Das Feature
Zur Wanderung von Intellektuellen aus dem linken ins rechte Lager
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- unkorrigiertes Exemplar -
ERZÄHLERIN
Eine Reise nach Berlin. Eine Reise in die Vergangenheit. Zu den Ursprüngen der Revolte.
SPRECHER
Aber nicht noch ein nostalgischer Blick in die Jahre nach 1968, die Frage, was davon
geblieben ist, wo die großen Irrtümer lagen und wo die kleinen Erfolge. Kein
Gespenstertrip und kein kulturhistorisches Sightseeing.
ERZÄHLERIN
Sondern eine sehr konkrete Frage: Was bringt einige der Protagonisten der damaligen
linken und linksradikalen Revolte dazu, auf einmal auf der rechten und rechtsextremen
Seite zu erscheinen?
SPRECHER
Was bringt Menschen, die einst von internationaler Solidarität, von einer gerechten
Verteilung der Güter und der Überwindung von Ausbeutung, Unterdrückung und
Entfremdung träumten, dazu, nun gegen Migranten und Flüchtlinge zu hetzen,
antifeministisch und homophob zu argumentieren und vor allem statt einem Fortschritt für
die Weltgemeinschaft eine Verteidigung von Nation und Volk zu fordern?
ERZÄHLERIN
Wie ist es zu erklären, dass Menschen, die einst gegen die Vätergeneration revoltierten,
die sich ihrer Vergangenheit im Nationalsozialismus nicht stellen wollten, nun offen in der
Sprache dieser Vätergeneration sprechen, von Überfremdung, Durchrassung und
Volksverrat?
SPRECHER
Und wie ist es zu erklären, dass einige der eher linksliberalen Erben der so genannten
68er, die zwar ihren Fanatismus, ihre Zersplitterung in den K-Gruppen, natürlich den
Umschlag in den Terrorismus der RAF ablehnten, die grundlegenden Forderungen nach
Emanzipation, Gerechtigkeit und Solidarität aber teilten, nun ebenfalls im Umfeld der mehr
oder weniger „neuen Rechten“ auftauchen?
MUSIK
DARÜBER
Renegaten, Konvertiten, Überläufer
Zur Wanderung von Intellektuellen aus dem linken ins rechte Lager
Von Markus Metz & Georg Seeßlen
ATMO Café
SPRECHER
In einem kleinen Café an der Kreuzberger Yorkstraße, ganz in der Nähe seiner Wohnung,
treffen wir einen freundlichen älteren Herrn: Bernd Rabehl, ehemals Bundesvorstand des
Sozialistischen Deutschen Studentenbundes.
ERZÄHLERIN
1961 noch vor dem Mauerbau ging Bernd Rabehl nach West-Berlin.
SPRECHER
Er ging nicht, weil er den Sozialismus grundsätzlich ablehnte, sondern weil er der Meinung
war, dass er in der DDR nicht richtig praktiziert wurde.
ERZÄHLERIN
An der Freien Universität studierte er Soziologie und Philosophie.
O-TON Bernd Rabehl
So setzen wir uns zum ersten Mal mit der subversiven Theorie auseinander. Das war die
Frankfurter Schule, was wir alles nicht kannten, weder Freud noch Marcuse noch
Horkheimer noch Adorno, und lasen die Dialektik der Aufklärung und wir hielten dagegen
Lenins Imperialismustheorie usw. und so fort. Und so entstanden eine Kontroverse und
Spannung, die uns dann in den SDS führte.
DARÜBER ERZÄHLERIN
Gemeinsam mit seinem Freund Rudi Dutschke trat Bernd Rabehl 1965 in den
Sozialistischen Deutschen Studentenbund, den SDS ein.
SPRECHER
Dutschke und Rabehl – der Redner und der Denker – wurden zum Dream Team der APO.
ERZÄHLERIN
Der Berliner Historiker Manuel Seitenbecher ist Autor des Buches „Mahler, Maschke & Co.
