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Hans Peter Lührs

Dies ist eine Vorabversion eines Artikels, der voraussichtlich in einem Sammelband im Rahmen des
"KomPädenZ Potenzial"-Projekts erscheinen wird. Dieses Working-Paper darf nur mit Erlaubnis
des Autors zitiert oder verbreitet werden.

Partizipation als ‚Gerechtigkeitspraxis‘ – ein Exkurs


Dass Partizipation und die Frage nach sozialer Gerechtigkeit zusammenhängen, wird wohl nicht bezweifelt.
Anders wäre es nicht denkbar, dass Partizipation inzwischen in einer Vielzahl von Zusammenhängen
gesetzlich gefordert ist. Dennoch ist dieser Zusammenhang in der Sozialarbeit bei dem Versuch, Partizipation
begrifflich zu bestimmen, wenig beachtet worden – trotz einer Vielfalt von Definitionen. Dabei ist die Idee
einer direkten begrifflichen Verbindung zwischen Partizipation und Gerechtigkeit naheliegend, wenn man
sich wie Fatke (2007) sprachlich annähert:

„Etymologisch leitet sich »Partizipation« aus dem lateinischen »partem capere« her, was wörtlich bedeutet: »einen
Teil (weg-)nehmen«. Im Kontext der Kinder- und Jugendpartizipation heißt das: einen Teil der Verfügungsgewalt
über die eigene Lebensgestaltung an sich nehmen. Das beinhaltet, dass dieser Teil den Erwachsenen, die ja über die
Gestaltung des Kinder- und Jugendlebens verfügen, weggenommen werden muss, was auch die verbreitete
Abwehrreaktion von Erwachsenen (Eltern, Lehrkräften und Kommunalpolitikern) gegenüber Kinder- und
Jugendpartizipation erklärt.“ (ebd.: 24).

Deutlich wird hier, dass ein Ausgleich in der Verteilung von Verfügungsgewalt zwischen zwei Parteien
anzustreben ist: Hier den Kindern und Jugendlichen gegenüber auf der einen Seite und den Erwachsenen auf
der anderen Seite. Dies lässt sich von der Situation ‚Kinder und Jugendliche/ Erwachsene‘ auf andere
Umstände übertragen und generalisieren. Partizipation hätte dann immer etwas damit zu tun, dass
Verfügungsgewalten umverteilt werden. Die Implikation dabei ist, dass diese Umverteilung einen Missstand
behebt. Sie stellt einen optimalen Zustand wieder her bzw. korrigiert ein Übermaß von Verfügungsgewalt auf
der einen Seite und einen Mangel auf der anderen.
Ist diese Analyse soweit treffend, dann handelt es sich bei Partizipation um ein Feld, das unter den Begriff
der ausgleichenden Gerechtigkeit, genauer der heutzutage weitgehend als ‚wiederherstellenden oder
korrektiven‘ gefassten Gerechtigkeit fällt. Die Konzepte der ausgleichenden und damit auch der korrektiven
Gerechtigkeit gehen auf Aristoteles zurück, der diese als Teilgebiete der Gerechtigkeit im speziellen Sinne
ausscheidet.1 Von daher mag sich ein genauer Blick auf die Aristotelische Konzeption der korrektiven
Gerechtigkeit lohnen.
Gerechtigkeit, so Aristoteles (NE 1131b25-1132a6), bestehe immer in einer Form der Gleichheit. Im Falle
der korrektiven Gerechtigkeit geht es um die Gleichheit in einem Verhältnis von vier Relationsgliedern: Zwei
Personen und zwei Gütermengen. Person A kann Person B im Sinne dieses Verhältnisses nun einen Schaden
zufügen, indem sie von der Person B zugehörigen Gütermenge d einen Teil E abgenommen hat und seiner
eigenen Gütermenge c zugefügt hat. Korrektive Gerechtigkeit besteht nun also darin, dass Person A an
Person B Schadensersatz genau in Höhe des Teils E leisten muss. Damit ist dann die korrigierte
Güterverteilung gleich jener, die vor dem Zufügen des Schadens bestand (vgl. Wolf 2007: 107f.).

