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Goffman und der Windows

Live Messenger
Hausarbeit Maria Badke

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Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung 3
2. Windows Live Messenger Was ist das? 4
3. Goffmans Rahmenanalyse und Interaktionsrituale 6
4. Die Diskurforschung 8
5. Die Rahmen und das Ritual in der Chatsituation beim Windows Live Messenger 9
5.1 Goffman und der Windows Live Messenger 9
5.2 Analyse eines Chatverlauf 11
6. Fazit 12
7. Literaturverzeichnis 14
8. Abbildungsverzeichnis 14
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1. Einleitung

Im Rahmen der Vorlesung und des Seminars „Mikrosoziologie: Technik und Interaktion“
wurde das Thema Interaktionstheorie behandelt. Es geht darum, mit Hilfe von soziologischen
Theorien herauszufinden, wie sich Interaktion gestaltet. „Wer handelt wie?“ und „Wodurch
kommt ein Sinn zustande?“ sind die zentralen Fragen, die es zu beantworten gilt. Gerog
Herbert Mead und Herbert Blumer, die dem symbolischen Interaktionismus zugeordnet
werden, beantworten diese Fragen, indem sie Objekten, Situationen und Beziehungen eine
Symbolkraft zuschreiben, die im vermittelten Prozess der Interaktion entsteht (vgl. Mead,
1975 S. 115 ff & Blumer, 1973 321 ff). Goffman geht einen ähnlichen Weg, indem er u.a.
versucht, die Rahmen einer Situation zu definieren oder Interaktionsrituale beschreibt (vgl.
Goffman, 1977 & Goffman, 1971). Es geht ihm darum zu beschreiben, was in Face-toFace-
Kommunikation, in der mindestens zwei Individuen anwesend sind, geschieht, egal aus
welchen Blickwinkel.
Im Kontrast zur Face-to-Face-Kommunikation steht im Zeitalter der Informationstechnik die
Kommunikation über das Medium Internet, die kein physisches Beisammensein der
Gesprächspartner erfordert. Diese „virtuelle“ Kommunikation soll in dieser Hausarbeit
anhand des Windows Live Messenger untersucht werden, einem Programm, das zum Chatten
dient. Dieses Programm wird als Beispiel herangezogen, da es sich durch einen hohen
Bekanntheitsgrad auszeichnet: Mit 330 Millionen Nutzern ist es eines der am häufigsten
benutzten Messenger weltweit (vgl. Lubold, 2009).
Es wird versucht, die Frage: „Was verändert sich in der Interaktion bei der Nutzung eines
Messenger im Vergleich zur Face-to-Face-Kommunikation?“ mit Hilfe von Goffmans
Konzept zu beantworten. Dafür wird erst das Praxisbeispiel des Windows Live Messenger
vorgestellt, danach das Konzept der Rahmenanalyse und das der Interaktionsrituale. Im
weiteren Verlauf werden Begriffe der Diskursforschung eingeführt, um dann diese und das
Konzept Goffmans anhand des Windows Live Messengers diskutieren zu können. Im
abschließenden Fazit wird dann eindeutig der Unterschied der beiden Kommunikationsformen
herausgestellt.
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2. Windows Live Messenger: Was ist das?

Das Wort Messenger kommt aus dem Englischen und bedeutet Bote. Der Windows Live
Messenger ist ein so genannter Instant Messenger, ein Programm, das es erlaubt, via Internet
und nahezu in Echtzeit mit Freunden und Bekannten auf der ganzen Welt zu chatten. Benötigt
werden hierfür lediglich ein Computer, ein Internetzugang, die Windows Live Messenger
Software und ein Account, das heißt ein Nutzerkonto, mit dem man sich später beim
Programm anmeldet. Die Windows Live Messenger Software kann man sich kostenlos von
msn.com downloaden. Die Nutzung des Messengers ist danach unabhängig von einem
Browser, das heißt, das Programm ist selbstständig in der Lage, ins Internet zu gehen. Den
Account legt man nach dem Download der Software mit Hilfe seiner E-Mail-Adresse an.
Über diese E-Mail-Adresse kann man dann von anderen gefunden und kontaktiert werden.
Personen, die einen gefunden haben oder die man selbst kontaktiert hat, werden vom
Windows Live Messenger angezeigt. Sofern sie (und natürlich man selbst) online sind, ist es
möglich, mit ihnen in Kontakt zu treten, also zu „chatten“. Ähnlich wie bei Social Networks
spielt hier der Netzwerkgedanke, die Verbindung zu Freunden und Bekannten, eine große
Rolle.
Windows Live Messenger ist ein Produkt des Anbieters Microsoft. Erstmals wurde es –
damals noch unter dem Namen MSN Messenger – am 22. Juni 1999 eingeführt und erreichte
innerhalb von 60 Tagen einen Zuwachs von 2,5 Millionen Nutzern (vgl. Lubold, 2009).

