EINSICHTSMEDITATION
Ehrw. Sujiva
2. Auflage 2006
Copyright © 2004-2006 by Michael Zeh Verlag
www.zeh-verlag.de
Alle Rechte vorbehalten
ISBN 3-937972-07-2
Es gibt Leiden, aber keinen Leidenden
Taten existieren, obwohl es keinen Täter gibt
Verlöschen gibt es, aber keine verlöschende Person
Obwohl es einen Pfad gibt, gibt es niemanden, der ihn geht.
Visuddhi magga
„Dies ist der einzige Weg, o Mönche, zur Läuterung der Wesen, zur
Überwindung von Kummer und Klage, zum Beenden von Schmerz
und Trübsal, zur Gewinnung des rechten Pfades, zur Verwirkli-
chung von nibbāna, nämlich die vier Pfeiler der Achtsamkeit.
Welche vier? "Da weilt der Mönch bei der Körperbetrachtung beim
Körper, eifrig, wissensklar und achtsam, um Begierde und Trübsal hin-
sichtlich der Welt zu überwinden; er weilt bei der Gefühlsbetrachtung
bei den Gefühlen, eifrig, wissensklar und achtsam, um Begierde und
Trübsal hinsichtlich der Welt zu überwinden; er weilt bei der Geist-
betrachtung beim Geist, eifrig, wissensklar und achtsam, um Begierde
und Trübsal hinsichtlich der Welt zu überwinden; er weilt bei der Geist-
objektbetrachtung bei den Geistobjekten, eifrig, wissensklar und acht-
sam, um Begierde und Trübsal hinsichtlich der Welt zu überwinden...“
(dīgha-nikāya 22)
Inhalt
Vorwort zur deutschen Ausgabe ..................................................... 10
Vorwort .................................................................................................... 11
1. Satipa88hāna Vipassanā-Meditation .......................................... 12
Körperbetrachtung als Grundlage der Achtsamkeit .................................... 12
Gefühlsbetrachtung als Grundlage der Achtsamkeit................................... 13
Bewusstseinsbetrachtung als Grundlage der Achtsamkeit.......................... 13
Geistobjektbetrachtung als Grundlage der Achtsamkeit............................. 13
8
Übelwollen (vyāpāda)................................................................................181
Mattigkeit und Müdigkeit (thīna-middha).................................................183
Unruhe und Sorgen (uddhacca-kukkucca).................................................185
Skeptischer Zweifel (vicikicchā) ...............................................................187
Zusammenfassung......................................................................................187
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Vorwort zur deutschen Ausgabe
Es freut mich, dass diese auch für Anfänger hervorragend geeignete An-
leitung zur Meditation nun auch in Deutsch erhältlich ist. Der Ehrw. Sujiva,
einer der meines Erachtens kompetentesten Meditationslehrer unserer Zeit,
lehrt hier in allen Einzelheiten die Einsichtsmeditationspraxis.
Die aufwendige Produktion des englischen Originals mit ihren schönen
Bildern, Sinnsprüchen etc. kann ich leider aus Zeitgründen (da es noch eine
Menge weiterer wichtiger Werke zu übersetzen gibt) momentan nicht an-
fertigen. So habe ich mich dann auch erst mal auf das Wesentliche, nämlich
den eigentlichen Text beschränkt.
Außerdem wurde der Anhang etwas gekürzt und verändert. Die Über-
setzung des SatipaSShāna-Sutta wurde weggelassen, da es inzwischen genug
deutsche Übersetzungen gibt (z. B.In „Geistestraining durch Achtsamkeit“
von Nyanaponika) und auch die Meditationsanleitung von Mahasi
Sayadaw, da sie schon ausführlich in dem im selben Verlag erschienenen
Buch „Der Weg zum Nibbāna“ Mahasi Sayadaw u. a. beschrieben wurde.
Zusätzlich wurde der Lebenslauf des Ehrw. Sujiva angepasst.
Das englische Original können sie zusätzlich, wenn sie mögen, auf der
Website des Michael Zeh Verlages herunterladen (www.zeh-verlag.de). Ein
Dankeschön an Ursula Wurstemberger, die die 1. Auflage komplett neu
überarbeitet hat.
10
Vorwort
Dieses Buch ist eine Sammlung von Gesprächen, die, anlässlich des von
mir geleiteten Eröffnungs-Retreats im Blue Mountain Einsichtsmeditations-
zentrum in Australien im März 1996, gehalten wurden. Da die frühere Auf-
lage dieses Buches, „A Pragmatic Approach to the Practice of Vipassanā“
Meditation, vergriffen ist, soll nun auch diese Ausgabe dem gleichen
Zweck dienen, nämlich neue Vipassanā-Yogis in ihrer Praxis mit den dazu
benötigten Informationen zu versorgen. Da eine lange Zeit seit der Ver-
öffentlichung der ersten Auflage vergangen ist und meine Erfahrungen in
der Zwischenzeit gewachsen sind, wurde es erforderlich einige neue Ab-
schnitte hinzuzufügen.
Außerdem wurden Themen in der früheren Ausgabe erwähnt, die dort
nicht näher erklärt worden sind. Zum Beispiel Details, um die fünf geistigen
Fähigkeiten auszubalancieren. In dieser aktuellen Auflage werden sie nun
ausführlich besprochen.
Ich möchte allen danken, die mithalfen, dass das Buch verfügbar ist, wie
Hor Tuck Loon und Lai Fun, David Llewelyn, Quek Jin Keat, Tan Joo Lan
und den vielen Spendern.
Sujiva
BUDDHIST WISDOM CENTRE,
Petaling Jaya, Malaysia.
11
1. Satipa88hāna Vipassanā-Meditation
In vielen buddhistischen Traditionen basiert die Einsichtsmeditation auf
den vier Pfeilern der Achtsamkeit, wie sie im SatipaSShāna-Sutta erwähnt
werden.
Die Einzigartigkeit der burmesischen Einsichtsmeditations-Methode, die
von Mahasi Sayadaw gelehrt wurde, liegt darin, dass der Anfänger als
Hauptobjekt die durch den Atem steigende und fallende Bauchdecken-
bewegung benutzt. Später werden auch mehrere andere Objekte verwandt.
Da es erhebliche Unterschiede in den Anweisungen der verschiedenen
Lehrer gibt, ist in vielen Fällen die Entscheidung, welche der Anweisung
man benutzt, abhängig von der eigenen persönlicher Erfahrung und Fähig-
keit.
Satipa))hāna oder die vier Pfeilern der Achtsamkeit wurden vom
Buddha als der eine und einzige Weg für die Läuterung der Wesen genannt.
Die entsprechende Lehrrede beschreibt verschiedene in vier Kategorien
unterteilte Meditationsobjekte, die dazu verwendet werden Achtsamkeit auf
die Dinge, so wie sie sind, zu entwickeln. Es sind:
• Kāyanupassanā satipa))hāna
• Vedananupassanā satipa))hāna
• Cittanupassanā satipa))hāna
• Dhammanupassanā satipa))hāna
1. Atemachtsamkeit
2. Körperhaltung
3. Wissensklarheit
4. Nichtschönheit des Körpers
5. Die vier Elemente
6. –14. Leichenbetrachtungen auf unterschiedlichen Stufen des Zerfalls
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Gefühlsbetrachtung als Grundlage der Achtsamkeit
(vedananupassanā satipa))hāna)
Hier werden neun Gefühlskategorien genannt, die als Achtsamkeits-
objekt dienen. Die ersten drei Kategorien sind:
1. Gierbehaftetes Bewusstsein
2. Gierfreies Bewusstsein
3. Hassbehaftetes Bewusstsein
4. Hassfreies Bewusstsein
5. Verblendetes Bewusstsein
6. Unverblendetes Bewusstsein
7. Zusammengezogenes Bewusstsein
8. Abgelenktes Bewusstsein
9. Erhabenes Bewusstsein
10. Nicht-Erhabenes Bewusstsein
11. Übertreffliches Bewusstsein
12. Nicht-Übertreffliches Bewusstsein
13. Ruhiges Bewusstsein
14. Unruhiges Bewusstsein
15. Befreites Bewusstsein
16. Unbefreites Bewusstsein
Das „Steigen“ und „Fallen“ der Bauchdecke wird zuerst als Hauptobjekt
der Meditation genommen. Aber wenn es sehr schwach wird, werden statt-
dessen die Sitz- und Berührungsempfindungen notiert. Während längerer
Sitzperioden werden dann Schmerzen und Gefühle stattdessen notiert.
Andere weniger häufige Objekte werden auch notiert und wenn sie wieder
verschwinden, kehrt man zur Beobachtung des Hauptobjektes zurück.
Für die Gehmeditation gilt dasselbe. Der Gehprozess ist das Haupt-
objekt und die anderen Objekte (Schmerzen, Denken, Sehen, Hören etc.)
sind sekundäre Objekte.
Auf diese Weise können die körperlichen und geistigen Phänomene
achtsam, so wie sie als Prozess erscheinen und verschwinden, beobachtet
werden.
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2. Grundlegende vorbereitende Anweisungen
Das Hauptziel der buddhistischen Meditation ist es den Geist von allen
negativen Tendenzen – wie Gier, Hass und Verblendung – durch geistiges
Training zu reinigen. Wenn alle negativen Tendenzen entfernt sind, ist der
Geist vom Leiden befreit. Das tatsächliche Ziel ist sehr hoch, es zielt auf die
komplette Aufhebung des Leidens. Dieser Prozess findet nicht nur in einem
Leben statt, sondern erstreckt sich über viele Existenzen.
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Wenn wir sicher erkennen können, dass diese Qualitäten in unserem Geist
existieren, können wir tatsächlich sagen, dass wir achtsam sind.
Es gibt auch noch einen anderen Typ von Achtsamkeit mit ähnlichen
Eigenschaften, der während der Einsichtsmeditation entsteht. Dieser Zu-
stand ist wie ein Licht, wie eine Bewusstheit, die in uns selbst konzentriert
ist, in unsere eigenen Geist- und Körperprozesse. Das letztendliche Ziel der
Einsichtsmeditation ist es, nach innen zu schauen und dort unsere eigene
Natur zu entdecken. Nur weil wir unsere eigene Natur nicht verstehen,
tauchen Befleckungen wie Gier, Hass und Verblendung und damit das
ganze Leiden auf.
Es gibt bestimmte spezielle Eigenschaften, die mit Achtsamkeit in der
Einsichtsmeditation verbunden sind. Die erste der Eigenschaften ist „nicht
denken“. Wir denken nicht, wir beobachten nur. Das heißt aber nicht, dass
wir während eines Retreats überhaupt nicht denken. Aber wenn wir denken,
wissen wir achtsam darum. In der formalen Meditationsübung wird das
Denken jedoch zur Seite gelegt und der Geist beobachtet mit konzentrierter
Achtsamkeit ohne zu denken. Die zweite Eigenschaft (nachdem wir aufge-
hört haben zu denken) ist, dass der Geist auf die Gegenwart oder die
gegenwärtigen Ereignisse ausgerichtet ist. Wir gehen nicht in die Ver-
gangenheit oder Zukunft. Wir halten den Geist auf die Gegenwart gerichtet
und wissen, was mit unserem Meditationsobjekt geschieht.
• Der Geist ist klar, ohne Gier, Hass und Verblendung. Der Geist muss
frei von aller Verwirrung und Aufregung sein.
• Der Geist ist stabil, ruhig, ungestört und friedvoll.
• Sobald der Geist frei, ruhig, stabil und ungestört geworden ist,
machen wir den Geist nun scharf und empfindsam (empfänglich).
Wenn die Achtsamkeit scharf und empfindsam ist, richten wir sie
immer wieder auf unser Meditationsobjekt. Wenn wir unsere Acht-
samkeit wiederholt so auf das Meditationsobjekt lenken, während
wir die ganze Zeit wissen, was im gegenwärtigen Moment passiert,
dann steigt der Prozess der Einsichtsentwicklung auf.
Wie werden wir uns in dieser Welt bewegen, wenn wir achtsam sind?
Wir bewegen uns dann glücklich, ruhig und effizient.
Wir entwickeln aber nicht nur Achtsamkeit um uns glücklich in dieser
Welt zu bewegen, sondern versuchen wesentlich mehr zu entfalten als nur
das.
Meditations-Retreat
Während dieser Zeit der eigentlichen Meditation, wenn unsere gesamte
Energie auf das Erkennen, was in uns vorgeht, gerichtet ist (also in den
Geist- und Körperprozessen), ziehen wir den meisten Nutzen aus ihr.
Während des Retreats ist unser Leben auf eine minimale Anzahl von
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Aktivitäten reduziert. Diese Aktivitäten können so unterteilt werden: Geh-
meditation, Sitzmeditation und andere alltägliche Aktivitäten.
Was auch immer für eine dieser Tätigkeiten gerade ausgeführt wird, der
Zweck der Praxis ist immer:
Während der Gehmeditation ist der Gehprozess das Objekt der Acht-
samkeit. Während der Sitzmeditation ist das Objekt das „Steigen“ und
„Fallen“ der Bauchdecke. Und in anderen alltägliche Aktivitäten ist unser
Objekt dasjenige, was wir gerade tun und darum zu wissen.
Gehmeditation
Es ist üblich, die Gehmeditation nach Geschwindigkeit einzuteilen:
• Zügiges Gehen
• Moderates Gehen
• Langsames Gehen
Zügiges Gehen
Zügiges Gehen ist ein Gehen, das schneller ist als unser normales
Gehen. Es kann auch beinahe zum Laufen werden. Wenn wir zügig gehen,
halten wir unseren Geist auf den Schritt gerichtet. Um den Geist besser auf
den Schritt zu halten, können wir mental sagen „Links, Rechts, Links
Rechts...“ oder „Gehen, Gehen....“. Normalerweise wird auf einer geraden
nicht zu langen Strecke gegangen. Am Ende der Strecke drehen wir dann
um.
