König Arthur in Geoffrey von Monmouths Historia regum Britanniae (15. Jh.)
Artus ist eine wichtige Figur in der Mythologie Britanniens (Matière de Bretagne). In seiner
inspirierenden Wirkung auf die Literatur ist er vergleichbar mit Richard Löwenherz und Robin
Hood. Artus wird aber auch mit anderen Mythenkreisen wie den Sagen um Merlin, den Heiligen
Gral und die Wilde Jagd in Verbindung gebracht.
Der historische Kern der Artus-Geschichte dürfte in der Völkerwanderungszeit zu suchen sein, als
sich die römisch-britische Restbevölkerung nach dem Abzug der römischen Legionen gegen
rebellische Angelsachsen zur Wehr setzen musste. Allerdings ist keine Quelle aus so früher Zeit
bekannt, die einen König Artus belegen würde; bei Gildas im 6. Jahrhundert trägt der Anführer der
Briten vielmehr den römischen Namen Ambrosius Aurelianus. In den frühesten historischen
Quellen, die Artus erwähnen, etwa der Historia Brittonum („Geschichte der Briten“) aus dem
späteren 9. Jahrhundert, taucht er dann als ein britischer Heerführer der Zeit um 500 n. Chr. auf.
Erst aus dem Hochmittelalter sind ausführlichere Darstellungen bekannt. Als älteste überlieferte
Artusgeschichte gilt die Historia Regum Britanniae („Geschichte der Könige Britanniens“) des
Geoffrey of Monmouth (um 1135).[1] In der Folgezeit wurde die Artusgeschichte Gegenstand
zahlreicher französischsprachiger höfischer Versepen und Prosaromane. Diese französisch-
englische Artusepik befruchtete vom 12. bis zum 14. Jahrhundert die volkssprachlichen Literaturen
fast ganz Europas. Zahlreiche Motive traten erst später hinzu, so die berühmte Tafelrunde erstmals
in Wace’ Roman de Brut (Roman über Brutus) um 1190. Viele mittelalterliche Vorstellungen von
ritterlichen Tugenden wurden von dem französischen Dichter Chrétien de Troyes um 1170
eingeführt.
Zur Entstehung und zum allmählichen Anwachsen des Legendenstoffs schrieb der
Sprachwissenschaftler Wolfgang Meid:
„Die Artussage selbst ist ein merkwürdiges Beispiel für das sich ganz im
Untergrund vollziehende Wachsen und Anschwellen einer literarisch nicht
tradierten Überlieferung aus verschwindend geringen Anfängen – der
historisch nicht beglaubigte Arthur soll als dux bellorum in Kriegen der
Briten gegen die Angelsachsen zwölf siegreiche Schlachten geschlagen
haben – zu ins Gigantische gesteigerten Ausmaßen, die als märchenhaftes
Phantasieprodukt in die kontinentaleuropäischen Literaturen gelangt und
dort, gelöst von ihren mythischen keltischen Ursprüngen, ein Eigenleben
entfaltet.“[2]
Die Artussage
Die Sage spielt vor dem Hintergrund realer Ereignisse, die im 5. und 6. Jahrhundert n. Chr.
anzusiedeln sind, passt dieses spätantike Szenario allerdings mittelalterlichem Denken an:
Britanniens Machthaber (in der Sage handelt es sich um Könige) sind untereinander zerstritten, das
Land wird bedroht von Sachsen und Pikten. Die früheren Schutzherren, die Römer, haben sich
zurückgezogen, sie überlassen die Verteidigung der Insel den romanisierten Bewohnern. Deren
„Hochkönig“ ist Ambrosius Aurelianus, sein Berater und Freund der von einer Aura des
Geheimnisvollen umgebene Druide Merlin, dessen Vater ein Geisterwesen ist. Merlin war es auch,
der der Sage nach den Steinkreis in Stonehenge errichtete. Ein himmlisches Zeichen in Gestalt eines
Drachen bedeutet ihm, dass Ambrosius bald sterben und Uther Pendragon (Drachenhaupt) dessen
Nachfolge antreten werde. Merlin verkündet Uther dieses Ereignis und verspricht ihm einen Sohn
mit überragender Macht.