Nachfolgend wird illustriert, wie es aussehen kann, wenn man sich bei Windows Live
Messenger eingeloggt hat: In Abbildung 1 kann man sehen, dass „David“ und „Schenke“
gerade Online sind. Sie haben einen grünen Punkt, „S“ hingegen ist zwar online, aber
beschäftigt, dies verdeutlicht der rote Punkt. Alle anderen sind nicht online und werden daher
durch einen weißen Punkt gekennzeichnet. Neben den drei genannten Möglichkeiten existiert
noch die Kennzeichnung durch einen orangenen Punkt, dieser signalisiert, dass das
Gegenüber zwar online, aber abwesend, das heißt nicht am PC ist. Des Weiteren kann man
erkennen, dass diejenigen Personen, die man als Favoriten ausgewählt hat, ganz oben stehen;
dies können etwa Personen sein, mit denen man oft in Kontakt steht. Außerdem sieht man,
dass es beim Windows Live Messenger möglich ist, sich ein Pseudonym zu geben, das dann
anstelle der E-Mail-Adresse angegeben wird, beispielsweise „cricri“, die oben bei den
Favoriten steht. Man kann eine Schnellnachricht schreiben, wie es „Schenke“ gemacht hat.
Diese kann auch als Statuszeile betrachtet werden. Außerdem ist es möglich, nach Kontakten
zu suchen oder eine Internet Suchmaschine aufzurufen. Wie in der Abbildung 1 zu sehen,
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kann man auch ein Bild von sich einbinden, das beim Chatten angezeigt wird. Um zu einer
Chatsituation zu gelangen, klickt man einfach die Person an, mit der man kommunizieren
möchte.

Abbildung 1 nach dem einloggen (Screenshot vom 07.05.2010)

Abbildung 2 ist ein Beispiel dafür, wie eine solche Chatsituation aussehen könnte. Links sind
die beiden Bilder der Chatpartner zu sehen und daneben die zwei Textfelder. Das eine, in dem
der Nutzer seine Nachricht neu schreibt und das andere in dem das Geschriebene von beiden
steht. Der Windows Live Messenger unterscheidet sich von Chaträumen insofern, als dass er
für die 1:1 Kommunikation genutzt wird. Er ähnelt somit eher dem Briefeschreiben oder dem
Telefonieren, da die Personen sich nicht fremd sind wie in einem öffentlichen Chatraum, bei
dem man meist nicht alle – womöglich sogar keinen – der Kommunikationspartner kennt.
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Obwohl die heutigen Nutzungsmöglichkeiten weit über das Chatten hinausgehen 1, wird sich
die vorliegende Hausarbeit auf diese Funktion des eins-zu-eins-Chattens konzentri

Abbildung 2 Chatsituation (Screenshot vom 07.05.2010)