Während langer Retreats wird zügiges Gehen manchmal nach ausgiebi-
gen Sitzperioden zur Vertreibung der Müdigkeit angewendet. Nach fünf
oder zehn Minuten zügigem Gehen können wir dann zum moderaten Gehen
wechseln.
Moderates Gehen
Während eines kurzen Retreats wird meistens in moderatem Tempo ge-
gangen. Zuerst müssen wir uns unserer stehenden Körperhaltung bewusst
werden. Die stehende Haltung ist eine gute Ausgangsbasis um unsere Acht-
samkeit auf unsere Füße hinunterzulenken. Wenn wir so stehen, nehmen
wir zuerst einen tiefen Atemzug und entspannen uns. Entspannung ist eine
der ersten Schritte um die Achtsamkeit zu erwecken. Wenn wir verspannt
sind, können wir nicht locker und achtsam sein. Wenn wir wissen, dass
unser Körper entspannt ist, lassen wir unseren Geist klar werden, ohne
irgendeinen Gedanken. Haltet den Geist einfach ruhig, klar und geistig ent-
spannt.
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Während der Gehmeditation sind unsere Augen nach unten gesenkt, sie
schauen jedoch nicht etwas Bestimmtes am Boden an. Unsere Augenlider
sind halb geschlossen, wenn wir entspannt sind. Nur wenn wir wirklich
etwas anschauen wollen, sehen wir geradeaus. Sonst sind unsere Augen
abwärts gerichtet.
Wir fokussieren nichts, weil wir unsere Achtsamkeit auf unsere Fuß-
sohlen gebracht haben. Wenn wir das Bewusstsein vom Kopf zu den Fuß-
sohlen bringen, werden wir wissen, dass der Körper aufrecht und fest steht.
Ihr könnt geistig notieren „Stehen, Stehen...“ Seid euch dabei des ganzen
Körpers bewusst. Wir müssen sicher gehen, dass wir echte Bewusstheit wie
die, die wir früher beschrieben haben, besitzen: klar, stetig, ruhig, sehr
wachsam und empfindsam zur stehenden Körperempfindung. Erst dann
bringen wir das Bewusstsein auf die Fußsohlen. Das achtsame Bewusstsein
ist wie ein Licht, das exakt an einem Punkt scheint. Wir halten unseren
Geist sehr ruhig und empfindsam, klar und wachsam und dann lenken wir
unsere Bewusstheit aufs Ziel. Durch die den Boden berührenden Fußsohlen
haben wie entsprechende Empfindungen wie Gewicht, Untergrundstruktur,
Hitze, Kälte oder nur klare Bewusstheit.
Wenn wir viele Empfindungen spüren, gehen wir normalerweise davon
aus, dass sie wahr sind. Wir müssen unsere Bewusstheit auf diese Empfin-
dungen fokussieren. All diese Empfindungen sind Grunderfahrungen, bevor
andere abgeleitete Formen und Gedankenprozesse beginnen. Wie zum Bei-
spiel die Idee, wer wir sind, was wir sind und was um uns los ist. Wenn wir
diese Grundempfindungen erfasst haben, fangen wir normalerweise an
darüber nachzudenken und so entwickelt der Geist dadurch noch andere
weitere Vorstellungen. Diese Grundempfindungen sind die rudimentäre
Form der Erfahrung und Existenz und der Anfang, bevor all die kompli-
zierten Dinge erscheinen.
Wenn wir uns dieser Empfindungen bewusst geworden sind, fangen wir
an zu gehen – linker Schritt, rechter Schritt, linker Schritt, rechter Schritt,
wir sagen mental „Links, Rechts, Links, Rechts.“ Mentales Notieren
„Links, Rechts“ hilft uns den Geist auf das Objekt gerichtet zu halten, damit
wir nicht anfangen zu denken.
Gewöhnlich sind die Hände vor oder hinter dem Körper gefaltet. Die
Füße sollten nicht zu hoch gehoben werden, sonst steht ihr nicht sicher und
fest. Der Platz zwischen euren Füßen sollte auch nicht zu groß sein, weil ihr
so auch nicht stabil steht. Das Schritttempo sollte moderat langsam sein und
die Schritte sollten nur halbe Länge haben. Wenn ihr noch langsamer geht,
werdet ihr das Gefühl haben, als würden eure Füße parallel über den Boden
gleiten. Hebt nicht mit Absicht euer Bein hoch. Wenn sich der Körper vor-
wärts bewegt, heben sich die Fersen automatisch. Dreht eure Fersen dabei
nur wenig.
Dann schiebt den Fuß vorwärts und setzt ihn ab. Das Ablegen sollte wie
bei einem langsamen natürlichen Gang geschehen. Stellt sicher, dass ihr
achtsam, klar, stabil, friedvoll und sehr wachsam seid und genau darauf
zielt, was mit dem Schritt gerade passiert. Dies scheint ein sehr einfaches
Verfahren zu sein, aber der Geist gehorcht normalerweise nicht. Er kann
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nicht für lange Zeit auf den Fuß fokussiert sein, sondern wandert sonst wo
hin. Er denkt oder er wird stumpf. So hat er natürlich keine Achtsamkeit
mehr.
Denken während der Gehmeditation
Es gibt zwei Arten des „Denkens”:
1. Wir wissen, dass wir denken. Sobald wir wissen, dass wir denken,
geht das Denken weg. In diesem Fall müssen wir mit dem Gehen
nicht aufhören.
2. Wir wissen, dass wir denken, aber wir können damit nicht aufhören.
In diesem Fall müssen wir anhalten und geistig notieren „Denken,
Denken...“ Wenn wir das Denken achtsam erkennen, geht es weg.
Wenn es weggegangen ist, sind wir wieder bewusst. Dann können
wir unseren Geist wieder zu den Fußsohlen bringen und weiter-
machen.
Manchmal taucht das Denken während der Gehperioden öfter auf und
ihr müsst häufiger stoppen. Eine andere Störung ist Langeweile. Beim
Gehen fangen wir dann an herumzugucken. Wenn wir bemerken, dass wir
herumschauen, müssen wir geistig notieren „Schauen, Schauen“. Falls wir
das Nichtgelingen bemerken, halten wir an, notieren geistig „Stehen,
Stehen“ und beginnen von vorn.
Man könnte dies als das „Surfen des Gehens“ bezeichnen. Die Wellen
wären dann die Erscheinungen, die uns umgeben. Bemerken wir, dass wir
unsere Achtsamkeit verloren haben, sollten wir einen festen Stand finden
um uns selbst wieder auszubalancieren und von vorn zu beginnen.
Manchmal neigt der Geist zu starken Störungen. Auch wenn wir an-
halten und notieren „Denken, Denken... ,“ tendiert er noch zu Fantasien und
inneren Monologen. Wenn das passiert, müssen wir zügig gehen „Links,
Rechts, Links, Rechts...“ mit kontinuierlichem Tempo.
Beobachtungen während der Gehmeditation
Sobald wir dafür ein Gefühl bekommen haben und kein Denken mehr
vorhanden ist, folgt der Geist einem bestimmten Rhythmus. Wenn der Geist
dann diesem Rhythmus und Schritttempo folgt, ist es auch einfacher den
Erscheinungen zu folgen. Es ist genauso, als würden wir tanzen und in den
Rhythmus der Musik kommen.
Wir werden bemerken, dass der Geist dem Gehen bei einem bestimmten
Tempo, in einem bestimmten Rhythmus bequem folgen kann, und wenn wir
ihn so halten, baut sich die Achtsamkeit und Konzentration aus. Es gibt hier
drei Prozesse:
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so ist, heißt das, dass wir nicht achtsam sind. Deshalb müssen wir dann
die Bewusstheit zurückbringen und uns selbst stabilisieren.
2. Wenn erst einmal die Achtsamkeit erweckt worden ist, folgen wir mit
Bewusstheit dem Objekt. Also den Fußschritten: „Links, Rechts, Links,
Rechts...“ Es ist nicht so, als würde man auf ein festes Ziel schießen,
sondern eher auf ein sich bewegendes Ziel wie eine Videokamera, die
der Bewegung folgt.
3. Wenn wir es schaffen dem Objekt eine Zeit lang zu folgen, kommen
wir zur dritten Phase der Meditation. Die eigentliche Phase der Ein-
sichtsmeditation ist Beobachtung. Nur wenn wir dem Objekt richtig
folgen können, kann das Beobachten gut ausgeführt werden.
Während der dritten Phase der Meditation muss die Beobachtung des
Gehens mit langsamerem Tempo erfolgen. Jetzt beobachten wir die
Empfindungen. Wenn wir z. B. unseren hinteren Fuß anheben, nehmen wir
eine Zugkraft wahr. Wie wir dies erfahren, ist davon abhängig wie klar und
scharf wir unser Ziel in diesem Prozess erfassen. Um es an einem Beispiel
zu verdeutlichen: Wie fühlen wir uns, wenn wir eine Tasche anheben?
Wenn die Muskeln anziehen, können wir normalerweise die Anspannung
des Hochhebens fühlen. Wenn die Tasche allerdings nicht so schwer ist,
fühlen wir nur den Hebemoment und nicht die Anspannung. Wir wählen
nicht aus, was wir empfinden. Wir richten unseren Geist auf das Objekt und
erlauben unserem Geist die Erfahrung aufzunehmen.
Beim Anheben des Fußes notieren wir im Geiste „Heben, Heben“ und
beobachten dabei die Hebeempfindung. Beim Vorwärtsschieben sagen wir
mental „Schieben, Schieben“ und beobachten die Schiebeempfindung. Die
Schiebeempfindung ist in etwa so, als wenn wir einen Einkaufswagen im
Supermarkt schieben. Wie fühlt sich dieses Schieben an? Natürlich mag es
sich ein wenig schwerer nach einem Essen anfühlen, aber wenn sich euer
Geist leicht fühlt, dann ist die Bewegung schneller und wir fühlen nur die
Schiebebewegung.
Wenn wir unseren Fuß ablegen, sagen wir mental „Ablegen, Ablegen“
und fühlen die Aufsetzempfindung. Es ist wieder wie das Ablegen unserer
Tasche ablegen. Auf welche Weise fühlen wir sie? Da ist eine Art von Ent-
spannungsgefühl. Wenn wir unseren Fuß ablegen und den Boden berühren,
können wir wieder die Fußsohle spüren. Wir verfolgen so jetzt jeden
Schritt. Und zwar beobachten wir die Abfolge von Empfindungsvorgängen,
die von der Wade bis zur Sohle beim Gehen auftreten. Diese Empfindungen
finden noch vor der Konzeptbildung statt. Dies ist die direkt zu beobach-
tende Realität.
Sitzmeditation
Nach der Gehmeditation machen wir in sitzender Haltung weiter. Wie
bei der Gehmeditation sollten wir zuerst entspannen. Dazu nehmen wir
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einen tiefen Atemzug. Entspannung ist eine der ersten Bedingungen, damit
Achtsamkeit entstehen kann. Nachdem wir entspannt sind und einen klaren
Geist haben, richten wir unsere Achtsamkeit auf die Bauchdecke. Wenn wir
ein- und ausatmen, gibt es eine durch die Atmung verursachte Bauch-
deckenbewegung. Wir nennen die Aufwärts- oder Aufbewegung das
„Heben“. Wir nennen die Abwärts- oder Abbewegung das „Senken“. Wenn
Anfänger diese Bewegung nicht gut erkennen können, können sie die
Hände auf die Bauchdecke legen oder dort falten.
Damit ihr die Bewegung besser spürt, nehmt ein paar tiefe Atemzüge.
Wenn die Bauchdecke sich hebt, sagt mental „Heben“ und wenn sie sich
senkt, sagt mental „Senken“. Wenn unser Geist denkt, schläfrig ist oder
stumpf, dann können wir die hebende oder fallende Empfindung überhaupt
nicht spüren. Wenn die hebende oder senkende Bewegung nicht da ist, heißt
das gewöhnlich, dass wir nicht achtsam sind. Es ist genauso wie in der
Gehmeditation, zuerst seid achtsam und dann folgt achtsam dem Objekt.
Wenn wir erst mal dem Heben und Senken mit Achtsamkeit folgen können,
wird die Konzentration aufgebaut.
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Wenn die Konzentration aufgebaut ist und wir jedem „Heben“ und
„Senken“ sorgfältig vom Anfang bis zum Ende folgen, können wir die
Empfindungen auch beobachten. Es ist wie das Beobachten des Auf und Ab
von Wellenbewegungen. Die Bewegung geht auf und ab gemäß ihren Be-
dingungen. Wir versuchen ihnen dann noch näher und präziser zu folgen,
als ob unser Geist immer näher an die Wellenbewegung geht – „Heben“
und „Senken“ – aufwärts und abwärts. Dann beobachten wir, wie die Be-
wegung Stück für Stück aufsteigt, bis sie stoppt und dann Stück für Stück
oder Moment für Moment wieder auf die gleiche Art und Weise absteigt.
Seid achtsam, folgt und beobachtet den Vorgang.