Rechtes Denken in der 68er Bewegung?“
MUSIK
DARÜBER SPRECHER
Der Fall Reinhold Oberlercher
MUSIK HOCH
ERZÄHLERIN
Reinhold Oberlercher – hier 2015 bei einem Auftritt vor dem NPD-Unterbezirk Stade –
kam als jugendlicher Flüchtling aus der DDR, studierte in Hamburg Pädagogik und
engagierte sich bald im SDS.
SPRECHER
Hamburgs Rudi Dutschke
ERZÄHLERIN
... schrieb damals der Spiegel.
SPRECHER
Doch anders als das Berliner Vorbild zog Oberlercher sich bald in publizistische und
theoretische Arbeit zurück und gab eine Zeitschrift namens „Theorie und Klasse“ heraus.
Schon seit den 80er Jahren bewegte er sich kontinuierlich von der Linken über die
nationalrevolutionäre zur rechtsextremen Position.
ERZÄHLERIN
Manuel Seitenbecher, Autor von „Mahler, Maschke & Co. Rechtes Denken in der 68er-
Bewegung?“ –
O-TON Manuel Seitenbecher
Bei Oberlercher tritt dann das klassische Muster ein, was man im Rechtsextremismus oder
bei Protesthaltungen relativ schnell findet: Hier ist jemand privat enttäuscht, der selber
nicht vorankommt und der die Schuld anderen zuschreibt. Das ist etwas, was man in
seinen Schriften in den siebziger und achtziger Jahren wiederholt vorfindet. Ab Anfang der
achtziger Jahre findet man erste relativ klare Äußerungen von Reinhold Oberlercher, die
klar gegen vermeintliche Überfremdung abzielen und auch seine eigene Situation der
Arbeitslosigkeit damit in Zusammenhang bringen. Und aus dieser Deprivation der
persönlichen Enttäuschung entwickelte er im Prinzip seine ehemals marxistischen
Theorien weiter und gleitet immer stärker in einen Bereich ab, der eindeutig im
Rechtsextremismus steht.
SPRECHER
Neben Horst Mahler ist Oberlercher wohl einer der offensten Antisemiten unter den
Renegaten. Seine Sprache klingt ganz nach der alten Sprache des Nationalsozialismus,
etwa wenn er 1988 unter dem Titel „Die nationale Frage aus marxistischer Sicht“ schreibt:
ERZÄHLERIN
Das jüdische Volk kann nur überleben, falls es seinen Individuen und Gemeinden gelingt,
sich der Sozialstruktur der jeweiligen Wirtsvölker als nützliche Darmbakterien
unentbehrlich zu machen und nicht vom Abwehrsystem als Krankheitserreger identifiziert
und vernichtet zu werden.
MUSIK
SPRECHER
Der Fall Bernd Rabehl
MUSIK HOCH
ERZÄHLERIN
Bis 1984 arbeitete Rabehl als Dozent am Soziologischen Institut der Freien Universität
Berlin. Vergeblich bemühte er sich um eine unbefristete Professorenstelle.
SPRECHER
So nahm er ein Angebot an, als Gastprofessor nach Brasilien zu gehen, wo gerade die
Militärdiktatur zu Ende war. Nach fünf Jahren kam er zurück – in das wiedervereinigte
Deutschland.
ERZÄHLERIN
Rabehl wurde angestellter FU-Professor – kein Lehrstuhl, aber eine Stelle auf Lebenszeit.
ERZÄHLERIN
Die einstige 68er-Hochburg FU ist zur Massenuniversität geworden, im Vergleich zu den
linken brasilianischen Studenten erscheinen Rabehl die deutschen Hochschüler
unpolitisch.
SPRECHER
Anklang fanden Rabehls Seminare über konservative Denker.