3. Goffmans Rahmenanalyse und Interaktionsrituale

Im folgenden Abschnitt werden die in der Einleitung erwähnten Theoriekonzepte Goffmans


beschrieben, die Individuen in Interaktionen benutzen, nämlich der Begriff der primären
Rahmen und der Begriff der Rituale.
Die primären Rahmen werden in dem Buch „Rahmenanalyse“ als diejenigen
Erfahrungsschemata erklärt, die aufgrund von gewissen Organisationsprinzipien unbewusst
benutzt werden, um eine Situation sinnhaft wahrzunehmen (vgl. Goffman, 1977, S. 19).
Goffman setzt seine Rahmen-Analyse an einer Face-to-Face-Kommunikationssituation an,
indem er den einzelnen Akteuren die Frage: „Was geht hier eigentlich vor?“ (Goffman, 1977,
S. 35) in den Mund legt. Er unterscheidet hier zwischen zwei Arten von Rahmen, natürliche
und soziale. Natürliche Rahmen sind diejenigen, die nicht gerichtet, nicht orientiert sowie
vollkommen deterministisch sind und hinter denen keine willentliche Absicht zu erkennen ist
(vgl Goffman, 1977, S. 31). Das Wetter ist beispielsweise ein solches Phänomen: Es beruht
ausschließlich auf physikalisch-chemischen Gesetzmäßigkeiten und kann nicht durch
Menschen beeinflusst werden.

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Es ist sowohl möglich miteinander zu chatten, als auch bildchatten, zu telefonieren oder bildtelefonieren, ganz
abgesehen von den vielen Zusatzfunktion wie Spielen, der mobilen Nutzung übers Handy u.a.
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Soziale Rahmen haben im Gegensatz dazu einen Verständnishintergrund für Ereignisse, an


denen eine oder mehrere Individuen beteiligt sind. (vgl Goffman, 1977, S. 32) Um bei dem
obigen Beispiel zu bleiben, wäre ein sozialer Rahmen etwa ein Gespräch zwischen Freunden
über die Vor- und Nachteile von gutem Wetter.

In dem Buch „Interaktionsrituale“ geht es Goffman ebenfalls darum zu beschreiben, was in


direkter Interaktion geschieht. Er will erklären, wie sich soziale Organisation in situativen
Interaktionen bildet. Dabei geht er davon aus, dass jedes Individuum, das soziale Kontakte
mit anderen Individuen hat, eine bestimmte Strategie auswählt, nach der es sich verhält. Eine
Strategie stellt ein Repertoire an Mustern dar, die auf Grundlage der Situationanalyse des
Individuums der jeweiligen sozialen Situation ausgesucht und dann verbal und nonverbal in
seinem Verhalten gezeigt wird (vgl. Goffman, 1971, S. 10). Mit dieser Strategie versucht das
jeweilige Individuum, ein bestimmtes Image zu vermitteln. Das Image ist nach Goffman „der
postive soziale Wert[…], den man für sich durch die Verhaltensstrategie erwirbt, von der die
anderen annehmen, man verfolge sie in einer bestimmten Interaktion. Image ist ein im
Termini sozial anerkannter Eigenschaften umschriebenes Selbstbild, […]“ (Goffman, 1971,
S.10). Hier sei das Selbst erwähnt, das sich aus den verschiedenen Images zusammensetzt.
Ferner wird dargestellt, was benötigt wird, um dieses Image zu wahren: Das Individuum
benutzt Techniken der Imagepflege. Diese Techniken der Imagepflege werden von Goffman
als Handlungen beschrieben „ […], die vorgenommen werden, um all das, was man tut, in
Übereinstimmung mit seinem Image zu bringen. Techniken der Imagepflege dienen dazu,
„Zwischenfällen“ entgegenzuarbeiten – das sind Ereignisse, deren effektive, symbolische
Implikationen das Image bedrohen“ (Goffman, 1971, S. 18). Es gibt zwei Grundarten der
Imagepflege: zum einen den Vermeidungsprozess, der dem Vorbeugen von Zwischenfällen
dient, zum anderen den korrektiven Prozess, der dazu dient, einen Zwischenfall zu
korrigieren.2 Diese Techniken sind sozusagen die ‚Ausführungsorgane‘, sie stehen unter dem
Oberbgriff der Rituale. Rituale sind die Mittel, die Menschen aus verschiedensten
Gesellschaften nutzen, um selbstregulierend an sozialen Begegnungen teilzunehmen
(Goffman, 1971, S. 52). Diese können anders als bei Durkheim auch von Individuen, die aus
einer urbanisierten, säkularisierten Welt kommen, eingesetzt werden (vgl. Goffman, 2001, S.
14). Rituale vollziehen sich in Ehrerbietung und Benehmen. Die Begriffe Ehrerbietung und
Benehmen sind ausgewählt worden, um herauszustellen, dass es einen Zusammenhang