Tabelle 1: Gütermengen von Person A und B bei richtiger Güterverteilung, im Schädigungsfall sowie das anzusetzende
Korrektiv

Richtige Falsche Korrektiv


Gütermenge Gütermenge
Person A c c+E -E

Eine gute Übersicht dazu, wie Aristoteles den Begriff der Gerechtigkeit in Buch V der Nikomachischen Ethik
untersucht und darüber zu dem Begriff von ‚Gerechtigkeit im speziellen Sinn‘ sowie den Teilgebieten derselben gelangt
und in wie weit dies eine historische Leistung war, die einen völlig neuen Gerechtigkeitsbegriff fassbar machte, bietet
Bien (1995: 145f.).
Person B d d-E +E

Diese Überlegungen führen uns jedoch zu einem Problem: Wir müssen die ‚richtige‘ Verteilung der Güter
kennen, um korrektive Gerechtigkeit walten zu lassen. Für den Fall der Partizipation heißt das, dass wir die
‚richtige‘ Zuteilung kennen müssen, um zu wissen, welcher Teil an Verfügungsgewalt von der einen Partei
weggenommen und als Schadensersatz der anderen hinzugegeben werden muss.
Definitionen von Partizipation geben hier kaum einen Hinweis darauf, dass bzw. wie denn eigentlich diese
‚richtige‘ Zuteilung zu bestimmen ist. Fatke (2007: 24f.) bietet exemplarisch drei Definitionen von
Partizipation an:
Während in der älteren Partizipationsforschung der Begriff recht eng als „Beteiligung der Bürger an den
gegebenen Formen bürgerlicher (...) Öffentlichkeit und parlamentarischer (...) Demokratie“ (Vilmar 1986;
zit. nach Stange & Tiemann 1999: 216) gefasst wurde und sich damit vor allem auf politische Partizipation
konzentrierte, sind die Definitionen in der aktuellen Forschung weiter gefasst. Stange und Tiemann (1999)
definieren Partizipation als „die verantwortliche Beteiligung der Betroffenen an der Verfügungsgewalt über
ihre Gegenwart und Zukunft“ (ebd.: 215). Jaun (1999), den Fatke als drittes anführt, fasst den Begriff
ähnlich: „Partizipation von Kindern und Jugendlichen ist die verbindliche Einflussnahme von Kindern und
Jugendlichen auf Planungs- und Entscheidungsprozesse, von denen sie betroffen sind, mittels ihnen
angepassten Formen und Methoden.“ (ebd.: 266).
In den beiden neueren Formulierung wird ein Faktor zur Bestimmung des Teils an Verfügungsgewalt,
welcher ‚weggenommen werden muss‘, identifiziert: die Betroffenheit der Personen. Dort wo jemand
betroffen ist, soll er auch beteiligt werden. Es liegt nahe anzunehmen, dass jemand in dem Grad beteiligt
werden sollte, in dem er betroffen ist.
Diese Beteiligungsgrade werden in der Fachliteratur meist ausgehend von dem Modell der
Partizipationsleiter (vgl. Hart 1992: 8ff.) diskutiert. Eine begriffliche Schärfung fanden die einzelnen Stufen
in den Graden der Partizipation nach Richard Schröder (1995). Die unteren drei Grade dieser Leiter sind
dabei unzweifelhaft nicht als Partizipation zu bezeichnen. Sie bestehen in: Fremdbestimmung – Dekoration –
Alibiteilnahme. Die beiden obersten Grade (Selbstbestimmung – Selbstverwaltung), so kritisieren Stange
und Tiemann (1999: 218) behandeln auch nicht Partizipation im engeren Sinne, da es hier um Autonomie
statt um das Teilen von Verfügungsgewalt geht. Dies lässt für die Partizipation im engeren Sinne die vier
Grade: Teilhabe – zugewiesen, informiert – Mitwirkung – Mitbestimmung.
Damit unterscheidet die Literatur drei klar voneinander abgrenzbare Bereiche der Verfügungsgewalt von
Betroffenen (vgl. Hart 1992: 8ff.; Schröder 1995; Stange et al. 2012: 26ff.):
 Fremdbestimmung
 Partizipation
 Selbstbestimmung
Damit wird Partizipation bestimmbar als eine Mitte zwischen einem ‚Zuviel‘ und einem ‚Zuwenig‘ an
Verfügungsgewalt. Eine solche Mitte, so Aristoteles (NE 1106a26-35) kann man auf zwei Weisen
bestimmen. Einerseits kann man das Mittlere arithmetisch bestimmen. Das hieße wenn zwei Einheiten
Verfügungsgewalt bei der einen Person liegen und zehn Einheiten Verfügungsgewalt bei der anderen, dann
entspricht das arithmetische Mittel vier Einheiten ((2+10)/2=4). Oben wurde bereits ausgeführt, dass nach
Aristoteles Gerechtigkeit immer eine Form von Gleichheit ist. Die Frage ist, ob diese einfache Form von
Gleichheit angemessen ist für die Frage danach, wer wie viel Verfügungsgewalt haben sollte.
Schon Hart (1997) weist darauf hin, dass innerhalb des eigentlich der Partizipation zuzurechnenden Bereichs
die ‚höheren Stufen‘ der Partizipation nicht automatisch ‚bessere‘ Formen der Partizipation bedeuten (vgl.
ebd.: 40). Auch zeichnet er die mittleren Stufen der Partizipation nicht besonders aus. Wie oben schon
festgestellt, muss bei der Bestimmung des Teils an Verfügungsgewalt, der „weggenommen werden muss“,
die Betroffenheit der Personen eine Rolle spielen. Dies ist aber nicht möglich, wenn wir das arithmetische
Mittel wählen, denn dies ist unabhängig von der Betroffenheit der Personen. Kann die zweite Weise, auf die
man nach Aristoteles eine Mitte bestimmen kann, hier weiterhelfen?
Neben dem arithmetischen Mittel, so führt Aristoteles (NE 1106b1-b16) aus, gibt es andererseits noch eine
relationale Mitte. Diese Mitte bestimmt Aristoteles als eine Mitte in Bezug auf uns: Ob zwei oder zehn
Brötchen viel sind, hängt davon ab, wie unser Kalorienbedarf ist. Treiben wir Sport, ist die Mitte in Relation
zu uns näher bei den zehn Brötchen. Was dies für die Verteilung für Güter zwischen Personen bedeutet, führt
Aristoteles genauer in Buch V der Nikomachischen Ethik (1131a10 – b24) aus.
Wieder haben wir es mit einem Verhältnis von vier Relationsgliedern zu tun: Zwei Personen und zwei
Gütermengen. Diesmal jedoch spielen die Personen eine besondere Rolle, denn sie gehen in die
Güterverteilung entsprechend ihrer Betroffenheit ein: So wie sich Person A zu Person B in ihrer jeweiligen
Betroffenheit zu einem Thema verhält, so muss sich die Verfügungsgewalt c, die Person A zusteht, zur
Verfügungsgewalt d, die entsprechend Person B zusteht, verhalten (A:B=c:d). Das heißt dann ebenso, dass
so, wie sich Person A zu ihrem Anteil Verfügungsgewalt c verhält, muss sich Person B zu ihrem Anteil
Verfügungsgewalt d verhalten (A:c=B:d).