Wahrscheinlich sind wir nicht von Anfang an fähig, dem Objekt so
leicht zu folgen und mit ihm mitzugehen. Gewöhnlich „springen“ wir nach
einer Weile über das Objekt hinweg, weil unsere Achtsamkeit, also unser
Fundament, nicht stabil ist. Das heißt, dass Wellen von Gedanken kommen
und uns „wegplatschen“, und wir deshalb wieder in Gedanken verloren
sind. In dem Moment, wo wir wieder zu Sinnen kommen „Oh! Ich habe
gedacht! Mein Geist wanderte!“ sollten wir „Denken, Denken..., Bewusst,
Bewusst...“ notieren. Sobald wir wieder achtsam sind, hören die Gedanken
auf. Wenn wir mit den Gedanken mitgehen, gibt es kein Ende und wir
werden höchstwahrscheinlich die ganze Meditationsperiode denkend ver-
bringen. Wenn die Gedanken verschwinden, stabilisieren wir unsere Acht-
samkeit wieder und beobachten unser Objekt, wie es auf und ab geht.
Etwas anderes kann auch noch geschehen: dass wir zwar nicht unseren
Gedanken nachhängen, aber anfangen zu dösen und nicht wissen, was
gerade im Moment passiert. In dem Moment, wo wir zu uns kommen,
wissen wir: „Ah! Ich fühle mich schläfrig, schläfrig... Ich will wachsam
bleiben. Ich will wachsam bleiben...“. Wir öffnen unsere Augen, sind
bewusst und fangen von vorne an. Anfangs gibt es häufig Momente, in
denen wir denken oder dösen. Jedes Mal, sobald wir dies erkennen, müssen
wir unsere Achtsamkeit aufrütteln und die Bewusstheit zurück zum
„Heben“ und „Senken“ bringen. Mit mehr Übung werden wir fähig werden
achtsam zu bleiben, den Wellenbewegungen näher und präziser zu folgen
und sie zu beobachten.
Störungen während der Sitzmeditation
Während der Sitzmeditation können viele verschiedene Dinge ge-
schehen und Schwierigkeiten auftauchen. Viele Störungen warten auf uns,
wenn wir sitzen. Eine davon ist Schmerz. Wir geben uns aber nicht mit den
kleinen Schmerzen hier und dort ab. Wir machen einfach mit Notieren
„Heben, Senken“ weiter. Manchmal kann der Schmerz sehr intensiv
werden. Insbesondere wenn wir nicht gewohnt sind lange mit gekreuzten
Beinen auf dem Boden zu sitzen. Wenn der Schmerz sehr stark ist, ver-
lassen wir das Hauptobjekt („Heben“ und „Senken“). Wir schalten nun um
auf den Schmerz, oder wenn es stark jucken sollte, auf das Jucken um dann
damit die Achtsamkeit anzuregen. Das Prinzip ist dasselbe. Stellt sicher,
dass euer Geist klar, wachsam stabil und achtsam ist. Dann beobachtet den
Schmerz. Die Achtsamkeit ist nun auf den Schmerz gerichtet und beobach-
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tet ihn. Wir schauen und fühlen wie sich der Schmerz benimmt, ohne davon
beeinflusst zu werden. Wenn wir den Schmerz lang genug beobachten und
er dadurch weggehen sollte, kehren wir wieder zum „Heben“ und „Senken“
zurück. Wenn der Schmerz aber nicht weggeht und wir ihn nicht mehr aus-
halten können, dann verändern wir unsere Körperhaltung achtsam. Zuerst
strecken wir unsere Beine aus um sie dann wieder zurück in Position zu
bringen. Der Geist wird wieder ruhig und wir richten ihn von neuem auf das
„Heben“ und „Senken.“
Kurz zusammengefasst: stellt sicher, dass der Geist weder denkt noch
döst. Wenn dem aber so ist, müssen wir sofort versuchen, unsere Bewusst-
heit wiederzuerlangen. Bringt den Geist zum Meditationsobjekt z. B. zum
„Heben“ und Senken“ und bleibt dabei. Wenn der Schmerz klarer und
stärker wird, beobachten wir ihn so lange, bis wir ihn entweder nicht mehr
aushalten können, oder bis er von allein weggeht. Dann kehren wir wieder
zur Achtsamkeit auf das „Heben“ und „Senken“ zurück. Das Wichtigste ist
die klare Bewusstheit und die Achtsamkeit auf das gegenwärtige Gefühl
oder die Empfindung.
Hin und wieder ist das „Heben“ und „Senken“ der Bauchdecke nicht
wahrnehmbar. „Heben“ und „Senken“ ist nicht immer da und es verändert
sich auch. Es ist schnell oder langsam, lang oder kurz, manchmal wellen-
artig oder manchmal „anspannend.“ Wie eine Welle, die sich auch niemals
gleich ist. Ab und zu ist sie hoch, bisweilen niedrig oder sie ist hart und
manchmal sehr weich. Was auch immer für eine Empfindung erscheint, wir
versuchen ihr zu folgen und sie zu erfahren, so wie sie ist. Das ist das Trai-
ning der Achtsamkeit.
Sitz- und Berührungsmethode
Wenn das „Heben“ und „Senken“ nicht wahrnehmbar ist, gehen wir zu-
rück auf „Sitzen“ und „Berühren.“ Wir machen uns den Hintern bewusst,
der in Kontakt mit dem Kissen oder dem Boden ist und spüren die Empfin-
dungen dort. Während wir sie beobachten, sagen wir mental „Berühren,
Berühren...“. Zuerst spüren wir vielleicht gar nichts, aber wenn wir richtig
konzentriert sind und unseren Geist lange genug auf den Berührungspunkt
halten, kommt eine Serie von Empfindungswellen auf uns zu, die nun zu
unserem Hauptobjekt werden. Am Anfang werden wir wenig Gebrauch von
„Sitzen“ und „Berühren“ machen, weil wir das „Heben“ und „Senken“ fast
immer erkennen können. Wenn das „Heben“ und „Senken“ jedoch nicht da
ist, gehen wir zu „Berühren“ über und wechseln es mit „Sitzen“ ab, dass
heißt, dem Beobachten der Spannung am Rückgrat. Während wir also die
Empfindungen beobachten, notieren wir „Berühren, Berühren, Sitzen,
Sitzen, Berühren, Berühren...“.
Gewöhnlich müssen wir nicht sehr lange „Sitzen“ und „Berühren“ be-
obachten. Wenn „Heben“ und „Senken“ vorübergehend aufhört, gehen wir
eben nur für eine Weile zu „Berühren“ und kommen dann wieder zu
„Heben“ und „Senken“ zurück. Wenn das „Heben“ und „Senken“ für lange
Zeit verschwindet, beobachten wir - wie gesagt - mehr die Berührungs-
empfindungen am Hintern und den Beinen mit „Berühren, Berühren“, ge-
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folgt von der Spannung im Rückgrat mit„Sitzen, Sitzen“. Dann gehen wir
ebenfalls wieder zurück zu „Heben“ und „Senken“. Warum machen wir
das? Der Grund liegt in der Aufrechterhaltung unserer Kontinuität der
Achtsamkeit, der Ruhe sowie der klaren Bewusstheit. Das ist sehr nützlich
für uns. Gewöhnlich ist jemand nur kurze Zeit achtsam, es mangelt ihm an
Kontinuität und die Achtsamkeit ist nicht tief. Er ist nicht fähig einen anhal-
tenden Frieden und ein tiefes inneres Verständnis seiner selbst zu erzeugen.
Wenn wir erst einmal trainiert sind diese Art der klaren Bewusstheit auf-
rechtzuerhalten, wird das innere Verstehen länger und tiefer andauern. Im
weiteren Verlauf wird aus dem tiefen Verstehen Einsichtswissen werden,
das unseren Geist reinigen wird und uns befriedigendes Glück schenken
kann.
Achtsamkeit
Man mag schon viele Male über vipassanā gelesen haben und sich
trotzdem unsicher fühlen, ob man nun achtsam ist oder nicht. Achtsamkeit
ist ein geistiger Zustand, der oft als „Gründlichkeit“,„Wachsamkeit“ oder
„Bewusstheit“ beschrieben wird. Achtsamkeit ist eigentlich eine Form des
Wissens und sollte vom normalen Wissen unterschieden werden. Ein Irrer
weiß auch von Dingen auf seine Weise, aber er ist weit davon entfernt acht-
sam zu sein. Achtsamkeit kann nicht auftreten, wenn es Gier, Zorn oder
Wahn gibt. Wenn man achtsam ist, gibt es zu diesem Zeitpunkt der Acht-
samkeit weder Gier, Zorn, noch Wahn. Ein achtsamer Mensch hat seinen
Geist vollständig unter Kontrolle und ist in der Lage jede Situation, in der
er sich befindet, gut zu handhaben.
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Während der Meditation muss man ein Objekt nicht nur erkennen,
sondern muss es achtsam erkennen. Ein gutes Beispiel dafür ist der Unter-
schied zwischen dem reinen Tolerieren von Schmerz und dem achtsamen
Beobachten. Es hat sich herausgestellt, dass ein ständiges Drillen oder Ein-
üben dieses Punktes in einem Retreat notwendig ist.
Ein anderer Fehler ist es, zu versuchen verhärtet achtsam zu sein. Ein
Meditierender kann so besessen sein von dem Versuch achtsam zu sein,
dass er sich ständig sorgt, ob er achtsam ist oder nicht. Wenn solche Span-
nungen oder Störungen auftreten, können wir sicher sein, dass die Dinge
nicht richtig laufen. Entspannung oder besser entspannte Achtsamkeit ist
die Antwort. Manchmal kann eine „Sich–nicht–mit–diesem-Problem-
abgeben -Haltung“ (ob achtsam oder ob nicht) helfen, diese Spannungen zu
lösen. Mit anderen Worten, gebt der Achtsamkeit Zeit sich allmählich und
natürlich zu entwickeln.
Noch ein anderer üblicher Fehler besteht darin über die Achtsamkeit
Konzentration zu legen. Wenn man aber ohne Achtsamkeit konzentriert ist,
entsteht falsche Konzentration, die euch schädigen kann. Was ich hier
betonen möchte ist, dass man zuerst die korrekte Methode verstehen muss,
bevor man meditiert.
Wenn man sich ohne korrektes Verständnis der Methode antreibt, zeigt
dies einen Mangel an Achtsamkeit und ein zwanghaftes Temperament.
Öfter Gehmeditation praktizieren, anstatt zu sitzen, ist gewöhnlich für
den Anfänger mehr zu empfehlen. Die Sitzmeditation darf natürlich auch
nicht hinausgezögert werden. Es ist einfacher während des Gehens achtsam
zu sein, da die Objekte gröber und leichter zu beobachten sind. Beim Sitzen
gibt es eine Tendenz zu denken oder daran anzuhaften Konzentration zu
erlangen. Der Meditierende muss sich immer daran erinnern, dass Acht-
samkeit die höchste Priorität hat.
Während der Meditation muss man versuchen nicht zu denken. Um die
Wahrheit direkt zu erfahren, darf man keine Ideen oder Spekulationen
darüber haben. Die Wahrheit kann nur durch reine aufnehmende Aufmerk-
samkeit verstanden werden. Wenn aber doch gedacht wird, sollte es in der
korrekten Art behandelt werden (ich erkläre es später unter cittanupassanā).
Wenn man ohne zu denken achtsam ist, heißt das, dass man sich nicht
gleichzeitig mit der Vergangenheit oder der Zukunft befassen kann. Acht-
samkeit kann nur in der Gegenwart wohnen, im gegenwärtigen Ereignis der
Erscheinungen, deren spezifische Charakteristika wie Härte, Hitze etc.
direkt erfahren werden.
All dies kann in einem Satz zusammengefasst werden:
„Man sollte achtsam sein, die pure Aufmerksamkeit auf die gegenwärtig
erscheinenden Phänomene gerichtet, die dem Geist als spezifische
Charakteristika erscheinen.“
Es gibt viele Charakteristika (Kälte, Hitze, Härte, Weichheit, Vibration
etc.), die im Laufe einer Meditationsstunde erfahren werden. Mit erhöhter
Achtsamkeit erfährt man ihre gegenseitigen Beziehungen. Dies führt dann
zur direkten Erfahrung der drei Daseinsmerkmale, dukkha, anicca und
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anattā (Leiden, Veränderlichkeit und Nicht-Selbst). Das Endresultat ist die
Eliminierung der Befleckungen und damit die Eliminierung des Leidens.
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30
Berühren
Man beobachtet den Ort, wo der Hintern und die Beine im Kontakt mit
dem Sitz sind. Auf die Art können einige Berührungspunkte wahrge-
nommen werden.Man kann diese Berührungspunkte nun systematisch be-
obachten um die Konzentration zu erhöhen. Die mit dem Beobachten ver-
brachte Zeit eines Punktes variiert mit dem geistigen Zustand und der Klar-
heit des Objektes. Je klarer das Objekt, umso länger kann man es beobach-
ten. Wenn es undeutlich oder man selbst schläfrig ist, dann muss man sich
schneller von einem zum anderen Objekt bewegen. „Berühren“ wird ab-
wechselnd mit „Sitzen“ notiert. Wie auch bei anderen Objekten, beobachten
wir tatsächlich die Eigenschaften der entstehenden und vergehenden Ele-
mente, wenn wir „Berühren“ notieren.
Heben und Senken
Bei der Sitzmeditation wird dem Anfänger gelehrt, auf das „Heben“ und
„Senken“ der Bauchdecke zu achten. Das „Heben“ und „Senken“ könnte
man als Fenster betrachten, durch das wir mehr und mehr Details erkennen.
Es wird gelehrt, dass, wenn man das Heben und Senken beobachtet, man in
Wirklichkeit das sich durch Bewegung ausdrückende Windelement erfasst.