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In „Wir alle spielen Theater“ hat Goffman diesen Sachverhalt ebenfalls benannt, als Impression Mangement
(die Eindrucksmanipulation). Er schreibt „…, denn diese Störungen zu vermeiden, ist die Technik der
Eindrucksmanipulation“ (Goffman, 2009, S. 189)
8

zwischen säkularisierten und heiligen Symbolen gibt (vgl. Goffman, 2001, S.14).
Ehrerbietung ist laut Goffman „die Handlungskomponente, […] durch die symbolisch die
Wertschätzung des Empfängers dem Empfänger regelmäßig übermittelt wird oder die
Wertschätzung dessen, wofür dieser Empfänger als Repräsentant gilt.“ (Goffman, 1971, S.
64) Die Würdigung eines Individuums durch ein anderes wird als Ehrerbietung verstanden.
Diese kann in Form von Vermeidungsritualen oder Zuvorkommenheitsritualen erbracht
werden. Vermeidungsrituale dienen dazu, Distanz zwischen den Individuen zu schaffen,
Zuvorkommenheitsrituale dagegen eine Verbindung3 (vgl. Goffman, 1971, S. 78f).
Benehmen wird als „jenes zeremonielle Verhaltenselement bezeichne[t], das
charakteristischerweise durch Haltung, Kleidung und Verhalten ausgedrückt wird und das
dazu dient, dem Gegenüber zum Ausdruck zu bringen, daß man ein Mensch mit bestimmten
erwünschten oder unerwünschten Eigenschaften ist.“(Goffman, 1971, S. 86) Beim Benehmen
geht es eher um die nonverbalen Dinge, die in einer Interaktion vorhanden sind, als um die
verbalen. Ehrerbietung und Benehmen dienen in einer Interaktion dazu, das Image
aufrechtzuerhalten.
Zuletzt sei noch ein Instrument erwähnt, das Goffman in „Wir alle spielen Theater“
verwendet und das für die nachfolgende Analyse sehr passend erscheint: die Vorder- und
Hinterbühne. Die Vorderbühne wird als der Raum benannt, in dem die Handlungen vollzogen
werden (vgl. Goffman, 2009, S. 100). Die Hinterbühne hingegen wird als Rückzugsraum für
die Individuen betrachtet, in dem der auf der Vorderbühnen erweckte Eindruck bewusst
wiederlegt wird (vgl. Goffman, 2009, S. 104).
Die primären Rahmen bezeichnen also die erkenntnisleitenden Erfahrungsschemata, die für
den Vorgang der Analyse durch jedes einzelne Individuum in den jeweiligen Situationen
benutzt wird. Danach erfolgt die Zuordnung dieser Erfahrungsschemata zu Verhaltensweisen,
diese sind wiederum Ritualen untergeordnet.

4. Diskursforschung

Die Diskursforschung hat sich aus der Konversationsanalyse entwickelt, einer


Forschungsrichtung, die sich primär mit sprachlicher Interaktion befasst (vgl. Buber, 2009,
S.333). Der Begriff Diskurs wurde u.a. von Foucault geprägt. Vor allem aber die Definition
Brünners und Graefens stellt für diese Arbeit die größte Relevanz dar, weil sie legtimiert,