ERZÄHLERIN
1998 hielt Bernd Rabehl bei der Burschenschaft Danubia in München einen Vortrag, in
dem er vor der Zerstörung von Volk und Kultur durch Überfremdung warnte.
SPRECHER
Es ist also nicht primär der deutsche Fremdenhass oder die Angst vor Veränderung und
Umwälzung, die die deutschen Vorbehalte gegen die "Fremden" schüren, sondern deren
Verhalten und Demonstration, die deutsche Gesellschaft für private oder
gruppenspezifische Sonderinteressen jeweils nur zu nutzen, trägt bei zur inneren Spaltung
der Gesellschaft. In Europa bedeutet diese politische Überfremdung die grundlegende
Zerstörung von Volk und Kultur, vor allem dann, wenn die Auflösung der nationalen
Identität bereits so weit fortgeschritten ist durch die kapitalistische Umwertung der Werte
wie in Deutschland. (..) Dieses Problem der Überfremdung und der Auflösung einer
nationalen oder städtischen Kultur soll in Deutschland nicht thematisiert werden. Die
Antifa-Linke steht hier bewusst in einem Bündnis mit bestimmten Medien im In- und
Ausland, die deutsche Kulturintelligenz einzubinden, bestimmte Fragen nicht zu stellen.
Würde dieses Anliegen einer Tabuisierung der "deutschen Frage" im Zusammenhang von
Zuwanderung und "Überfremdung" aufgehen, wären auch die herrschenden Machteliten
handlungsunfähig, die auf die Kritik und die Stimmungen im Lande angewiesen sind.
Ich habe immer gesagt, Deutschland steht vor einer Brasilianisierung und wird innerlich
zerfallen, wenn es nicht kämpft um die kulturelle Einheit oder streitet und es kann nur von
Intellektuellen her kommen.
ERZÄHLERIN
Rabehl trat bei Veranstaltungen der rechtsextremen Kaderpartei NPD auf, schrieb für
Zeitungen und Verlage der Alten und der Neuen Rechten.
MUSIK
SPRECHER
Der Fall Horst Mahler
MUSIK HOCH
ERZÄHLERIN
Als Stipendiat der Studienstiftung des deutschen Volkes studierte Horst Mahler Jura an
der Freien Universität Berlin, wo er Mitglied der „schlagenden“ Studentenverbindung
„Landsmannschaft Thuringia“ war. Um SPD-Mitglied werden zu können, musste Mahler
raus aus der Thuringia. Als er 1961 dem SDS beitrat, wurde Mahler aus der SPD
ausgeschlossen.
SPRECHER
1964 gründete er in Berlin seine Anwaltskanzlei und spezialisierte sich zunächst auf die
Wirtschaft. Er engagierte sich aber auch als Anwalt in der außerparlamentarischen
Opposition. Er verteidigte Fritz Teufel, Rainer Langhans, Rudi Dutschke, Andreas Baader
und Gudrun Ensslin.
ERZÄHLERIN
Mahler vermag alles zu „analysieren“, aber er will raus aus der zweiten Reihe. Er will
selbst handeln.
SPRECHER
1970 war Horst Mahler dabei, als die RAF gegründet und die Befreiung von Andreas
Baader geplant wurde. Danach ließ er sich mit anderen RAF-Mitgliedern in Jordanien für
den bewaffneten Kampf ausbilden.
ERZÄHLERIN
Nach seiner Rückkehr im Oktober 1970 wurde er in Berlin verhaftet und später wegen
Bankraubs und Gefangenenbefreiung zu 14 Jahren Haft verurteilt. Als 1975 die Bewegung
2. Juni den Berliner CDU-Spitzenkandidaten Peter Lorenz entführte, weigerte sich Mahler,
sich freipressen zu lassen.
ERZÄHLERIN
Mahler sagte sich von der RAF los. Nachdem er zwei Drittel der Freiheitsstrafe verbüßt hat,
kommt er 1980 auf Bewährung frei.