Bei Uthers Krönung lernt dieser Igraine (Igerne) kennen, die Gemahlin des Herzogs von Cornwall,
und verliebt sich in sie. Herzog Gorlois verlässt daraufhin ohne Zustimmung des neuen Königs
mitsamt seiner Gemahlin und seinen Leuten den Hof. Wutentbrannt folgt ihm Uther und fällt mit
seinem Heer in Cornwall ein. Gorlois bringt Igraine nach Tintagel, seiner uneinnehmbaren Burg,
lässt sie dort bewachen und zieht gegen Uther. Der bittet Merlin um seinen Rat. Merlin verwandelt
daraufhin Uther in das äußere Ebenbild des Herzogs von Cornwall. So gelingt es dem König,
unangefochten Tintagel zu betreten und bei Igraine zu liegen, die ihn für ihren Gemahl hält. In
derselben Nacht fällt der Herzog im Kampf und kurz darauf vermählt sich Uther mit Igraine, die
sein Kind erwartet. Nach der Geburt nimmt Merlin den Knaben in seine Obhut und bringt ihn zu
Ector, einem vertrauenswürdigen Ritter, bei dem das Kind, das den Namen Arthur (Artus) erhält,
aufwächst. Die folgenden Jahre der Regierungszeit Uthers sind ausgefüllt mit ständigen Kriegen
gegen Sachsen, Schotten und Iren, und als er stirbt, brechen die alten Feindseligkeiten unter den
britischen Kleinkönigen erneut aus.
Inzwischen schmiedet Merlin ein herrliches Schwert, dessen Klinge er unter Zuhilfenahme seiner
Zauberkräfte in einen gewaltigen Stein hineintreibt. Der Name des Schwertes ist Excalibur, und auf
seinem Griff steht in goldenen Buchstaben geschrieben: „Wer dieses Schwert aus dem Stein zu
ziehen vermag, ist der rechtmäßige König Britanniens.“ Von nah und fern strömen nun alle Edlen
zusammen, um ihre Kraft zu erproben, doch keinem gelingt es. Während eines Turniers, an dem Sir
Ector, sein Sohn Keie und Arthur als dessen Knappe teilnehmen, vermisst Keie sein Schwert und
trägt Arthur auf, es ihm zu holen. Arthur findet es nicht, entdeckt stattdessen das Schwert im Stein,
zieht es ohne Mühe heraus und bringt es seinem Stiefbruder. Als diese Tat bekannt wird, erscheint
Merlin und verkündet Arthurs wahre Abstammung. Daraufhin wird er zum Hochkönig von
Britannien gekrönt. Gegen den Rat Merlins heiratet Arthur Guinevere (Ginevra), die Tochter des
Königs Leodegrance. Guinevere bringt als Hochzeitsgeschenk ihres Vaters einen gewaltigen runden
Tisch, welcher zum Herzstück der neuen Burg Camelot wird, die Arthur sich erbauen lässt.
Aber Ruhe ist dem jungen Paar nicht vergönnt. Arthur sieht sich gezwungen – wie einst Uther – die
ins Land einfallenden Sachsen zu bekämpfen. In vielen blutigen Schlachten bezwingt er sie, wobei
die letzte bei dem Berg Badon den endgültigen Sieg bringt. Arthur darf sich endlich friedlichen
Aufgaben widmen. Er ruft edle Ritter an seinen Hof, veranstaltet glanzvolle Turniere und schart die
besten Männer des ganzen Reiches um sich. Sie versammeln sich regelmäßig um den runden Tisch,
und bald nennt man sie die „Ritter der Tafelrunde“. König Arthurs Ansehen steigt, er übt
Gerechtigkeit gegen jedermann und schickt seine Ritter aus, Unrecht und Willkür zu bekämpfen.
Sie bestehen viele Abenteuer, ihre Namen sind unter anderen: Lancelot, Gawain, Keie, Gaheris,
Balin, Parzival, Bors, Iwein, Erec u. v. a. Tapferkeit und höfisches Benehmen zeichnen sie aus, und
der runde Tisch macht alle ohne Abstufung gleich.
Nach langen Friedensjahren naht das Ende. Ein Abgesandter Roms erscheint und verlangt von
Arthur Tributzahlungen. Der König weigert sich. Er ernennt seinen Neffen Mordred zum Verwalter
des Reiches und Beschützer der Königin und zieht mit seinem Heer gegen Rom. In Gallien erhält er
die Nachricht vom Verrat Mordreds, der die zurückgebliebenen Vasallenkönige gegen Arthur
aufgewiegelt und die Königin gefangen genommen hat. Arthur kehrt zurück. In der Schlacht von
Camlann, in der die besten und berühmtesten seiner Ritter fallen, entscheidet sich auch Arthurs
Schicksal. Es gelingt ihm zwar, Mordred im Zweikampf zu töten, er selbst aber wird schwer
verwundet auf die geheimnisvolle Insel Avalon entrückt. Von dort, so weiß die Sage zu berichten,
kehrt er eines Tages zurück, denn er ist nicht gestorben. In einer anderen Version enthüllt Mordred
dem König den Ehebruch Guineveres mit Lancelot. Die Liebenden fliehen und Arthur sieht sich
gezwungen, Krieg gegen den ehemaligen Freund zu führen.