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Durkheim unterscheidet ebenso zwischen positiven und negativen Riten. Negative Riten werde dazu verwendet
um mit Heiligen in Kontakt zu vermeiden und positive Riten um den Kontakt herzustellen.
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Begrifflichkeiten der Diskursanalyse für die Analyse eines Chats zu verwenden: Diskurse
können ihnen zufolge sowohl Gespräche als auch Geschriebenes sein (vgl. Brünner, 1994, S.
8).
Es gibt unterschiedliche Strömungen der Diskursforschung, zum einen in der Soziologie und
zum anderen in der Linguistik. Ziel beider Strömungen ist es, Strukturen und
Organisationsprinzipien von Kommunikation zu finden, jedoch unterscheidet sich ihr
Vorgehen. Arbeitet man im Sinne der Diskursforschung, schaut man in der Soziologie
genauso wie in der Linguistik sowohl auf das Gesagte als auch auf den
Entstehungshintergrund in der Situation (vgl. Beißwenger, 2009, S. 120).
Die Begrifflichkeiten des Sprecherwechsels, des Rederechts und der Sequenzialität aus der
Diskursforschung sollen für die später folgende Analyse einer Windows-Live-Messenger-
Chatsituation in dieser Arbeit dienen. Rederecht (floor) ist, wenn einen Interaktionspartner für
einen Moment das alleinige Gesprächsrecht zugestanden wird (vgl. Beißwenger, 2003,
S.123). Sprecherwechsel (turn taking) ist demzufolge, wenn sich das Rederecht der
Interaktionspartner ändert (vgl. Beißwenger, 2003, S.123). Sequenzialität sind paarweise
auftretende Ausdrücke, die von jeweils unterschiedlichen Sprechern zur selben Zeit geäußert
werden.

5. Der Rahmen und das Ritual in der Chatsituation beim Windows Live
Messenger

Im Folgenden wird der Windows Live Messenger bzw. die über ihn laufende Interaktion des
Chattens zuerst mit dem Konzept Goffmans analysiert. Dabei werden die Begriffe Sender und
Empfänger verwendet, die nun kurz erklärt werden sollen: Der Sender ist derjenige, der etwas
übermitteln möchte, der Empfänger ist derjenige, der die Nachrichten vom Sender erhält. Im
zweiten Abschnitt wird dann eine Analyse einer genauen Chatsituation folgen, bei der auch
die Begriffe der Diskursforschung genutzt werden.

5.1 Goffman und der Windows Live Messenger

Schaut man sich die obige Beschreibung des Windows Live Messengers (zu Abbildung 1 und
Abbildung 2) an, kann man feststellen, dass die primären Rahmen wesentlich beschränkter
sind als in einer Face-to-Face-Kommunikation. Sie sind beispielsweise eingegrenzt durch die
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Angaben, die man zu seiner Person machen kann, durch den Weg, den man geht, um mit
anderen in Kontakt zu treten und durch die Darstellung der eigenen Persönlichkeit, die auf
Bild, die Schnellnachricht und das Pseudonym (wenn man dieses hat) begrenzt ist. Die hierbei
angewandten primären Rahmen können als soziale Rahmen bezeichnet werden, da sie einen
Verständnishintergrund für ein von Menschen geschaffenes „Ereignis“ (nämlich die
Interaktion über den Windows Live Messenger) liefern.
Während der Chatsituation löst sich die Beschränktheit etwas auf: Lediglich die Möglichkeit
zum Senden von Nachrichten kommt hinzu. Es ist anzumerken, dass der Sender hierbei über
seine Erscheinung bestimmt. Die Techniken der Imagepflege und das daraus resultierende
Image, welches sich das Gegenüber bildet, sind fast ganz unter der Kontrolle des jeweiligen
Individuums. Es hat die Möglichkeit, vor dem Abschicken einer Nachricht zu prüfen, ob es
diese wirklich in dieser Form schicken will und kann sie bei Bedarf beliebig modifizieren.
Diese Option zur Prüfung seiner Darstellung hätte es in einer Face-to-Face-Situation in dieser
Art nicht. Denn hier gibt es eine vielzahl von Reizen die der Empfänger wahrnehmen kann
und die gleichzeitig wesentlich schwerer unter Kontrolle zu halten sind (etwa Mimik und
Gestik), da mehr primäre Rahmen vorhanden sind.
Eine Folge der ermöglichten Kontrolle über die Techniken der Imagepflege während eines
Chats ist, dass Täuschungen wesentlich einfacher aufrechterhalten werden können, ohne das
Selbst zu gefährden.4 Zusätzlich kann der Sender, in Goffmans Theatermethaper gesprochen,
gleichzeitig auf der Vorder- und Hinterbühne sein. Das heißt, der Sender könnte nackt vor
dem PC sitzen (Hinterbühne), ohne dass der Empfänger dies auf seinem Bildschirm
(Vorderbühne) sehen würde. An das gleichzeitige Vorhandensein auf Vorder- und
Hinterbühne schließt ein weiterer wichtiger Aspekt der Chatkommunikation an: Sie ist
ungebunden an räumliche Begrenzung im physischen Sinne. Das heißt, der Sender ist nicht
nur gleichzeitig auf beiden Bühnen, sondern er kann zudem sehr weit entfernt von seinem
Empfänger sein. Auch dieser Aspekt wäre in einer Face-to-Face-Kommunikation physisch
nicht möglich - ein Gespräch muss zur gleichen Zeit am gleichen Ort geführt werden.
Insgesamt ist eine Chatsituation weniger von sozialen Sanktionen geprägt als die Face-to-
Face-Kommunikation, da es weniger Kommunikationsregeln gibt. Eine Unterhaltung kann
beim Chatten einfach unterbrochen werden, ohne dass es einer Begründung dafür von Nöten
ist. In einem Gespräch sind zwar auch Pausen möglich, diese bedürfen aber anders als beim
Chat in jedem Falle einer Einleitung. Ein weiterer Unterschied liegt in der Beanspruchung der
Sinne. In einer Face-to-Face-Situation stehen einem viel mehr zur Verfügung - Riechen,
4
Dazu hier jedoch nicht mehr, denn das würde durch die Modulation der primären Rahmen beschrieben werden,
die ein weiteres Kapitel in Goffmans Rahmenanalyse darstellt.
11