Aber man beobachtet auch viele andere Dinge. Es wird auch gesagt, dass
man mit dem Beobachten des „Hebens“ und „Senkens“ der Bauchdecke
anfangen soll. Wir sollen deswegen mit dem Beobachten des „Hebens“ und
„Senkens“ beginnen, weil es uns dabei hilft, Konzentration zu entwickeln,
aber auf keinen Fall sollte man mit Festhalten oder Kontrolle daran an-
haften (z. B. durch unnatürliche Atmung). Das „Heben“ und „Senken“ ist
dann nicht konstant und es kann beim Beobachten verschwinden. Wenn das
geschieht, schaltet man auf ein anderes „Fenster“ um.
Eine häufige Frage ist, warum man nicht die Atmung am Berührungs-
punkt der Nase oder der Lippen statt der Bauchdecke beobachten sollte?
Das Beobachten des Atems an den Nasenlöchern sei bekannt dafür,
Konzentration zu erzeugen. Ein Meditationslehrer lehrte, das nama-rūpa
(Geist und Materie) einfacher wahrgenommen werden kann, wenn man das
„Heben“ und „Senken“ der Bauchdecke beobachtet. Die Atmung, notiert an
der Bauchdecke, ist eindeutig gröber als an der Nasenspitze. Die drei Da-
seinsmerkmale des Leidens, der Veränderung und des Nicht-Selbst treten
auch klarer in Erscheinung. So wird „Rechte Konzentration“, die hier
momentane Konzentration ist und auf die Realitäten zielt, entwickelt, also
Konzentration mit vorherrschender Achtsamkeit. Noch einmal, Visuali-
sierungen, Zählen oder kontrolliertes Atmen sind hier nicht erlaubt.
Vipassanā bedeutet die Realitäten zu beobachten.
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32
Gehen
Anfängern wird gewöhnlich geraten mehr zu gehen als zu sitzen. Ein
Lehrer sagt, dass vor jeder Sitzperiode eine Gehmeditation gemacht werden
sollte. Er wies auch darauf hin, dass Arahatschaft allein durch Gehmedita-
tion erreicht werden kann. Meditierende haben bestätigt, dass sie nach einer
guten Gehmeditationsperiode eine bessere Sitzmeditationsperiode haben.
Man darf die Bedeutung der Gehmeditation nicht unterschätzen. Nur zu
sitzen und das Gehen zu vernachlässigen, macht einen zu einem Lahmen,
der auf nur einem Bein geht. Gehen dient vielen Zielen beim vipassanā.
Erstens ist man nicht in der Lage die ganze Zeit zu sitzen und außerdem
überbrückt achtsames Gehen große Perioden von Unachtsamkeit. Auf die
Kontinuität der Achtsamkeit muss grundsätzlich geachtet werden, weil
sonst die benötigte Konzentration, um Einsicht zu entwickeln, nicht ent-
stehen kann.
Aber auch Gehmeditation selbst ist vipassanā bhāvanā (Entwicklung
von Einsicht). Jeder Schritt wird im Detail beobachtet. Es ist der Geist, der
das Gehen lenkt. „Es gibt niemanden, der geht...“ Diese Erkenntnis kommt
später von selbst und auf natürliche Weise, wenn der Meditierende ge-
wissenhaft die immer wieder verschwindenden Erscheinungen der körper-
lichen und geistigen Prozesse notiert. Gehen hat auch andere Objekteigen-
schaften als die Sitzübung. Die Objekte der Gehmeditation sind gröber und
variieren stärker; so ist es leichter Achtsamkeit aufzubauen. Die
Gehmeditation fungiert auch als kraftvoller Ausgleichsfaktor um den Geist
auf die Vipassanā-Meditation zu lenken statt samatha (Ruhemeditation) zu
fördern. Beim Gehen wird auch „Umdrehen“, „Sehen“, „Hören“, „Be-
absichtigen“ etc. notiert und dehnt damit die Übung der Achtsamkeit in
unseren Alltag aus.
In der Gehmeditation wird eine ansteigende Zahl an Phasen notiert um
dadurch die Achtsamkeit und Konzentration zu steigern. Es wird geraten
genau so viele Phasen zu notieren, dass es sich noch angenehm anfühlt und
nicht mehr. Man sollte vorsichtig sein und nicht den Wagen vor die Pferde
spannen. Achtsamkeit ist wichtiger als die Anzahl der notierten Phasen.
Wenn erst mal die Achtsamkeit aufgebaut ist, wird das Gehen durch das
Beobachten von mehr Phasen, oder besser gesagt mehr Erscheinungen, ver-
langsamt. Der Anfänger, der zu langsam zu gehen versucht, kann sehr ver-
spannt enden, weil er versucht etwas zu beobachten, was er nur schwer
empfinden kann.
Jeder Meditierende sollte seine Gehübung mit schnellen Schritten
beginnen. Schnelles Gehen hilft dem Geist sich an das neue Objekt zu ge-
wöhnen. Es trainiert auch die Gliedmaßen und überwältigt Müdigkeit. Dann
aber wieder gibt es solche, die es übertreiben, indem sie schneller als not-
wendig und zu lange gehen. Sie können dadurch vollständig abgelenkt und
erschöpft sein. Gerade schnell genug, um die Achtsamkeit aufzurütteln,
sollte der Tenor sein.
Wenn man in der Praxis voranschreitet, wird der Gehprozess als ein
Strom von Geist und Materie, der in schneller Abfolge vergeht, angesehen.
Das Gehen wird dann auf natürliche Weise sehr langsam.
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Die Gehmeditation sollte in entspannter, kräftiger Art, abhängig davon,
ob überschüssige Energie da ist oder fehlt, ausgeführt werden. Hier kommt
nun auch das Balancieren der Fähigkeiten ins Spiel.
Andere Erscheinungen, die während des Gehens beobachtet werden,
sind Geräusche, Schmerz, Absicht, Sehen und Hören. Man hält an um sie
zu notieren, wenn sie andauernd und dominant sind.
Stehen
Das „Stehen“ wird während des Gehens notiert und zwar vor dem An-
fang und nach dem Ende des Gehens. Das Notieren „Stehen“ (die aufrechte
Haltung) kann man auch mit „Berühren“ durch den Bodenkontakt der Fuß-
sohlen abwechseln. Ein anderer Lehrer bemerkt dazu, dass Stehen selten für
lange Zeit gemacht wird, weil es eine Menge Energie verlangt. Wieder ein
anderer sagt, dass es speziell für Frauen und Kinder nicht für lange Zeit
empfohlen wird, weil man hinfallen könnte, wenn samadhi (Konzentration)
einen traumähnlichen Zustand induziert und die Knie „weich“ werden. Die
Lehrer sagen, dass auch ein Schaukeln des Körpers entstehen kann und der
Meditierende dadurch Furcht vor dem Hinfallen erlebt. Stehen wurde
jedoch für gut befunden für diejenigen, die sehr schläfrig sind. Ich persön-
lich habe noch niemanden getroffen, der hingefallen wäre. Stehen mit
geringfügig getrennten Füßen verbessert die Stabilität. Wir können unsere
Achtsamkeit vom Kopf bis zu den Zehen auskehren oder die stärkste
Empfindung aufnehmen und dabei verbleiben. Manchmal kommt das
„Heben“ und „Senken“ zurück und wird notiert.
Liegen
Diese Haltung wird normalerweise in ernster Praxis vermieden, weil sie
meist mit Einschlafen endet. Wenn aber jemand sehr achtsam in dieser Stel-
lung ist, kann man tatsächlich wach und wachsam bleiben und es endet
nicht mit Schlaf. Wenn man zu schlafen beabsichtigt, macht man die
Liegemeditation mit allgemeinerer und oberflächlicherer Achtsamkeit. Als
Liegehaltung wird die „Löwenhaltung“ empfohlen. Mit dem Körper zur
rechten Seite gewandt. Dies wird dem Liegen auf dem Rücken oder der
anderen Seite vorgezogen, obwohl beide Haltungen auch nicht verboten
sind.
Liegen wird genauso achtsam gemacht. Man notiert „Liegen“, „Be-
rühren“ und wenn „Heben“ und „Senken“ erkennbar ist, notiert man
„Heben“ und „Senken“. Wenn Freude aufkommt, notiert man „Freude.“
Das macht man auch so mit „Denken“, „Hören“, „Schmerzen“ etc. Wenn
man sehr gut ist, kann man tatsächlich den Geist in den Schlaf fallen sehen
oder ihn beim Aufwachen beobachten. Die liegende Haltung ist sehr an-
genehm und führt deswegen zum Schlaf. Energie ist normalerweise nicht
vorhanden.
Alltägliche Handlungen
Das SatipaSShāna-Sutta erwähnt einige wichtige Alltagshandlungen wie
essen, kauen, zur Toilette gehen, Kleidung tragen, sprechen oder schwei-
gend verbleiben und nach vorn oder weit weg schauen.
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Der Geist muss trainiert werden, immer und in allen Lebenslagen acht-
sam zu sein. Nur dann wird er kraftvoll, durchdringend und nützlich. Immer
heißt kontinuierlich. In allen Lebenslagen heißt Flexibilität. Es gibt keine
Zeit, in der Achtsamkeit nicht entwickelt werden kann. So kann Einsicht
jederzeit entstehen.
Gute Achtsamkeit in den alltäglichen Handlungen zu versäumen,
schränkt die Nützlichkeit stark ein. Es hindert uns auch, unsere spirituellen
und nichtspirituellen Beschäftigungen zu integrieren und zu balancieren.
Es gibt eine Menge Dinge in unseren alltäglichen Handlungen zu ent-
decken. Unser Versäumnis zeigt uns nur, wie unempfindlich und blind wir
den Dingen, die um uns herum geschehen und uns beeinflussen, gegenüber
sind. Kein Wunder, dass viele Hausleute es schwierig finden sich nach der
Arbeit zu konzentrieren und zu meditieren. Sie vernachlässigen diesen
wichtigsten Teil ihrer Praxis.
Die Achtsamkeit auf den Körper, sagt eine Sutte, ist das einzige, das ge-
lernt werden muss. Wenn wir sie perfektionieren, können wir die höchste
Freiheit erlangen.
35
wahre Natur zu erkennen.“ Auf diese Weise werden wir die Anhaftung
sowohl zum Körper als auch zu den Gefühlen los.
Manchmal geben die Leute auf, weil sie fürchten gelähmt zu werden
oder sonst ihre Gesundheit zu beeinträchtigen. Es haben jedoch viele
Meditierende über Stunden gesessen und niemand wurde je verkrüppelt
oder gelähmt. Diese Furcht ist tatsächlich unbegründet.
Wenn wir angenehme Gefühle beobachten, machen wir das auch um
ihre wahre Natur zu sehen, ihr Leiden oder ihr unbefriedigendes Merkmal.
Dieses Gefühl entsteht gewöhnlich, wenn Schmerz aufhört, oder wenn wir
auf ein angenehmes Objekt treffen. Wir müssen sehr achtsam sein, wenn
ein angenehmes Objekt auftaucht, sonst könnten wir es genießen und an
ihm anhaften. So wie Zorn dem schmerzhaften Objekt innewohnt, so ist
Anhaften dem angenehmen Objekt innewohnend. Es gibt einige Leute, die
erscheinende angenehme Gefühle fürchten, weil sie Angst davor haben,
dass sie anhaften könnten. Angenehme Gefühle selbst sind jedoch nicht
schädlich. Solange wir sie entsprechend notieren und nicht anhaften, sind
sie harmlos. Wenn wir achtsam sind, wird unsere Konzentration stärker.
Wovor wir uns hüten müssen ist Sorglosigkeit, die uns zu falscher Konzen-
tration oder - als kleinere Niederlage - zum Einschlafen führen könnte.
Es ist nicht leicht den Wechsel der angenehmen Gefühle zu sehen.
Wenn wir es können, werden sie sich normalerweise umwandeln zu etwas
weniger angenehmen oder vielleicht sogar zu neutralen Gefühlen. Da an-
genehme Gefühle vergehen, sind auch sie letztendlich unbefriedigend.
Neutrale Gefühle können gewöhnlich nur von fortgeschrittenen Meditie-
renden wahrgenommen werden. Nach Meinung eines Lehrers werden sie
nur ab der fünften Stufe der Einsicht, „dem Wissen von der Auflösung,“
notierbar. Auf dieser Stufe des Wissens fangen wir an die Konzepte aufzu-
geben und die wahre Bedeutung von dukkha (Leiden) offenbart sich. Im
Buddhismus begegnen wir manchmal dem Satz „Das Leiden der Gestal-
tungen“ (sankhāra dukkha), das Unbefriedigende an dem unaufhörlichen
Wechsel. Worte können diese Art des Leidens nicht beschreiben, da Worte
letztendlich nur Konzepte sind. Die Natur von sankhāra dukkha muss von
jeder Person selbst erfahren und verstanden werden. Wenn wir den unauf-
hörlichen Wechsel wirklich erfahren, werden wir auch den Frieden ver-
stehen und schätzen, der vom Stillstand herrührt.
38
wirrten Zustand des Bewusstseins bezüglich der vier edlen Wahrheiten oder
der drei Kleinodien.
In dieser Betrachtung kennt und notiert man nicht nur das Entstehen und
Vergehen der geistigen Faktoren, sondern auch die Bedingungen, die zu
ihrem Entstehen und ihrer Auflösung führen. Hier ist der Ort, wo wir ver-
stehen, ob unsere Aufmerksamkeit (zu einem Objekt) „unweise“ ist und
wann und wie wir „weise“ Aufmerksamkeit anwenden sollten. Diese Be-
trachtung der Achtsamkeit ist im Allgemeinen schwieriger und feiner als
die anderen drei Betrachtungen. Zum Beispiel sind das Bewusstsein mit
Sinnesbegehren und das Sinnesbegehren selbst nicht einfach zu trennen.