Abbildung 1: Das Diagramm drückt geometrisch nach dem Strahlensatz aus, wie die Verteilung von Verfügungsgewalt
(c, d) zu der Betroffenheit der Personen (A, B) in Relation gesetzt wird.

So betrachtet lässt sich Partizipation verstehen als die Durchführung von Gerechtigkeit sowohl in ihrem
korrektiven, als auch im Verteilungssinn. Denn einerseits wird unter Partizipation das Herstellen von einer
angemessenen Verteilung von Verfügungsgewalt verstanden, wenn eine unangemessene Verteilung derselben
vorliegt (korrektiver Aspekt, siehe oben: Zitat Fatke), andererseits erschöpft sich Partizipation nicht in der
Korrektur, sondern findet sich auch dort wieder, wo Betroffene den ihnen zustehenden Teil an
Verfügungsgewalt wahrnehmen.
Natürlich ist dies noch genauer auszuarbeiten. Betroffenheit zum Beispiel ist sicherlich nicht der einzige
Faktor der bedacht werden sollte, wenn man über gerechte Verteilungen von Verfügungsgewalt nachdenkt.
Andererseits gibt es ein Problem bei der Operationalisierung dieser mathematischen Konzeption: Da sowohl
Betroffenheit als auch Verfügungsgewalt schwer exakt zu messen sind, ist nicht ganz klar, wie diese in die
obige mathematische Relation gesetzt werden können (vgl. auch Wolf 2007: 105). Auf der anderen Seite
bietet die Aristotelische Konzeption einen fruchtbaren Boden auf dem man über Partizipation als eine
‚Gerechtigkeitspraxis‘, also die Verwirklichung von Gerechtigkeit im Handeln, nachdenken kann.
Jedenfalls gibt es gute Gründe anzunehmen, dass Partizipation eine Gerechtigkeitspraxis darstellt. Nicht
zuletzt, weil es uns erlaubt zu erklären, warum die ‚höheren Stufen‘ der Partizipation nicht automatisch
‚bessere‘ Formen der Partizipation bedeuten und unsere Wahrnehmung dafür zu schärfen, wann welches
Partizipationsniveau angemessen ist – und warum.