Tasten, Sehen und Fühlen - , als bei der Nutzung des Windows Live Messengers, bei der man
lediglich sieht, was das Gegenüber geschrieben hat.
Ehrerbietung und Benehmen werden im nächsten Abschnitt dieser Arbeit an einem Beispiel
verdeutlicht.

5.2 Analyse eines Chatverlaufs

Um mit der Analyse zu beginnen, ist hier ein Konversationsabschnitt, wie er beim Chatten
über den Windows Live Messenger entstanden sein könnte, aufgeführt:

1 14:03:32 Sica Hallo??


2 14:04:09 Pilu hey
3 14:04:17 Sica wie gehts dir?
4 14:04:29 Pilu gut und dir?
5 14:04:34 Sica auch gut
6 14:04:42 Sica (ist bloß etwas warm hier drin)
7 14:05:03 Pilu stimmt, hier auch
8 14:05:27 Sica na super, dann haben wir ja die gleichen
grundvoraussetzugnen
9 14:05:32 Sica fangen wir an?
10 14:05:33 Pilu sollen wir dann mal zum thema kommen?
11 14:05:43 Pilu jo
(vgl. Beißwenger, 2009, S. 121)

An dieser Stelle sollen die Begriffe Rederecht, Sprecherwechsel und Sequenzialität noch
einmal deutlich gemacht werden. Das Rederecht wird Sica eingestanden indem Pilu auf die
Frage „Hallo??“ mit „hey“ antwortet. Sprecherwechsel wären dementsprechend immer dann,
wenn sich die Sprecher abwechseln. Doch zu dem Zeitpunkt, als beide nach dem Beginn der
Unterhaltung fragen, kann dieses Element als Sequenzalität betrachtet werden. Obwohl man
eigentlich nicht annehmen dürfte, dass sie in einer solchen Kommunikation vorhanden ist, da
rein technisch gesehen immer nur eine Nachricht übermittelt werden kann.
Ehrerbietung in Form von Zurvorkommenheitsritualen finden sich in den Beiträgen eins bis
fünf und sechs bis acht. Die Beträge eins bis fünf folgen mit ihren Frage-Antwort-
Sprecherwechseln dem Ablaufschema des Begrüßens.
In den Beiträgen sechs und sieben, bei denen sich das Rederecht von Sica auf Pilu verschiebt
und sie auf das in Klammern geschriebene „ist bloß warm hier drin“ antwortet mit „stimmt,
hier auch“ dient der Verfolgung der Strategie. Anhand dieses kurzen Ausschnitts kann nicht
genau bestimmt werden, welche Strategie durch die Beiden gewählt wurde, aber die Beiträge
sechs bis acht lassen darauf schließen, dass sie eine besitzen, weil Zuvorkommenheitsrituale
12