Normalerweise startet ein Anfänger nicht mit dieser Betrachtung oder
macht sie ausschließlich. Nur wenn er gut versiert in der Betrachtung der
anderen drei Pfeilern der Achtsamkeit ist, kann er feinere geistige Objekte
und Zustände des Bewusstseins bemerken. gemäß dem Kommentar passt
diese Betrachtung gut zu intellektuellen Menschen.
Grundlagen
Man beobachtet die sechs Sinnesgrundlagen (Sehen, Hören, Riechen
etc.) und ihre Objekte (Sehobjekt, Hörobjekt, etc.). Man beobachtet, wie sie
entstehen und vergehen und die Bedingungen, die zu ihrem Entstehen und
Vergehen führen.
Wenn wir „Sehen, Sehen“ notieren, benutzen wir das Wort „Sehen“ nur
als Etikett um uns bei der Beobachtung des Prozesses behilflich zu sein.
Was wir jedoch tatsächlich sehen, ist die Farbe (des Sehobjektes). Die Ge-
stalt, Form und auch alle weiteren Ideen, die folgen, sind eigentlich Kon-
zepte, die der Geist entwickelt. Durch das bloße Notieren „Sehen, Sehen“
verwischen die mit dem Objekt verbundenen Formen und Ideen und wir
beobachten nur eine Wechselwirkung von Farben und Helligkeit. Durch
diesen Vorgang können wir uns auch des Sehbewusstseins bewusst werden,
welches nur ein Bewusstsein ist, das Farben sieht, kein Lebewesen oder
Selbst.
Dasselbe kann vom Hören eines Geräusches, Riechen eines Geruches,
Schmecken von Essen, Berühren von Tastobjekten, Wissen und das Ge-
wusste gesagt werden.
Warum notieren wir normalerweise „Hören, Hören“ anstatt „Geräusch,
Geräusch?“ Das wird gemacht, weil ein Geräusch gewöhnlich periodisch
und unterteilt ist und es deshalb schwierig ist ihm zu folgen. Der Versuch es
zu „fangen“ führt nur zur Verwirrung und das hilft uns nicht zur Entwick-
lung von tiefer Konzentration. Durch Notieren von „Hören, Hören“, das
heißt, durch reines bewusstes Hören (des Geräusches) am Ohr selbst statt
„außerhalb“, neigen wir dazu den Geist nach innen zu wenden und ihn
damit beherrschter zu machen. Aber in einigen Fällen können wir auch
„Geräusch, Geräusch“ notieren. Zum Beispiel, wenn das Geräusch laut,
andauernd und unvermeidbar ist. In solchen Fällen haben wir kaum eine
Wahl außer das Geräusch zu notieren und seine Veränderlichkeit zu be-
obachten.
39
Beim Notieren der Sinnesgrundlagen und ihrer Objekte, muss man
bloße Aufmerksamkeit bewahren und sich vor auftauchenden Konzepten
hüten. Dies wird klar betont im Rat von Buddha an Bahiya: „So Bahiya
solltest du dich üben: Beim Sehen darfst du nur das Gesehene sehen. Beim
Hören nur das Gehörte. Beim Spüren (bei Geruch, Berührung, Geschmack)
nur das Gespürte. Beim Denken nur das Gedachte.“
Achtsamkeit dieser internen und externen Grundlagen reißt unsere An-
sicht von einem Selbst auseinander. Wir erkennen, dass es kein Lebewesen,
kein Selbst oder jemanden gibt, der dahinter steht. Es sind nur Prozesse.
Diese detaillierte Betrachtung ist besonders für die Einsichtsentwicklungs-
praxis von anattā (Nicht-Selbst) im Alltag relevant.
Normalerweise steigen Befleckungen und Fesseln durch die Sinnestore
auf. Das passiert oft im Alltag, wenn es uns an Achtsamkeit, die „Sehen,
Hören“ und alles Weitere notiert, mangelt. Deshalb haben wir auch die Be-
fleckungen, die abhängig von den Sinnestoren entstehen, zu notieren.
Daseinsgruppen
Es gibt fünf Daseinsgruppen:
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Wahnvorstellung der Ansichten aufgegeben wird, werden die Befleckungen
zusammen mit der Leidensmasse eliminiert werden.
Die Betrachtung der sieben Erleuchtungsfaktoren
Diese sieben Faktoren, Achtsamkeit, (durchdringende) Wahrheits-
ergründung, Energie, Freude, Gestilltheit, Konzentration und Gleichmut
sind heilsame geistige Zustände, die zum nibbāna führen. Diese erscheinen
erst klar, wenn man das vierte Einsichtswissen erreicht hat. Es sind keine
Objekte für den Anfänger. Wenn diese Faktoren am Anfang entwickelt
werden, könnten wir an ihnen anhaften wegen ihrer friedvollen und in-
spirierenden Effekte. Achtsamkeit über ihre An- oder Abwesenheit wird
uns deshalb vor solchen Anhaftungen bewahren. Sie können unsere Praxis
nicht nur verzögern, sondern auch zerstören. Freude, Gestilltheit, Konzen-
tration und Gleichmut zum Beispiel, können uns sorglos und nachlässig mit
unserer SatipaSShāna-Praxis werden lassen. Unachtsamkeit beispielsweise,
wenn der Weisheitsfaktor auftaucht, kann bei uns Stolz verursachen.
Die Achtsamkeit auf diese Faktoren kann auch die Fähigkeiten aus-
balancieren. Insbesondere gilt das für die Fähigkeiten Energie und Konzen-
tration. In den Sutten wird erzählt, dass bei Trägheit es angesagt ist,
Energie, Freude und Wahrheitsergründung zu entwickeln. Wenn wir jedoch
aufgeregt sind, sollten wir Ruhe, Konzentration und Gleichmut entwickeln.
Achtsamkeit wird hingegen immer benötigt. Achtsam auf diese Faktoren zu
sein, wie sie entstehen und vergehen, ist die Praxis der Einsichtsentwick-
lung selbst. Mit kontinuierlicher Praxis können die Erleuchtungsfaktoren
sich vollständig entwickeln und uns befähigen Einsicht zu erlangen.
Wahrheiten (sacca)
Dies bezieht sich auf die „vier edlen Wahrheiten“. Dem Leiden, seiner
Ursache, seines Aufhörens und des Weges, der zum Aufhören des Leidens
führt. Leiden ist das, was wir verstehen müssen (also seine Natur). Die
Ursache (das Begehren) ist das, was wir aufgeben müssen und das Auf-
hören des Leidens muss durch Entwicklung des Pfades realisiert werden.
„Leiden“ ist eine Übersetzung des Pali-Begriffes dukkha. Einige bevor-
zugen es, dukkha mit Nicht-Zufrieden-Stellen-Können oder mit Unvoll-
kommenheit zu übersetzen. Gemäß dem anattālakkhana sutta, wonach das,
was unbeständig ist, leidbehaftet ist und das, was leidbehaftet ist, nicht ein
Selbst sein kann, ist man, wenn man achtsam auf die Unbeständigkeit ist,
gleichzeitig achtsam auf das Leiden. So, und was ist nun dieses Leiden?
Geist und Materie sind es, die alle körperlichen und geistigen Erschei-
nungen außer dem nibbāna beinhalten, die unbeständig folglich also Leiden
sind. Wir sollten deswegen alle körperlichen und geistigen Vorgänge in
ihrem Entstehen und Vergehen notieren.
Wenn Begehren oder Befleckungen entstehen, welche die Ursache des
Leidens sind, sollten wir sie achtsam notieren. Wenn wir das tun, werden
wir sehen, wie sie verschwinden. Da wir so die drei Daseinsmerkmale der
Unbeständigkeit, Leidhaftigkeit und des Nicht-Selbst erkennen, entwickeln
wir auch die Faktoren des edlen achtfachen Pfades, bis wir selbst das voll-
kommene Erlöschen des Leidens erfahren.
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Diese edlen Pfadfaktoren sind:
1. Rechte Ansicht
Das Verstehen des Ursprungs und der Auflösung der Erscheinungen
während des Notierens
2. Rechte Gedanken
Das Richten des Geistes auf das Vipassanā-Objekt
3. Rechte Sprache
Abstehen von falscher Rede (während der Praxis)
4. Rechte Tat
Abstehen von falschen Taten (während der Praxis)
5. Rechter Lebenserwerb
Abstehen von falschem Lebenserwerb (während der Praxis)
6. Rechte Anstrengung
Die aufgebotene Anstrengung beim Notieren
7. Rechte Achtsamkeit
Die Achtsamkeit während des Notierens
8. Rechte Konzentration
Die gehütete Konzentration während des Notierens
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4. Achtsamkeit auf den Körper
(kāyanupassanā)
Während der Sitzmeditation achten wir auf das „Heben“ und „Senken“
der Bauchdecke. Anfängern fällt es oft sehr schwer ihren Geist auf das
„Heben“ und „Senken“ der Bauchdecke zu fixieren, weil sie es nicht ge-
wohnt sind. Es könnte euch deshalb helfen, wenn ihr eure Hände auf die
Bauchdecke legt und fühlt, wie sie auf und ab geht oder sich hebt und sich
senkt. Je geringer eure die Hemmungen sind, desto besser könnt ihr den
Bewegungen folgen.
Erwartet nicht, dass das „Heben“ und „Senken“ immer konstant ist. Es
ist nicht so leicht dieses Objekt zu beobachten. Häufig ist es sogar schwer
zu fassen. Es kommt und es geht. Manchmal ist es schnell, manchmal lang-
sam. Manchmal ist es da und manchmal nicht.
Euer Ziel ist nicht das „Heben“ und „Senken“ zu kontrollieren. Euer
Ziel ist es die Erscheinungen zu beobachten und ihnen zu folgen. Das
„Heben“ und „Senken“ ist das Windelement, vayo dhātu. Hier ist vayo
dhātu das dominante der vier Elemente (Erde, Wasser, Feuer, Wind). Es hat
die Eigenschaft der Spannung, Vibration und der Bewegung.
Das Wahrnehmen der Realität
Die Hauptsache ist Achtsamkeit um die entstehenden Erscheinungen
wahrzunehmen. Es mag euch helfen, wenn ihr zum Beispiel eure Hände
sehr fest zusammendrückt um dort etwas Spannung zu produzieren. Wenn
ihr die Idee einer Hand beiseite legt, bemerkt ihr die Spannung. Dann
lockert den Griff und fühlt wie die Empfindung der Entspannung ist.
Nun legt bitte das Konzept oder die Idee einer Hand beiseite und bewegt
eure Hand schnell hoch und runter. Dann achtet nur auf die Empfindung der
Bewegung. Das ist das Windelement – das Element der Bewegung. Es hat
keine Farbe, keine Form. Es ist nur eine Empfindung. Das sollte man sich
vollkommen klar machen.
In den folgenden Erscheinungen werden die anderen Elemente offenbar.
Die Erfahrung von Hitze oder Kälte ist das Feuerelement. Oft spürt ihr auch
Weichheit oder Härte. Das ist das Erdelement und sie alle sind verbunden
mit Hilfe von Kohäsion. Das ist das Wasserelement.
Wenn ihr die Elemente wahrnehmen könnt, werden sie als Nächstes in
ihrem Entstehen und Vergehen - vom Anfang des Entstehens, bis es aufhört
- beobachtet. Ihr erkennt, dass die Elemente nur Prozesse sind. Sie fließen
und eure Achtsamkeit sollte mit ihnen fließen. Je achtsamer ihr seid, desto
mehr seid ihr euch der Prozesshaftigkeit bewusst.
Sie erscheinen, wie wir sagen, von Moment zu Moment. Doch das wird
nicht sofort erfahren. Am Anfang nehmen wir die Konzepte der Formen
wahr. Das ist so, weil unser Geist gewohnt ist an Konzepten festzuhalten.
Mit anderen Worten, wir sind einfach sehr an die Körperform, Bauchform,
wer wir sind, was wir sind etc., gewöhnt.
Um mittels der Achtsamkeit die Realität wahrzunehmen, müsst ihr alle
Konzepte beiseite legen, inklusive der Idee des „mir“ oder „mein“, des
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Körpers, der Körperform etc. Folgt nur dem Fluss der Prozesse, der
Empfindungen. Das ist im Wesentlichen die Vipassanā-Praxis. Den Geist
zu trainieren, bis ihr das richtig könnt.
Am Anfang fühlen wir noch die Körperform, so wie auch die Gestalt
des „Hebens“ und „Senkens“. Das kann man nicht vermeiden, da die Ge-
dankenprozesse sie noch erzeugen. Doch wenn ihr erst fähig seid daraus das
Wesen der Bewegung herauszufiltern, dann taucht ihr tiefer in die Bewusst-
heit der Realitäten oder der natürlichen Phänomene und der drei Daseins-
merkmale.
Während des Gehens und eurer anderen Aktivitäten im Alltag wird das-
selbe mit all den anderen Objekten gemacht. Eine weitere Sache, die man
nicht vergessen darf, ist, dass das „Heben“ und „Senken“ der Bauchdecke
nicht immer wahrnehmbar ist. Die Elemente sind allerdings immer da. Sie
entstehen und vergehen von Moment zu Moment.
