst habe er diese Idee seltsam
gefunden, erzählt Christoph. Doch das
Angebot war einfach zu verlockend und
herausfordernd. Also nahm er an. Auch
als Brauhaus-Chef trat er von Anfang
an in feinem Zwirn und mit strenger
Miene auf. „Es schafft eine gewisse
Distanz, aber vor allem Respekt. Das
war gerade in der ersten Zeit wichtig,
denn so konnten wir ein Stammpub-
likum aufbauen, das für ein Brauhaus
ungewöhnlich gemischt und jung ist.“
Ungewöhnlich ist auch sein ganz eige-
ner Stil eines Gentlemans der alten
Schule, der weibliche Gäste auch schon
mal mit formvollendetem Handkuss be-
grüßt, nur einen Moment später eine zu
laute Männerrunde zur Räson ruft und
dann schulterklopfend mit dem Nach-
bartisch scherzt.
Dass sein akkurates Erscheinungsbild
seiner bisweilen sehr direkten Art noch
mehr Nachhall verleiht, weiß er. „Wenn
mich etwas stört, muss ich es einfach aus-
sprechen. Wahrscheinlich hatte ich des-
halb noch keinen Herzinfarkt“, sagt
Christoph lachend. Manchmal sei seine
Ehrlichkeit jedoch auch ungewollt verlet-
zend. „Das tut mir dann aber auch leid“,
sagt er. Das bestätigt einer der Kellner,
Köbes heißen sie hier, der gerade den
Tisch abräumt: „Dann setzt er einen
Hundeblick auf und bittet um Entschul-
digung.“ Bei den Stammgästen jedenfalls
kommt der stets elegant gekleidete Ge-
schäftsführer gut an. Auch, weil er sich
für nichts zu fein ist.
Als er sich im vergangenen Jahr an
der Schulter verletzte, schmiss er den La-
den wochenlang mit sorgsam über dem
Von wegen betont
sportlich, künstlich
jugendlich: „Ich
finde, man sollte in
Würde altern.“
Foto Stefan Finger
Sakko drapierter Armschiene. Fällt kurz
vor der Übertragung eines Fußballspiels
der Fernseher aus, klettert Christoph
über Tische und Stühle, um das Gerät
wieder in Gang zu bringen – im Dreitei-
ler und auf königsblauen Samtslippern.
Darauf angesprochen, lacht er geschmei-
chelt auf. „Gute Schuhe sind ja auch
wichtig! Ich trage nur Ledersohlen.
Wenn ich ein wirklich gutes Paar finde,
kaufe ich auch gleich mehrere davon.
Und an langen Tagen, zum Beispiel wäh-
rend der Karnevalssaison, wechsele ich
zwischendurch die Schuhe, manchmal
auch das Hemd.“
Weite Wege muss er dafür nicht zu-
rücklegen. Mit seiner heutigen Frau
wohnt er im selben Haus, in dem sich
das Lokal befindet. Ihr Kleiderschrank
sei um einiges kleiner als sein eigener,
gesteht Christoph. Aber irgendwo müs-
sen die gut 40 Anzüge, 50 Paar Schuhe
und die unzähligen Krawatten, Einsteck-
tücher und Manschettenknöpfe ja hin.
An seinem großen Fundus lässt er auch
andere teilhaben, leiht Freunden etwa
Krawatten und spendet regelmäßig aus-
sortierte Stücke. Dass er Gästen oft
über den Weg läuft, ist nur einer der
Gründe dafür, dass er seine eigenen vier
Wände niemals in einer Jogginghose ver-
lassen würde. Besitzt er so etwas über-
haupt? „Ja, aber die trage ich höchstens
zum Frühstück.“
Sich mit betont sportlicher Kleidung
jugendlich geben zu wollen und damit
unbeabsichtigt das genaue Gegenteil zu
bewirken, diesen Fehler macht er nicht.
„Ich finde, man sollte in Würde altern.
Es gibt doch nichts Schlimmeres als
Männer mit gelifteten Gesichtern und
gefärbten Haaren.“ Auch kurze Hosen
sind Christophs Sache nicht. Es sei
denn, er sonnt sich am Strand. Den Weg
dorthin legt er aber selbstverständlich in
langen Hosen zurück. Die Garderobe sei-
ner Mitmenschen betrachtet Christoph
übrigens ganz entspannt. Jedenfalls, so-
lange sie sich an die wenigen Regeln hal-
ten, die es heute in Sachen Dresscode
überhaupt noch gibt. „Wenn abends im
Hotel-Restaurant jemand in kurzen Ho-
sen auftaucht, lasse ich den Geschäftsfüh-
rer holen. Und ich glaube, so manch an-
derer Gast ist auch froh, dass sich je-
mand traut, da etwas zu sagen.“
In wenigen Tagen wird sich zeigen, ob
Peter Christoph diese undankbare Aufga-
be wieder übernehmen muss. Dann steht
nämlich sein nächster Urlaub an. Vorher
gibt es noch einiges zu tun, sein wacher
Blick wandert bereits durchs Lokal, dann
macht er sich wieder an die Arbeit – na-
türlich nicht, ohne vorher noch schnell
die Manschettenknöpfe zurechtgerückt
zu haben.