angewandt werden, beide den Verlauf des Chats voran treiben und sich gegenseitig bestätigen
(vgl. Goffman, 1971, S. 11). Dadurch kann davon ausgegangen werden, dass beide ein
bestimmtes Image haben. Auf dieses Image des jeweils anderen reagieren sie, erst Pilu und
dann Sica. Insgesamt kann gesagt werden, dass die Images beider jeweils durch den anderen
gewahrt wurden, indem Ehrerbietung in Form von Zuvorkommenheitsritualen erwiesen
wurde. An dieser Stelle sei nocheinmal darauf hingewiesen, dass Ehrerbietung ein
Oberbegriff für die Techniken der Imagepflege ist. Dieser Abschnitt könnte unter dem
korrektiven Prozess gefasst werden kann. Sica schreibt etwas in Klammern, und misst dem
wahrscheinlich keinen großen Wert hinzu. Pilu hingegen antwortet auf diese Aussage, als
hätte sie nicht in Klammern gestanden. Sie stellt sich in diesem Moment (egal ob es bei ihr
warm ist oder nicht) auf die Seite von Sica. Sica als Empfängerin wird dadurch nicht nur
mitgeteilt, dass Pilu auch warm ist, sondern sie sich mit ihr verbunden fühlt, sie haben beide
das „gleiche Schicksal“. Der darauf folgende Sprecherwechsel und Sicas Beitrag könnten
dann als Korrektur ihres vorherigen verstanden werden, da sie im Anschluss ihren Beitrag
sechs durch den Beitrag acht erneut verbalisiert und beide in ihm auf eine gleiche Ebene setzt
„na super, dann haben wir ja die gleichen Grundvoraussetzungen“.
Dadurch, dass sie in den Beiträge neun bis zehn gleichzeitigen zum Thema kommen wollen,
wird zum einen von Pilu die Korrektur von Sica akzeptiert, zum anderen ein neuer
Gegenstand zum Dialog gemacht. Diese Sequenzialität, die zudem noch den gleichen Inhalt
hat, untermauert die jeweiligen Images der Interaktionspartner bzw. die Einigkeit der beiden
Kommunikationsteilnehmer über den Fortlauf der Chatkommunikation. Ein Vermeidungs-
ritual ist in diesem Ausschnitt der Chatkommunikation nicht zu finden, obwohl dieses
durchaus vorhanden hätte sein können, wenn beispielsweise einer versucht hätte die
Kommunikation abzubrechen.
Das Analysemittel des Benehmens lässt sich in einem Chat gar nicht anwenden, da es keine
nonverbalen Dinge gibt, die innerhalb dieser Kommunikationsform dem Empfänger
übermittelt werden können. Weder Haltung, noch Kleidung oder Verhalten können von einem
der beiden Interaktionsteilnehmer durch den andern in Erfahrung gebracht werden.