Das Anwenden von Sitzen und Berühren
Wenn ihr die Gefühle in der Bauchdecke beobachtet und sie gut spürbar
sind, könnt ihr die Empfindungen dort gut wahrnehmen. Manchmal jedoch
werden sie sehr subtil und können von euch nicht mehr beobachtet werden.
Um aber die Kontinuität der Achtsamkeit zu erhalten, müsst ihr stattdessen
dann „Sitzen“ und „Berühren“ beobachten. „Sitzen“ und „Berühren“ wird
oft nicht ausreichend erklärt. Deshalb möchte ich ein wenig mehr darüber
sprechen.
Im Allgemeinen, wenn wir „Sitzen“ und „Berühren“ sagen, bezieht es
sich auf eine Reihe von Körper- und Geistprozessen, die die Sitzposition
aufrechterhalten. Meiner Ansicht nach gehört das „Sitzen“ mehr zu den
inneren Kräften, also zu den Muskeln und Knochen. Das „Berühren“ gehört
mehr zur Oberfläche des Körpers.
Als Anfänger könnt ihr das natürlich nicht sofort sehen. Ihr beobachtet
zuerst das, was euch am Offensichtlichsten ist. Haltet es einfach, beobachtet
nur jeweils ein „Sitzen“ und ein „Berühren“. So seid ihr euch der ganzen
Art und Weise des Sitzens bewusst. Das am leichtesten Erkennbare beim
„Sitzen“ ist die Starrheit um das Rückgrat und die Taille. Und beim „Be-
rühren“ ist es der Kontakt mit dem Hintern am Kissen.
Nochmals, die Idee ist nicht nur „Sitzen“ und „Berühren“ zu notieren,
sondern die Empfindungen betreffend „Sitzen“ und „Berühren“ regelmäßig
zu fühlen, also nicht zu langsam oder zu schnell, sobald das „Heben“ und
„Senken“ für eine längere Zeit aufhört. Wenn es kein „Heben“ und
„Senken“ mehr gibt, solltet ihr die Berührungspunkte erhöhen. „Berühren“
an den Beinen, den Händen und so weiter in systematischer Reihenfolge. So
kommt das „Heben“ und „Senken“ gewöhnlich zurück.
Das Wichtigste ist aber die Kontinuität der Bewusstheit und die Obser-
vation. Das „Sitzen“ und „Berühren“ ist zwar selbst eine Meditation, jedoch
hat sie gewisse Nachteile. Sie tendiert dazu, dass man zerstreuter und diffu-
ser ist und die Konzentration sich deshalb langsamer entwickelt. Aber sie
hat auch einen Vorteil, und zwar ist sie konstanter und stabiler wahrnehm-
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bar. Deshalb dient sie als gutes Back-Up-System zum „Heben“ und
„Senken“.
Wenn eure Konzentration schließlich gut aufgebaut ist, werdet ihr nur
das „Sitzen“ und „Berühren“ beobachten. Das heißt, ihr beobachtet nichts
weiter als die vier Elemente, wie sie entstehen und vergehen. Wenn ihr das
richtig könnt, werdet ihr keine Probleme mehr haben ein Objekt richtig zu
betrachten.
Gehmeditation
Lasst uns jetzt über Gehmeditation sprechen. Es wurde schon ausrei-
chend über schnelle und moderate Gehmeditation, um die Achtsamkeit auf
die Schritte zu entwickeln, gesprochen.
Hier werden wir jetzt die „langsame“ Gehmeditation auf einem tieferen
Level untersuchen. Ich habe schon angemerkt, dass Gehmeditation sehr oft
nicht allzu ernst genommen wird. Yogis halten Gehmeditation für eine vor-
bereitende Praxis oder Aufbaupraxis für die Sitzmeditation. Das ist aber
nicht der Fall. Man sollte auf beides, die Geh- und die Sitzmeditations-
technik, den gleichen Wert legen.
In den Schriften gibt es Geschichten, die erzählen, wie Mönche während
der reinen Gehmeditation erleuchtet wurden. Deshalb müssen wir genug
Anstrengung für unsere Gehmeditation aufbringen, damit sie uns zu einem
Stadium tiefer Konzentration führt. Dies ist gewöhnlich nicht so leicht zu
erreichen.
Wie macht man nun langsame Gehmeditation? Es gibt ein paar einfache
Regeln, mit denen man anfängt. Zuerst sollte der Körper entspannt sein.
Auf keinen Fall gespannt. Wenn ihr verspannt seid, könnt ihr nicht richtig
achtsam sein und deshalb nicht richtig all den Objekten folgen. Zweitens,
um achtsam und langsam zu gehen, sollte euer Gang stabil sein. Wenn ihr
wankt, könnt ihr euch nicht richtig konzentrieren, da euer Geist nicht in
Ruhe ist. Deshalb hilft es, wenn ihr flache und kurze Schritte macht. Wenn
die Schritte kurz und flach sind, braucht ihr keine Angst haben hinzufallen.
Drittens, der Geist sollte zwar sehr entspannt sein, aber noch in einem
konzentrierten Zustand. Um dies zu realisieren, muss man lernen, wie man
Konzentration aufbaut. Bewegt dazu den Geist in einem Tempo, dem ihr
problemlos folgen könnt. Das heißt, geht so langsam wie möglich, damit
tiefe Konzentration entstehen kann, aber nicht zu langsam, sodass ihr
immer mehr Bewegungsempfindungen spüren könnt. Das Schritttempo
muss schnell genug sein um die Empfindungen fühlen zu können.
Stellt also sicher, dass die Empfindung da ist. Nicht so, als wenn ihr nur
denkt sie wäre da: „sie mag da sein, aber ich bin nicht sicher. Jetzt ist sie da,
jetzt ist sie nicht da“. Wenn ihr euch der Empfindung nicht sicher seid,
werden die Kontinuität des Objektes und der Fluss unterbrochen. So baut
sich die Konzentration nicht auf. Aber wenn ihr das Objekt fassen könnt
und es weiter verfolgt, dann fließt die Achtsamkeit mit dem Objekt und den
Empfindungen und ihr sperrt den Geist auf dieser Stufe der Konzentration
ein.
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Wenn ihr dieses Stadium erreicht habt, scheint es, als würden die Füße
von selbst gehen und ihr könnt selbst dann, wenn ihr es wollt, nicht schnel-
ler gehen. Jetzt gibt es keine Probleme mehr den Fußschritten zu folgen.
Die Anstrengung kann nun langsam mehr und mehr dazu verwandt werden
den Empfindungsstrom aufzunehmen.
Jede Konzentrationsstufe kann immer nur ein ihr entsprechendes Maß
an Empfindungen aufnehmen. Deshalb solltet ihr bei verbesserter Konzen-
tration langsamer aber trotzdem gleichmäßig weitergehen. Entspannt euch
jetzt noch mehr und seid friedvoller, damit euer Geist empfindlich genug ist
den feineren Empfindungsfluss aufzunehmen.
Wenn ihr diese Konzentration halten könnt, ist Gehmeditation kein
Problem mehr für euch. Ihr seid nun in samādhi. Es ist sehr friedvoll und
ruhig und die Zeit scheint vorbeizufliegen. Wenn ihr nun mit der Geh-
meditation fertig seid, könnt ihr mit der Sitzmeditation fortfahren und auch
damit, eure Bewusstheit zu halten. Normalerweise dauern die Sitz- und
Gehmeditationen ungefähr jeweils eine Stunde, immer abwechselnd. Bei
fortgeschrittenen Studenten habe ich festgestellt, dass es besser ist die Geh-
und Sitzmeditationsperioden zu verlängern.
Vorausgesetzt ist, dass sie fähig sind Konzentration zu erlangen und
dass der Körper gesund und stark genug ist. Wenn ein Yogi diese Konzen-
tration verlängern kann, dann werden die fünf Fähigkeiten sehr stark ent-
wickelt und im Moment des Niedersetzens folgen und sinken diese Fähig-
keiten in die neuen Objekte beim Sitzen.
Die Ernsthaftigkeit der Gehmeditation und anderer alltäglicher Aktivi-
täten
Die Wichtigste ist, dass man die Gehmeditation ernst nimmt. Wenn ihr
die Gehmeditation richtig ernsthaft betreibt, könnt ihr leicht in samādhi
oder Konzentration hineingelangen und das in jeder eurer Geh- und Sitz-
meditationssitzung. Dasselbe gilt für alle anderen Aktivitäten.
Als ich in Burma war, überlistete ich mich selbst und zwar dadurch,
dass ich mich bei den Sayadaws darüber beschwert habe, dass die Leute im
Kloster so schnell essen. Es waren so viele Mönche dort und wir, die Jüngs-
ten und am kleinsten Gebauten, waren am Ende der Schlange. Als wir die
Essenshalle betraten, verließen die älteren Mönche sie schon wieder.
Auf Grund meiner Beschwerde wurde mir ein spezieller Tisch gegeben,
der von allen anderen eingesehen werden konnte. Ich hatte keine Wahl
außer sehr achtsam zu essen. Aber es war eine gute Lektion. Normalerweise
fühlte ich mich nach einer Mahlzeit sehr schläfrig und träge und wollte
schlafen. Weil ich aber beim Essen wirklich achtsam war, war die Sitz-
meditation nach dem Essen die Beste. Obwohl sich der Magen gefüllt an-
fühlte, beobachtete ich dies und es wurde ein sehr gutes Meditationsobjekt.
Ich fühlte mich überhaupt nicht schläfrig.
Wenn ihr in jeder Geh- und Sitzmeditation achtsam seid, ist es für euch
möglich samādhi oder gute Konzentration zu erreichen. So kommt ihr mit
der Kontinuität der Achtsamkeit und der Praxis voran.
46
5. Achtsamkeit auf die Gefühle
(vedananupassanā)
Unangenehme Gefühle
Ein für Anfänger sehr nützliches Objekt ist der Schmerz. Das, wovon
wir die ganze Zeit zuvor gesprochen haben, fällt unter kāyanupassanā
satipa))hāna oder die Achtsamkeit, die sich auf den Körper oder die
Körperaktivitäten und Prozesse bezieht. Also: „Heben, Senken“ und
„Sitzen, Berühren“ und „Gehen, Essen“ und so weiter. All dies fällt wie
gesagt unter kāya und kāya fällt unter rūpa, was wiederum unter die mate-
riellen Qualitäten fällt. Diese enden schließlich hauptsächlich in den vier
Elementen (Erde, Feuer, Wasser und Wind) und ihr werdet herausfinden,
dass es größtenteils das Windelement ist, das dominiert. Es ist das Element
der Bewegung, Spannung, Vibration und so weiter.
Wenn ihr diese Charakteristik herausschälen und sie als Prozess be-
obachten könnt, seid ihr achtsam genug die drei Daseinsmerkmale zu er-
fassen. Das Merkmal der Unbeständigkeit, Leidhaftigkeit und des Nicht-
Selbst. Die klare Erfahrung dieser Merkmale und ihr Verstehen ist Einsicht.
Schmerzhaftes Gefühl ist etwas, was wir nicht vermeiden können. Es ist
eines der Dinge, die durch unseren Körper entstehen. Besser als Schmerzen
zu vermeiden versuchen, wie wir es normalerweise tun, können wir sie
während der Meditation benutzen um unsere Achtsamkeit, Konzentration
und Einsicht zu entwickeln.
Bei der reinen Einsichtsmeditation ist Schmerz ein häufiger Begleiter.
Das kommt daher, weil ihr sehr achtsam auf die Körperprozesse seid. Wenn
er auftaucht, müsst ihr ihn sofort achtsam notieren.
Was heißt das eigentlich, achtsam notieren? Der Hauptfaktor für den
Geist ist sich daran zu erinnern, friedvoll zu sein und in einem ungestörten
Zustand zu verbleiben. Normalerweise werden wir verspannt oder sind
ängstlich, wenn Schmerz auftaucht. Wir möchten ihn vermeiden und davor
fliehen. Jedoch anstatt zu fliehen, solltet ihr den Schmerz willkommen
heißen wie einen Freund oder einen harten Lehrer. Er ist ein guter Lehrer
voller Mitgefühl, aber ein harter Lehrer.
Da viele Menschen einen harten Lehrer brauchen, solltet ihr auf jedes
Wort hören, wenn sich der Lehrer Schmerz niedersetzt und euch eine für
euch gute Lektion oder Predigt gibt. Euer Geist sollte dabei weich und
empfänglich sein.
Wenn er kommt, seid friedvoll und entspannt wie Baumwolle, die alles
absorbiert, aber selbst ungestört verbleibt. Bei geringeren oder kleineren
Schmerzen ist es einfach, aber wenn der Schmerz intensiver wird, dann
festigt die Achtsamkeit. Jetzt wird ein fester, aber friedvoller und ungestör-
ter Geisteszustand benötigt.
Es wird manchmal dazu kommen, dass der Geist sich aufregt und das ist
gewöhnlich mit Böswilligkeit oder Ärger verbunden. Nun solltet ihr „Ärger,
Ärger, Ungeduld, Ungeduld“ notieren. Nehmt einen tiefen Atemzug, ver-
47
sucht zu entspannen, stabilisiert die Achtsamkeit und beobachtet dann
weiter.
Wie man lernt unangenehme Gefühle achtsam zu betrachten
Wenn ihr fähig seid, den Schmerz achtsam zu beobachten, heißt das
nicht nur, dass ihr den Geist auf den Schmerz richten sollt. Wenn ihr den
Geist nur auf den Schmerz richtet, ist es ein reines Konzentrieren auf den
Schmerz und der Schmerz wird überbewertet und verstärkt. Ihr werdet dann
einen kleinen Schmerz für einen großen halten, einen großen Schmerz für
einen riesigen. Wenn eure Achtsamkeit nicht stark genug ist, werdet ihr
aufgeben.