SPRECHER
Dass der Philosoph Hegel Mahlers Gesinnungswandel beeinflusste, zeigt dessen
Erinnerung im Dokumentarfilm „Die Anwälte – Eine deutsche Geschichte“ von Birgit
Schulz:
AUSSCHNITT Horst Mahler
Eines der Verdienste von Otto Schily ist, dass er mir die Gesamtausgabe von Hegels
Werken ins Gefängnis gebracht hat. Das war hervorragend, weil das ist ein Erlebnis,
Hegel in dieser Situation zu lesen. Bis Hegel galt der Satz: „Was auf einen Widerspruch
führt, kann nicht wahr sein.“ Und Hegel sagt: „Nein, das ist genau umgekehrt. Das was
nicht auf einen Widerspruch führt, ist unwahr – und der Widerspruch ist das Zeichen der
Wahrheit.“ Aber dann stellt sich heraus, dass man einen Gesichtspunkt gewinnt, den man
für völlig unmöglich gehalten hat anfänglich. Das war aber eine Beunruhigung, die ich im
Lauf der Zeit in der Haft gespürt habe, dass irgendwie eine Perspektive, ein völlig neues
Verhältnis zum Nationalismus, zum Nationalsozialismus auftauchen könne, und habe das
verdrängt.
ERZÄHLERIN
Im Oktober 1998 standen der ehemalige Juso Gerhard Schröder und der ehemalige 68er
Joschka Fischer der ersten rot-grünen Bundesregierung vor. Im gleichen Jahr 1998
veröffentlichte Mahler Artikel in der Jungen Freiheit und vertrat den rechtsextremen
Liedermacher Frank Rennecke als Anwalt. Im gleichen Jahr hielten Rabehl und Mahler
Vorträge bei der Münchner Burschenschaft Danubia.
SPRECHER
Im Jahr 2000 wurde Mahler NPD-Mitglied. Ab 2001 vertrat er die NDP vor dem
Bundesverfassungsgericht im Verbotsverfahren, das die Bundesregierung erfolglos
anstrengte. Danach trat er wieder aus der NPD aus. Um bald darauf selber wegen
antisemitischer und neofaschistischer Äußerungen angeklagt zu werden. Wegen
Volksverhetzung wurde Mahler mehrfach zu Haftstrafen verurteilt.
ERZÄHLERIN
Horst Mahler ist der Sohn eines Zahnarztes und hundertprozentigen Nationalsozialisten,
der sich 1949 angeblich aus Gram über das neue Deutschland namens DDR erschießt,
und er ist Neffe des SA-Führers Reinhard Nixdorf.
SPRECHER
Wenn Bernd Rabehl über seinen eigenen Weg von links nach rechts erzählt und die Wege
von deutlich fanatischeren Renegaten kommentiert, wird deutlich, dass er sich die
Fähigkeit zu Selbstreflektion und Selbstkritik bewahrt hat.
ERZÄHLERIN
Der Historiker Manuel Seitenbecher
SPRECHER
Ich bin rechts, weil es die Linke nicht mehr gibt.
ERZÄHLERIN
Sagte Bernd Rabehl 2011 der Zeit. So recht mag er sich nicht mehr daran erinnern.
ERZÄHLERIN
Mittlerweile hält Bernd Rabehl Abstand zu NPD und Burschenschaften.
SPRECHER
Gemeinsam ist den Renegaten von links nach rechts, dass sie sich vom humanistischen
Internationalismus, von der Ablösung des Nationalstaats, wie es bei Marx zu lesen ist, und
von der Idee kultureller Offenheit verabschieden.