Literatur

Aristoteles; Wolf, U. (Hrsg.) (2006). Nikomachische Ethik. Orig.-Ausg. (Rororo Rowohlts Enzyklopädie, 55651).
Reinbek bei Hamburg.
Fatke, R. (2007). Kinder- und Jugendpartizipation im wissenschaftlichen Diskurs. In: Koopmann, F. K. (Hrsg.):
Kinder- und Jugendbeteiligung in Deutschland. Entwicklungsstand und Handlungsansätze. Gütersloh. S. 19-38.
Glinka, H.-J. (Hrsg.) (1999). Kulturelle und politische Partizipation von Kindern. Interessenvertretung und
Kulturarbeit für und durch Kinder. Materialien zum Zehnten Kinder- und Jugendbericht. München.
Hart, R. (1997). Children's participation. The theory and practice of involving young citicens in community
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Hart, R. (1992). Children's participation. From tokenism to citizenship. Innocenti essays, no. 4. Florence, Italy.
Jaun, T. (1999). Durch Identifikation zu Verantwortungsbewusstsein. Die Partizipation von Kindern und Jugendlichen
als Chance für eine nachhaltige Entwicklung. In: Kaufmann-Hayoz, R. & Alsaker, F. D. (Hrsg.). „… man kann
ja nicht einfach aussteigen". Kinder und Jugendliche zwischen Umweltangst und Konsumlust. Universität Bern,
Zürich. S. 261-274
Kaufmann-Hayoz, R. & Alsaker, F. D. (Hrsg.) (1999). "… man kann ja nicht einfach aussteigen". Kinder und
Jugendliche zwischen Umweltangst und Konsumlust. Universität Bern, Zürich.
Koopmann, F. K. (Hrsg.) (2007). Kinder- und Jugendbeteiligung in Deutschland. Entwicklungsstand und
Handlungsansätze. Gütersloh.
Mickel, W. W. & Zitzlaff, D. (Hrsg.) (1986). Handlexikon zur Politikwissenschaft. Arbeitshilfen für die politische
Bildung (Bd. 237). Überarbeitete Lizenzausgabe. Bonn.
Schröder, R. (1995). Kinder reden mit! Beteiligung an Politik, Stadtplanung und Stadtgestaltung. Weinheim u. Basel.
Stange, W; Meinhold-Henschel, S.; Schack, S. (2012).Mitwirkung (er)leben. Handbuch zur Durchführung von
Beteiligungsprojekten mit Kindern und Jugendlichen. Gütersloh.
Stange, W. & Tiemann, D. (1999). Alltagsdemokratie und Partizipation: Kinder vertreten ihre Interessen in der
Kindertagesstätte, Schule, Jugendarbeit und Kommune. In: Glinka, H.-J. (Hrsg.). Kulturelle und politische
Partizipation von Kindern. Interessenvertretung und Kulturarbeit für und durch Kinder. Materialien zum
Zehnten Kinder- und Jugendbericht. München. S. 211-332
Vilmar, F. (1986). Partizipation. In: Mickel, W. W. & Zitzlaff, D. (Hrsg.). Handlexikon zur Politikwissenschaft.
Arbeitshilfen für die politische Bildung (Bd. 237). Überarbeitete Lizenzausgabe. Bonn. S. 339-344
Wolf, U. (2007). Aristoteles' "Nikomachische Ethik". 2., durchges. Auflage. Darmstadt.

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