6. Fazit

Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass sich die Interaktion im Verhältnis zur Face-to-
Face-Kommunikation in vielen Punkten ändert. Das Konzept Goffmans das ursprünglich
nicht für diese Art der Analyse vorgesehen war bietet trotzalledem einen Erkenntnisgewinn.
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Goffman selbst definiert „Interaktion (das heißt: unmittelbare Interaktion) grob als (…)[den]
wechselseitige[n] Einfluss von Individuen untereinander auf ihre Handlungen während
unmittelbarer physischer Anwesenheit“ (Goffman, 2009, S. 18). Da die physische
Anwesenheit in der Internetkommunikation nicht gegeben ist, liegt hier ein Grund, weshalb
einige Dinge mit ihm nicht erklärt werden können. Aufgefallen ist, dass der Ansatz Faktoren
wie etwa die Antwortgeschwindigkeit nicht beinhaltet. Jedoch konnte auch nicht der
komplette Gedanke des diskursanalytische Ansatz genutzt werden, da bei den oben
ausgewählten Beispiel nichts über die Entstehungssituation (wie lange und wie wurde die
Sprache verschriftlicht) bekannt ist, lediglich die Logfiles (Chatmitschnitte) standen zur
Verfügung. Somit können die sprachlichen und verhaltensmäßigen Handlungsweisen nicht
rekonstruiert werden. Das heißt, es besteht nicht nur ein Problem in dem Ansatz Goffmans,
sonder auch in den Daten, die für die Analyse hinzugezogen wurden. Vielleicht wären
bestimmte Dinge, wenn man Filmmaterial zur Entstehungsgeschichte von Sica und Pilu
gehabt hätte, anders interpretiert worden, weil sie sich in gewisser Art und Weise verhalten
haben. Ebenfalls hätten Aussage über das Benehmen der einzelnen Interaktionspartner
getroffen werden können. Diese wären jedoch anders zu betrachten, als es Goffman definiert
hat, denn die jeweiligen Empfänger würden dieses Verhalten nicht wahrnehemen.
Des Weiteren gibt es Elemente, die in der Face-to-Face-Kommunikation enthalten sind, beim
Windows Live Messenger in anderer Art, ein Beispiel hierfür ist die Hinterbühne, auf die man
praktisch keinen Einblick bekommen kann. Man kann mit dem Ansatz nicht erklären, was
durch diese Art der Kommunikation Neues über die Technik hinzukommt.
Jedoch ist der Grundmechanismus, das Beantworten der Frage „Was geht hier eigentlich
vor?“ und das unterbewusste Einordnen der Situation in Interaktionsrituale identisch. Somit
ergibt sich, dass trotz der erläuterten Einschränkungen der Anwendbarkeit der genannten
Ansätze, sie zu einer Analyse für eine Windows-Live-Messenger-Chatsituation gewinn-
bringend herangezogen werden konnten.
14

7. Literaturverzeichnis:

Beißwenger, Michael (2003): „Sprachhandlungskoordination in der Chat“ In: Zeitschrift für


germanistische Linguistik 31 (2), S. 198-231

Beißwenger, Michael (2009): „Multimodale Analyse von Chat-Kommunikation“ In Karin


Birkner & Anja Stukenbrock (Hrsg.): „Die Arbeit mit Transkripten in Fortbildung, Lehre und
Forschung“ Mannheim S. 117-143

Blumer, Herbert (1973): „Der methodologische Standort des symbolischen


Interaktionismus“ In Jörg Strübig und Bernd Schnettler (Hrsg.): „Methodologie interpretativer
Sozialforschung: Klassische Grundlagentexte“ UVK Verlagsgesellschaft mbH, Konstanz
2004 S. 321 ff

Brünner, Gisela / Graefen, Gabriele (Hrsg.) (1994): „Texte und Diskurse. Methoden und
Forschungsergebnisse der Funktionalen Pragmatik“ Westdeutscher Verlag, Opladen

Buber, Renate; Holzmüller, Hartmut H. (Hrsg.) (2009): „Qualitative Marktforschung:


Konzepte-Methoden-Analysen“ 2. Auflage, Gabler Verlag, Wiesbaden

Goffman, Erving (1971): „Interaktionrituale: über Verhalten in direkter Kommunikation“


übersetzt von Renate Bergsträsser und Sabine Bosse, Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main

Goffman, Erving (1977): „Rahmenanalyse“ übersetzt von Hermann Vetter, Suhrkamp


Verlag, 1. Auflage, Frankfurt am Main S. 1- 51

Goffman, Erving (2001): „Interaktion und Geschlecht“ übersetzt von Hubert Knoblauch
Campus Verlag GmbH, 2. Auflage, Frankfurt am Main

Goffman, Erving (2009): „Wir alle spielen Theater“ Piper Verlag,7. Auflage, München 1969

Lubold, Manuela (2009): „Happy Birthday, Windows Live Messenger“,


http://windowsliveblog.spaces.live.com/blog/cns!720E46AE746458F7!5495.entry letzter
Zugriff am 04.07.2010

Mead, George Herbert (1975): „Geist, Identität und Gesellschaft“ Suhrkamp Verlag
Frankfurt/M.

8. Abbildungsverzeichnis:

Abbildung 1 nach dem einloggen selbsterstellter Screenshot vom 07.05.2010 S. 5


Abbildung 2 Chatsituation selbsterstellter Screenshot vom 07.05.2010 S. 6

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