O-TON Bernd Rabehl
Der Internationalismus existierte nicht, das war die Phrase, das war die sowjetische
Außen- und Machtpolitik. Wir waren Internationalisten: Che Guevara, Lumumba, der
Befreiungskampf der Afrikaner oder der Bolivianer oder der Kubaner usw.. Wir versuchten
es mindestens zu sein. Und ich bin ja später diese Länder alle abgereist, in Kuba hat mich
ja sogar Fidel Castro begrüßt und ich habe das Land studiert, bin nach Lateinamerika
gefahren, kenne also die ganzen Länder dort. Und beim Durchfahren plötzlich merkte ich:
Du kommt als Tourist und du hast dir was eingebildet, das war alles Projektion, das warst
immer du selbst.
SPRECHER
Eine Rückkehr zur Deutschheit also, eine Art von politischem Heimweh?
MUSIK
SPRECHER
Manfred Kleine-Hartlage 2013 auf dem Breitscheidplatz in Berlin
AUSSCHNITT HOCH
ERZÄHLERIN
Mittlerweile gibt es noch einen weiteren Zug von linken Intellektuellen nach rechts: Ein
Konvertitentum von Menschen, die für die 68er Bewegung entweder zu jung sind oder
ohnehin noch nie mit ihr verbunden waren.
SPRECHER
Bei vielen Ex-Linken sieht der Weg nach rechts aus wie eine persönliche Befreiung. Als
würden sie einen moralischen, rationalen und biographischen Ballast abwerfen.
ERZÄHLERIN
Exemplarisch dafür das Buch von Manfred Kleine-Hartlage: „Warum ich kein Linker mehr
bin“. Im Klappentext heißt es:
SPRECHER
Vielleicht kann nur jemand, der selbst einmal ein richtiger Linker war, erklären, warum es
eine Erlösung ist, keiner mehr zu sein. Manfred Kleine-Hartlage erklärt, warum er kein
Linker mehr ist und wie es sich anfühlt, zur Wirklichkeit (also: zum rechten Blick auf das,
was wirklich ist) durchgestoßen zu sein: Keine Ideologie mehr, keine Nebelwand, kein
Experiment mehr am lebenden Objekt (dem Menschen), keine Überhebung und keine
Verachtung derer mehr, die noch nicht "überzeugt" sind. Ein autobiographischer,
überzeugender Bericht, der jenen in die Hand gedrückt werden könnte, die sich schon fast
aus ihrer linken Verblendung befreit haben.
ERZÄHLERIN
Warum folgt auf eine Kritik der Linken keine Phase der Besinnung, sondern der rasche
Übertritt ins andere Extrem?
SPRECHER
Warum folgt auf die Lossagung – veröffentlicht im rechtsextremen Antaios Verlag –
sogleich eine rege Vortragstätigkeit im Dienste der Rechten mit einer reichlich militanten
Sprache?
ERZÄHLERIN
Manfred Kleine-Hartlage 2012 bei einer Versammlung von „Pro Deutschland“ in Berlin-
Spandau:
ERZÄHLERIN
Auch Henryk M. Broder war einmal ein dezidierter Linker, wenngleich nicht ohne liberale
Skepsis. Er arbeitete zunächst für die satirische Zeitschrift pardon und das politische
Magazin spontan, danach für die liberalen Blätter der Nation von Zeit bis Spiegel. Broder
war über den Antisemitismus in der deutschen Linken empört. Doch daraus entwickelte er
dann eine islamophobe Ideologie.
SPRECHER
Broder inszeniert sich dabei zugleich als Opfer eines vermeintlichen gutmenschlichen,
linksliberalen, intellektuellen und politisch korrekten Mainstream, wie sein Statement im
Blog „Die Achse des Guten“ zeigt.
AUSSCHNITT H. M Broder
Zum Beispiel zu sagen, dass der Influx von über 1 Million Flüchtlinge aus völlig anderen
Kulturen für das Land, in das sie kommen, nicht von Vorteil ist, dass das destabilisierend
ist, irritierend und verwirrend, dass es zu viele in zu kurzer Zeit sind: Wenn du darauf
hinweist, dass bestimmte Kulturen mit unseren Kulturen und Ansichten nicht kompatibel
sind – dann bist du schon rechts. Selbst mein tief humanitärer, vernünftiger und wie ich
finde sehr praktibabler Vorschlag, dafür zu sorgen, dass den Flüchtlingen geholfen wird,
ihr Leben zu retten, dass sie aber dort angesiedelt werden sollten, wo sie kulturell und
historisch näher dran sind, also in der arabischen Welt – das gilt schon als rechts.