Der Trick besteht darin, den Geist nicht auf den Schmerz gerichtet zu
halten, sondern ihn zu beobachten. Beobachtung beginnt mit dem Identi-
fizieren der verschiedenen Arten des Schmerzes, der präsent ist – bitterer
Schmerz, heißer Schmerz etc. Seht selbst, wie viele Schmerztypen ihr durch
Beobachten unterscheiden könnt. Wie können wir sie beschreiben?
Wenn ihr die verschiedenen Schmerzarten klar erkennen könnt, werdet
ihr auch in der Lage sein zu sehen, wie sie entstehen und vergehen. Ihr
werdet bemerken, wie sie sich von einem Ort zum anderen zu bewegen
scheinen und so weiter. Wenn ihr anfangt, die Veränderung wahrzunehmen,
spürt ihr es anfänglich wahrscheinlich als eine Art Pochen. Danach werdet
ihr in der Lage sein, die Veränderungen immer klarer zu sehen. Dasselbe
Prinzip den Schmerz zu beobachten, wird während einer Krankheit ange-
wandt. Wenn ihr während einer Krankheit gezwungen seid den Schmerz zu
beobachten, konzentriert ihr euch nicht auf ihn, weil er dann schmerzhafter
wird. Die Idee ist, die Veränderung zwischen den schmerzhaften Ge-
fühlen zu beobachten.
Normalerweise nehmen die Leute den Schmerz nicht so gern als Haupt-
objekt, da er sehr stressig sein kann. Nichtsdestotrotz, wenn ihr vipassanā
übt, müsst ihr ihm schließlich gegenübertreten. Ihr müsst ihn - solange ihr
achtsam seid -beobachten. Wenn der Punkt kommt, wo ihr wirklich nicht
mehr achtsam sein könnt, oder wenn ihr nur so dasitzt, euch auf die Zunge
beißt und nur daran denkt „wann hört das endlich auf?“, dann ist keinerlei
Achtsamkeit mehr da. Nun ist es sinnlos geworden und Zeit die Haltung zu
ändern. Entweder durch Strecken der Beine um sie dann in eine neue Posi-
tion legen oder um zum Gehen aufzustehen.
Es gibt natürlich einige Phasen, durch die ihr durchgehen müsst, bevor
ihr das macht. Zuerst beobachtet den Schmerz direkt. Wenn ihr das nicht
mehr könnt, beobachtet ihn indirekt und wenn ihr das auch nicht mehr
könnt, ignoriert den Schmerz und beobachtet irgendetwas anderes. Nur
wenn ihr all das oben Gesagte nicht mehr tun könnt, solltet ihr euch be-
wegen und die Haltung ändern.
Die Hauptsache ist nicht, dazusitzen und sich zu wünschen, dass der
Schmerz weggeht, sondern zu sitzen und Achtsamkeit dem Schmerz gegen-
über zu entwickeln. So entwickelt ihr gleichzeitig auch Konzentration und
Einsicht.
48
Wichtige Punkte bei der Schmerzbeobachtung
Zuerst stellt sicher, dass ihr achtsam seid. Zweitens seid vom Körper
wie abgelöst. Meist ist der Schmerz tatsächlich nicht so schlimm. Es ist die
Furcht vor Verletzungen oder dem Tod, die uns davon abhalten den
Schmerz zu beobachten.
In den meisten Fällen wird der Schmerz nicht so stark, als dass er euch
tatsächlich schaden könnte. Das Problem ist mehr die Angst davor. Die An-
leitung sagt nicht, dass ihr zehn Stunden lang sitzen sollt. Die Anweisung
lautet eine Stunde zu sitzen. Gewöhnlich, wenn ihr für eine Stunde sitzt,
wird nichts mit eurem Körper oder euren Beinen schief gehen.
Es gibt auch verschiedene Arten, den Schmerz zu beobachten. Die be-
vorzugte Art ist die Einspitzigkeit, das heißt, ihr bestimmt den schmerzhaf-
testen Teil und schießt eure Achtsamkeit darauf ein. Dies wird das direkte
Zusammentreffen genannt. Achtsamkeit ist wie das Messer eines Chi-
rurgen, das hineingeht und beobachtet. Gewöhnlich wird der Schmerz,
wenn euer Geist einspitzig und richtig darauf fokussiert ist, sehr stark.
Normalerweise kann man so ein gewisses Maß an Veränderung erkennen,
und wenn ihr es lang genug auszuhalten vermögt, verschwindet der
Schmerz.
Wenn das nicht klappt, kann man unter Umständen eine „breite“ Sicht
anwenden. Das macht ihr z. B., wenn euer ganzes Bein schmerzt. Kein ein-
zelnes Teil des Beines scheint schmerzvoller als die anderen. Die ganze
Situation scheint so zu sein: „Hier Schmerz, dort auch Schmerz, überall nur
Schmerzen.“ Nun müsst ihr eure Achtsamkeit so weit ausbreiten, dass sie
euer ganzes Bein bedeckt. Sonst bleibt, wenn ihr nur einen Teil beobachtet,
ein anderer Teil eures Körpers voller Schmerz. Wenn ihr nun diesen be-
obachtet, ist wieder ein anderer voller Schmerz. Der Geist kann dann weg-
rennen wollen und abgelenkt werden.
Wenn der Schmerz allerdings durch eine physische Ursache entstanden
ist, wenn ihr also krank seid, ist die Art der Schmerzen meist ausdauernder
und hartnäckiger. Sie gehen nicht weg, da die Schmerzen nicht der Medita-
tion entsprungen sind, oder durch eine Körperhaltung verursacht wurden.
Es ist etwas physisch nicht in Ordnung mit dem Körper. In solch einem
Fall, ist es ratsam, dass man dem Schmerz am Anfang nicht so viel Auf-
merksamkeit widmet. Da er nicht weggeht, kann er durch die Aufmerksam-
keit sonst sehr stressig werden.
Dann rate ich dazu ihn zu ignorieren. Baut lieber die Achtsamkeit und
Konzentration auf leichtere Objekte wie „Heben“ und „Senken“ auf. Wenn
ihr euren Geist gut auf das „Heben“ und „Senken“ lenken könnt, seid ihr in
der Lage den Schmerz zu ignorieren. So werdet ihr ihn überhaupt nicht
mehr spüren.
Wenn eure Achtsamkeit und Konzentration entwickelt ist, könnt ihr
Einsicht bekommen und die drei Daseinsmerkmale des Schmerzes erfahren.
Wenn ihr dieses erhaltene Wissen auf eine Krankheit anwendet, seid ihr
fähig mit ihr umzugehen und vielleicht könnt ihr sie so auch überwinden
oder heilen.
49
Deshalb hat die Meditation auf die schmerzhaften Gefühle tatsächlich
viele Vorteile. Erstens werden wir fähig dem Schmerz in einer friedvolleren
und würdevolleren Art und Weise zu begegnen, falls wir sowieso nicht
davon wegkommen können. Wenn wir zum Beispiel eine ernste Krankheit
bekommen, können wir trotzdem einen friedvollen und glücklichen Geist
behalten, was auch immer als Nächstes passiert.
Zweitens ist Schmerz ein sehr kräftiges Objekt. Es ist einzigartig für
vipassanā. Es kann Vipassanā-Konzentration, sofern ihr es ertragen könnt,
sehr schnell hervorbringen. Das Problem ist, dass es sehr tyrannisch ist und
eine Menge Kraft kostet. Wenn ihr es jedoch aushalten könnt, erhaltet ihr
Vipassanā-Konzentration sehr schnell. Wenn ihr es als Vipassanā-Objekt
nehmen könnt, dann könnt ihr leichter Einsichtswissen erreichen und ihr
bewegt euch näher an euer geliebtes Ziel nibbāna heran.
Angenehme und neutrale Gefühle
Natürlich begegnen uns nicht nur schmerzhafte Gefühle. Wir haben
auch angenehme oder schöne Gefühle. Schöne körperliche Gefühle be-
deuten physische Gemütlichkeit. Dies ist für den Anfänger meist nicht so
offensichtlich, es sei denn beim Schlafengehen. Wenn ihr euch hinlegt,
fühlt ihr euch sehr angenehm und deshalb schlaft ihr dann auch sehr schnell
ein. Mit Recht solltet ihr auch bis zum Einschlafen achtsam weiternotieren.
Was ist wichtig, wenn angenehme Gefühle im Geist entstehen? An-
genehme Gefühle erscheinen, wenn sich die Konzentration aufbaut und
Freude entsteht. Wenn Freude und ein friedvoller Bewusstseinszustand ent-
steht und ihr euch glücklich fühlt, dann müsst ihr das achtsam notieren. Ihr
müsst eure Energie und Wachheit aufbauen, sonst schlaft ihr ein oder haftet
an den angenehmen Gefühlen an. In diesem Fall gibt es keinen Fortschritt.
Schlimmer noch, ihr könntet falsche Konzentration bekommen und
Halluzinationen, da Verlangen eingesetzt hat.
Deshalb müsst ihr es notieren. Stellt sicher, dass ihr sehr kraftvoll
notiert, wenn glückliche Gefühle entstehen. Wenn ihr glückliche Gefühle -
so wie sie entstehen und vergehen - sehr achtsam notieren könnt, dann
könnt ihr damit fortfahren und erhaltet so das Wissen der drei Daseins-
merkmale. Vipassanā-Einsicht oder Wissen bezieht sich hier auf das Ent-
stehen und Vergehen der angenehmen Gefühle.
Wenn ihr aber die angenehmen Gefühle notiert und keine Veränderung
sehen könnt, bleibt es nur angenehm, friedvoll und nichts weiter. Jetzt ist es
doch besser sich nicht in diesem geistigen Zustand aufzuhalten, unwichtig
wie angenehm er ist. Es ist „gefährlich“. Die Achtsamkeit könnte wegrut-
schen und ihr könntet in einer Art falscher Konzentration enden. Deshalb
holt den Geist besser aus den angenehmen Gefühlen heraus und lasst ihn
stattdessen das „Heben“ und „Senken“, das „Sitzen“ und „Berühren“ oder
den Schmerz beobachten.
In fortgeschritteneren Meditationsstufen seid ihr später nicht nur in der
Lage angenehme Gefühle zu notieren, sondern auch neutrale Gefühle. Ihr
werdet sehen, dass die neutralen Gefühle die subtilsten aller Gefühle sind.
Es ist der Gleichmut, der von den neutralen Gefühlen hervorgebracht wir
50
und der den Geist richtig friedvoll und konzentriert macht. Es ist wie ein
stiller Zustand eines Sees, sehr ruhig und sehr klar. Es gibt keine Wellen.
Der Moment der Entstehung von Wellen bedeutet, dass jetzt andere Gefühle
mehr hervorstechen.
Meditation auf die Gefühle wird vedananupassanā genannt. Es ist der
zweite Pfeiler der Achtsamkeit. Wenn ihr achtsam auf die Gefühle sein
könnt, werdet ihr ein Meister der Gefühle. Ihr könnt davon für jeden edlen
Zweck Gebrauch machen. Dies sind die zwei grundlegenden Objekte. Die
Achtsamkeit auf den Körper und die Gefühle. Ihr werdet merken, dass diese
Achtsamkeit in beiden Fällen den Geist letztendlich zu einem natürlichen
Geist- oder Körperprozess führt. Im Falle von körperlichen Aktivitäten ist
es der Körperprozess. Im Falle der Gefühle ist es der Geistprozess. Wenn
ihr die geistigen oder körperlichen Prozesse sorgfältig beobachtet, dann be-
obachtet ihr eine Folge von Erscheinungen. Auf diese Weise betrachtet,
seht ihr in das Merkmal der Unbeständigkeit. Wenn das Merkmal der Un-
beständigkeit klar wird, wird auch das Merkmal des Leidens klar. Wenn
diese beiden Merkmale klar werden, wird das Merkmal des Nicht-Selbst
klar. So könnt ihr mit eurer Meditation fortfahren und sie verbessern um
Einsichtswissen zu bekommen.
51
6. Achtsamkeit auf das Bewusstsein & auf die Geistobjekte
(cittanupassanā & dhammanupassanā)
Der dritte Pfeiler der Achtsamkeit ist Achtsamkeit auf das Bewusstsein
oder den Geist. Wir werden hier nicht zwischen dem, was wir Geist nennen
und den geistigen Zuständen unterscheiden.
Es gibt einen vierten Pfeiler der Achtsamkeit und zwar Achtsamkeit auf
die dhamma, was meist mit Geistobjekten übersetzt wird. Dieser vierte
Pfeiler der Achtsamkeit ist allgemeiner und hat zwei Interpretationen. Eine
Interpretation ist, dass dhamma hier gewisse Aspekte der Lehre bedeutet,
durch die mittels Kontemplation Einsicht, das heißt vipassanā entsteht. Die
andere Bedeutung ist, wie schon oben genannt, Geistobjekte. Man kann es
auch als Erscheinung interpretieren, da alle Erscheinungen Objekte des
Geistes sein können. Das Feld der Geistobjekte ist sehr weit. Es erstreckt
sich jenseits der anderen drei Arten von Objekten. Als Anfänger werden wir
nicht so viel mit ihnen zu tun haben. Wir werden hauptsächlich den Geist
selbst behandeln. Eingeschlossen sind geistige Zustände, die oft auch unter
dhamma oder Geistobjekte klassifiziert werden.
