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Antisemitismus und Islamophobie – Wie und wozu vergleichen?

Bis vor einigen Jahren konnte sich die Feindschaft gegenüber Muslimen in Deutschland als

„Islamkritik“ legitimieren. Auch einige linken Gruppen hatten wenig Hemmungen, die

Muslime als besonders reaktionär und anti-emanzipatorisch zu kritisieren, ohne zu

berücksichtigen, inwiefern diese Kritik zur Legitimierung des Rassismus in Deutschland

instrumentalisiert werden konnte.

Inzwischen gibt es eine breitere Debatte um die Feindschaft gegenüber Muslimen. Dies ist

nicht zuletzt auf die öffentliche Auseinandersetzung um die Vergleichbarkeit von

Antisemitismus und Islamophobie zurückzuführen, die im Dezember 2008 durch die

wissenschaftliche Konferenz „Feindbild Muslim — Feindbild Jude“ des Zentrums für

Antisemitismusforschung ausgelöst wurde (vgl. analyse&kritik Nr. 547). Die Frage nach

der Vergleichbarkeit mit dem Antisemitismus dominiert zur Zeit die Debatte um

antimuslimische Diskurse. Im Rahmen dieser Auseinandersetzungen ist auch die

Publikation „Antisemitismus und Islamophobie - ein Vergleich“ entstanden.

Nach den AutorInnen Sabine Schiffer und Constantin Wagner soll der Vergleich zum

Antisemitismus des 19. und frühen 20. Jahrhunderts dazu dienen, die rassistischen

Merkmale der Islamophobie-Debatte zu analysieren.

Hier soll jetzt nicht darüber diskutiert werden, ob Islamophobie der richtige Begriff ist

(oder doch damit Religionskritik delegitimiert wird) und ob nicht der Antisemitismus

mehr ist als „nur“ ein rassistischer Diskurs. Diese Schwierigkeiten betreffen die gesamte

Debatte um den Vergleich.

Die Publikation hat jedoch ganz andere Defizite. Der Vergleich zwischen Antisemitismus

und Islamophobie setzt die genaue Analyse der beiden Phänomene voraus. Eine solche

Analyse fehlt hier jedoch. So wird für den Antisemitismus auf eine Rassismus-Definition

des Brockhaus-Lexikon von 1992 zurückgegriffen (vgl. S. 18-19), ohne überhaupt zu

versuchen, die wissenschaftliche Debatte um Antisemitismus sinnvoll einzubeziehen. Die

Absurdität, das komplexe Phänomen des Antisemitismus durch einen Lexikon-Eintrag

über Rassismus definieren zu wollen, bleibt leider nicht die einzige. Neben der fehlenden

Analyse ist ein Hauptdefizit der Publikation, dass da, wo eine inhaltliche
Auseinandersetzung zu erwarten wäre, stattdessen viele Seitenhiebe gegen

Einzelpersonen zu finden ist. So etwa schreiben die Autoren, man könne nicht von

Antisemitismus sprechen, wenn das Existenzrecht Israels in Frage gestellt wird oder wenn

die „Praktiken in Israel mit Praktiken in Nazi-Deutschland verglichen werden“ (S. 60).

Anschließend folgt aber keine inhaltliche Begründung der streitbaren Thesen. Stattdessen

geht es um Gerichtsprozesse zwischen Henryk Broder und Abraham Melzer (nein, die

Namen muss man nicht kennen). Ebenso ist im Kapitel „Muslime und Antisemitismus“

kaum etwas zum Thema selbst zu lesen, aber vieles über Matthias Küntzel, einen

Antideutschen. Dies sind nur zwei Beispiele dafür, wie seitenlang auf Kosten der

inhaltlichen Auseinandersetzung über relativ unwichtige Einzelpersonen geschrieben

wird.

Neben diesen Hauptdefiziten existiert noch eine Reihe kleinerer Defizite:

- Obwohl laut AutorInnen der Bezugsrahmen der Antisemitismus des 19. und frühen 20.

Jahrhunderts sein soll und der nationalsozialistische Antisemitismus nicht mit

Islamophobie verglichen werden soll, wird der Film „Der ewige Jude“ mit „Fitna“, einem

islamophoben Film, gleichgesetzt (S. 169-170).

- Es wird behauptet, die Taliban wäre als „Speerspitze gegen die Sowjetunion“ (S. 76)

aufgebaut worden. Allerdings entstand die Taliban Anfang der 1990er Jahre, als die

sowjetischen Soldaten bereits aus Afghanistan abgezogen waren und die Sowjetunion

ohnehin in Auflösung begriffen war.

- Die AutorInnen behaupten Hassan al-Banna (Begründer der islamistischen

Muslimbruderschaft) sei ein muslimischer Reformer, der „die islamischen Tugenden für

eine durchaus optimierungsbedürftige Moderne nutzbar machen wollte“ (S. 76). Jedoch

sind aus einer emanzipatorischen Perspektive die Vorstellungen der Muslimbrüderschaft

darüber, wie solche „Optimierungen“ aussehen sollen, eindeutig abzulehnen.

- Es wird behauptet, es gebe keine Beweise dafür, dass al-Qaida für die Anschläge am 11.

September 2001 verantwortlich ist (S. 137).

Das Buch schließt mit einer weiteren Merkwürdigkeit ab: Im letzten Absatz wird von

„Drahtzieher[n] der Ordnung der Welt“ (S. 210) gesprochen, die nationalistischen und
religiösen Hass schüren würden und die man erkennen solle um sich zu befreien. Wer

diese Drahtzieher sein sollen, wird bis dahin nicht genannt. Das gegenwärtige Weltsystem

auf das Wirken von geheimen Mächten im Hintergrund zurückzuführen, ist jedoch

zumindest verschwörungstheoretisch und anti-emanzipatorisch.

Angesichts dessen, dass Sabine Schiffer als Expertin für Islamophobie auftritt und

Zuspruch nicht zuletzt aus dem linken Milieu erhält, wäre es sehr ratsam, sich mit diesen

sehr problematischen Aussagen auseinanderzusetzen. Die Besprechung der Publikation

zeigt, dass hier sehr viele Defizite und Probleme und damit kaum sinnvolle

Anknüpfungspunkte für linke und emanzipatorische Ansätze existieren.

Ismail Küpeli

Sabine Schiffer / Constantin Wagner (2009): Antisemitismus und Islamophobie - ein

Vergleich. HWK Verlag, Wassertrüdingen.

Diese Rezension ist erschienen in der trend onlinezeitung (Nr. 03/2010).

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