SPRECHER
Oder wenn er 2014 in der Welt schrieb:
ERZÄHLERIN
Wenn sich aber eine nationale Einheitsfront formiert, in der die christlichen Kirchen, der
Zentralrat der Juden, die Gewerkschaften, das Handwerk, die Arbeitgeber und die
üblichen Verdächtigen aus dem Kulturbetrieb Seit an Seit marschieren und alle, die an
dieser Prozession nicht teilnehmen wollen, zu Dumpfbacken, Nationalisten, Rassisten,
Nazis und einer „Schande für Deutschland“ erklärt werden, dann stimmt irgendetwas nicht
mit der gelebten Demokratie in unserem Land. Dann sind wir nicht auf dem Wege in eine
neue DDR, sondern bereits mittendrin.
SPRECHER
Viel Feind, viel Ehr. Diese Vorstellung von einer neuen DDR gehört neben der Auschwitz-
Keule zu den Emblemen der Neuen Rechten.
ERZÄHLERIN
Die Vertreter des neurechten Renegatentums werden nicht müde, sich mit einer „Hier
stehe ich, ich kann nicht anders“-Pose ins Rampenlicht zu stellen.
SPRECHER
Ich lasse mir meine Gedankenfreiheit nicht nehmen, das gehört zu meinem Stolz als
Publizist.
ERZÄHLERIN
Matthias Matussek, ehedem linksliberaler Kritiker, verweigert die Gedankenfreiheit, die er
selbst beansprucht, dem politischen und kulturellen Gegner.
So hält er 2017 auf seiner Facebook-Seite den Kritikern der Pegida-Bewegung entgegen:
SPRECHER
Wer beim rituellen Treten gegen diese Menschen mitmacht, hat die Gesinnung von HJ-
Pöbeln.
ERZÄHLERIN
Zu einer der absurdesten Kontinuitäten in der Entwicklung deutscher Intellektueller von
links nach rechts gehört es, die Charakterisierung des Gegners als Nazi beizubehalten.
SPRECHER
Man kann so weit nach rechts geraten sein wie man will, die Nazis sind immer noch die
anderen.
MUSIK
ERZÄHLERIN
Liberalismus und parlamentarische Demokratie als gemeinsamer Feind ..
SPRECHER
Amerika und Israel als Schreckbilder dieser fremden Bestimmung und neuen
Kolonisation ...
ERZÄHLERIN
Die Notwendigkeit einer grundlegenden, allerdings nationalen Wandlung in Form einer
Revolution, die zugleich Machtwechsel und Kulturwandel bedeutet …
SPRECHER
Das Volk als politisches Subjekt …
ERZÄHLERIN
Es gibt erstaunliche Schnittmengen zwischen der alten neuen Linken und der neuen alten
Rechten.
SPRECHER
Gibt es eine untergründige Geschichte der Gewalt, der Entfremdung, des Entsetzens und
des Wahns?
ERZÄHLERIN
Die Gefängnishaft von Reinhold Oberlercher in der DDR, über die ein Schleier der
Legendenbildung gelegt ist, die Familiengeschichte von Horst Mahler sprechen für eine
solche Deutung. Oder auch die Geschichte von Bernd Rabehl:
SPRECHER
Dann schleicht sich in alle Abscheu gegenüber Hasstiraden, Feindbildern und
Gewaltphantasien auch ein Hauch von Mitleid. Wir werden sie uns nicht als glückliche
Menschen vorstellen, die Konvertiten von links nach rechts.
Absage