Was meinen wir, wenn wir „Geist“ (citta) sagen? Citta wird oft als
Bewusstsein übersetzt. Dasjenige, was weiß oder das um ein Objekt weiß,
sich des Objektes bewusst ist. Wenn ihr etwas wisst, sagt ihr normaler-
weise, „wir wissen“. Hier ist nicht das „wir wissen“ gemeint. Es ist das
Bewusstsein, der Geist, der weiß. Bewusstsein ist so definiert, dass es die
Eigenart des Wissens besitzt. Wenn wir hier „Geist“ sagen ist es gleich-
bedeutend mit Bewusstsein.
Am Anfang unserer Praxis sind wir uns der geistigen Zustände noch
nicht so bewusst. Wir sind mehr damit beschäftigt den Geist auf das
„Heben“ und „Senken“, und das „Sitzen“ und „Berühren“ etc. zu halten.
Durch diese Praxis jedoch wird uns der Geist sehr bewusst. Und zwar des-
halb, weil wir versuchen ihn zu kontrollieren. Vorher waren wir gewohnt,
ihn gewähren zu lassen. Wir wussten eventuell vom Vorhandensein eines
Geistes, aber wir schauten nicht richtig darauf. Jetzt versuchen wir den
Geist zu kontrollieren. Wir müssen uns deshalb mit ihm beschäftigen.
Die Hemmungen
Die erste Stufe des Trainings von cittanupassanā satipa))hāna ist Acht-
samkeit auf die geistigen Hemmungen, wie z. B. Müdigkeit und Nervosität.
Cittanupassanā, Achtsamkeit auf das Bewusstsein heißt, dass wir achtsam
das Bewusstsein oder den geistigen Zustand betrachten müssen. Das
Bewusstsein selbst ist das klar und achtsam zu betrachtende Objekt. Wir
müssen nicht nur achtsam wissen, dass es anwesend ist, sondern in der Lage
sein es nahe zu beobachten. So als wenn wir ein Gesicht von Nahem be-
obachten um es gut beschreiben zu können. Das heißt, wenn ihr auf euer
Bewusstsein schaut und etwas wie Mattigkeit, Müdigkeit oder Unruhe er-
kennt, müsst ihr fähig sein es klar in euren eigenen Worten zu beschreiben.
Klarer für den Anfänger sind die gröberen Erscheinungen wie bei-
spielsweise Zorn oder Hass. Zorn ist in der Tat die gröbste Art der Befle-
52
ckung. Wenn ihr ärgerlich seid, wie ist dann euer geistiger Zustand, wie ist
euer Bewusstsein? Wenn ihr versucht achtsam in den Geist zu schauen,
wenn er ärgerlich ist, merkt ihr, dass der Geist in einem sehr verwirrten Zu-
stand ist. Er brennt. Der abhidhamma beschreibt diesen Zustand als gewalt-
tätig und zerstörerisch. Er ist wie ein Wirbelwind oder eine Explosion. Er
ist sehr grausam und schädigenwollend. All dies sind Möglichkeiten, den
Zorn und das zornige Bewusstsein zu beschreiben.
Wenn ihr z. B. meditiert und jemand Krach macht, könntet ihr dadurch
gestört werden und aus der Konzentration kommen, auch Ärger könnte ent-
stehen. Wenn Ärger entsteht, dann sagt nicht nur „Ärger, Ärger..“, sondern
beobachtet den gestörten und aufgewühlten Zustand des Geistes, den
wütenden Zustand des Geistes. Wenn ihr ihn beobachtet, werdet ihr fest-
stellen, wie schrecklich er ist.
Manchmal ist die unheilsame Wurzel des Begehrens problematischer.
Wenn Begehren entsteht, müssen wir es auch notieren und den Zustand des
Bewusstseins beobachten. Wenn ihr z. B. sehr gutes Essen esst und denkt
„Oh, das ist so lecker“, bemerkt ihr, dass da Freude ist. Was jetzt geschieht
ist, dass die Freude alles maskiert und versteckt. Das Begehren des Essens
ist das eine, die Freude darüber das andere. Es sind zwei verschiedene
Dinge. Eines ist das Bewusstsein der Freude und das andere ist der Geist,
der mit dem Begehren entsteht. Wenn Menschen essen, bringt ihnen der
Geschmack normalerweise Freude. Sie sind so bezaubert von der Freude,
dass sie den tatsächlichen Zustand des Geistes nicht sehen können. Wenn
ihr in das Bewusstsein eines solchen Geistes richtig hineinschauen könntet,
wäre dort außerdem Begehren und ihr würdet merken, dass dieser Geist
letztendlich doch nicht so wundervoll ist.
Ein gutes Bild des Begehrens kann man sich bei einem Drogensüchtigen
oder Nikotinabhängigen machen, wenn seine Droge nicht erhältlich ist.
Wenn ihr euch diesen geistigen Zustand richtig anseht, könnt ihr erfassen,
wie schrecklich er ist. Wenn bei euch Begehren entsteht, schaut auf die
Natur des Begehrens. Es ist ein Zustand des Wollens, Haftens etc. Solches
Begehren und solch ein Ärger entstehe sehr oft. Erst, wenn ihr es jederzeit
einfangen und austreiben könnt, wird es euch nicht mehr stören.
Mattigkeit und Müdigkeit ist am Anfang ein wenig schwerer zu er-
kennen, da es feiner ist. Eine interessante Meinung im abhidhamma ist, das
einer dieser beiden Faktoren als Schwerfälligkeit des Bewusstseins (citta)
und der andere als Schwerfälligkeit der Bewusstseinsbegleitfaktoren oder
geistigen Zustände (cetasika) interpretiert wird. Beide kommen in einem
Bewusstseinsmoment zusammen vor.
Was ist nun der Unterschied? Wenn man sagt, dass das Bewusstsein
schwerfällig ist, bedeutet das, dass das Wissen oder Erkennen selbst ver-
schwommen ist. Es ist eine Hemmung beim Erkennen. So als ob sich das
Bewusstsein vom Objekt zurückzieht. Es ist wie am frühen Morgen, wenn
ihr noch sehr schläfrig seid und versucht das „Heben“ und „Senken“ zu be-
obachten, aber ihr nichts erkennen könnt. Es ist nur verschwommen und
neblig. Egal wie stark ihr es versucht, es macht keinen Unterschied. Zum
Schluss bricht Dunkelheit herein und ihr schlaft ein. Im Falle der
53
Bewusstseinsbegleitfaktoren ist das Notieren selbst schwierig. Die
Bewusstseinsbegleitfaktoren bedeuten Aktivität und die Aktivität ist ver-
langsamt, schwerfällig, steif und hart. Wenn ihr mit dieser Hemmung
notiert, ist das Notieren sehr langsam und schwierig, bis ihr schließlich den
Geist und die mentalen Zustände oder Bewusstseinsbegleitfaktoren als
dunkle Wolken, die zusammenbrechen, seht.
In der tatsächlichen Praxis unterscheiden wir natürlich nicht intellektuell
zwischen Geist und geistigen Zuständen. Wenn wir müde sind, notieren wir
„Müde, Müde...“ Manchmal beobachtet ihr das Bewusstsein und manchmal
beobachtet ihr den geistigen Zustand. Wichtig ist, dass ihr eine klare Wahr-
nehmung der entstehenden Hemmungen und Befleckungen habt. Wenn ihr
das habt, könnt ihr sie auch austreiben. Wenn die leichteste Form von
Mattigkeit auftaucht, könnt ihr sie abfangen. Wenn die leichteste Form von
Begehren entsteht, könnt ihr sie abfangen. Das Gleiche gilt auch für Zorn.
Dies ist etwas, was gelernt werden muss, es ist nicht etwas, was ihr von
selbst verstehen könnt. Es ist etwas, was ihr durch Erfahrung verstehen
lernt. Und ihr lernt es am schnellsten, wenn ihr dazu fähig seid, einen
klaren, ruhigen und neutralen Zustand der Bewusstheit aufrechterhalten zu
können und diesen mit einem Zustand, der mit Befleckungen verbunden ist,
vergleicht.
Was ist der Unterschied zwischen einem klaren und einem unklaren
Geist?
Wenn ihr achtsam seid, ist der Geist sehr ruhig, friedvoll und klar. Er ist
sehr stabil und bewusst, und wenn ein Moment einer kleinen Störung
kommt, wisst ihr es. Wie ist nun der Geist, wenn er verwirrt ist?
Möglicherweise zittert er. Gewiss ist er nicht länger ruhig und stabil. Wenn
Ärger entsteht fängt der Geist an, gewalttätig zu werden. Wenn Mattigkeit
und Müdigkeit entstehen, wird der Geist dunkel, verschwommen und
schwer. Wenn Begehren entsteht, erkennt ihr eine Form der Anhaftung, die
nach irgendetwas bettelt. Wenn der Geist einfach nur trübe ist, kann es pure
Unwissenheit oder Wahn sein.
Wenn ihr anfangt das Beobachten des Geistes zu trainieren, werdet ihr
lernen in den Geist hineinzuschauen. Es ist eine andere Welt. Ihr könnt es
„Geistschaft“ statt Landschaft nennen. Es gibt tiefe Täler und hohe Berge.
Es gibt dunkle Wolken und klare Himmel. In der Meditation müsst ihr
immer tiefer in diese Zustände hineingehen, sie gut kennen und familiär mit
ihnen werden. Anfangs kommen solche Zustände wie Mattigkeit und
Müdigkeit oft vor.
Die Sinne
Ein anderer wichtiger Aspekt des Bewusstseins, mit dem der Anfänger
zu tun hat, sind die sechs Sinne, das heißt Sehen, Hören, Riechen, Schme-
cken, Berühren und Wissen. Wenn Menschen sehen, sagen sie gewöhnlich,
„Ich sehe“, aber hier, gemäß des dhamma, seid nicht ihr es, die seht - die
Person selbst ist nur ein Konzept - sondern es ist das Sehbewusstsein, eine
gewisse Bewusstseinsart, das sieht. Es ist das Wissen, das über ein Seh-
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objekt erfahren wird, also Farbe und Helligkeit. Das Gleiche gilt für das
Hören. Das Hörbewusstsein weiß um das Geräusch. Das Geruchsbewusst-
sein weiß um den Geruch. Das Schmeckbewusstsein weiß um den Ge-
schmack und das Geistbewusstsein weiß um die Geistobjekte.
Manchmal gibt es Momente, wo wir „Sehen“, „Hören“, „Riechen“,
„Tasten“ oder „Berühren“ notieren müssen. Bei der Gehmeditation z. B. ist
es ein wichtiger Aspekt, das „Sehen“ zu notieren. Wenn ihr das „Sehen“
nicht notiert, fängt gewöhnlich das Denken über das Gesehene an, und
wenn ihr über das Gesehene nachdenkt, seid ihr nicht länger beim Medita-
tionsobjekt. Wenn ihr nicht achtsam seid, können so die Befleckungen Gier
und Ärger entstehen. Diese Kunst muss erlernt werden. Sie wird das
„Zügeln der Sinnestore“ genannt. Ihr verhindert so das Aufsteigen der Be-
fleckungen. Denn wenn ihr „Sehen“ nicht notiert, fangt ihr an darüber
nachzudenken. Auf einer späteren Stufe notieren wir nur den Prozess. Es
gibt nur den Sehprozess des Sehens, welcher das Sehobjekt bemerkt. Dies
kann aber nur passieren, wenn ihr nicht an der Idee hängt, dass „Ich“ gerade
sehe. Es wird für euch einfacher verständlich, wenn ihr die natürlichen Er-
scheinungen so sehen könnt, wie sie wirklich sind (wir werden das später
noch ausführlich besprechen).
Das Gleiche gilt für das Hören. Gespräche oder Geräusche könnten euch
stören. Dann notiert „Hören, Hören... Hören“, damit ihr nicht über das Ge-
räusch nachdenkt.
Von den fünf Sinnen spielen Sehen und Hören die Hauptrolle. Riechen
spielt eine untergeordnete Rolle und das Schmecken nur, wenn wir essen.
Die Berührung ist natürlich auch oft unser Meditationsobjekt. Das Sehen
spielt eine sehr große Rolle während der Gehmeditation und wenn ihr es
sofort richtig notiert, kann sehr viel Denken und Unruhe gar nicht erst ent-
stehen. In höheren Stufen kann man tatsächlich durch bloßes Notieren der
sechs Sinne Einsicht gewinnen.
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Wenn man mehrere Tage sitzt, ist man in der Lage die Kontinuität der
Achtsamkeit aufrechtzuerhalten. Es sei denn, es ist einem nicht bewusst,
dass man die Objekte, wenn sie entstehen, notieren muss, dass man auch
nicht weiß, wie man sie notiert und was diese Objekte wirklich sind. Dann
kann die Kontinuität der Achtsamkeit natürlich nicht entstehen.
Unsere Praxis ist, wie auf Reisen gehen. Manchmal reisen wir entlang
der Hauptstraße, wenn es keine Hauptstraße gibt, benutzen wir eine Neben-
straße. Wenn die Hauptstraße wieder auftaucht, gehen wir auf sie zurück.
Manchmal, wenn wir auf der Hauptstraße reisen, ist dort alles überflutet,
alle Nebenstraßen und auch die Hauptstraße sind überflutet, deshalb reisen
wir jetzt auf dem Fluss. Dann kommt eine Stromschnelle, deshalb nehmen
wir nun das Flugzeug oder einen Helikopter.
Warum müssen wir das machen? Weil die Zeit kurz ist, die Nacht
hereinbricht und sich Gefahren nähern. Das Achtsamkeitstraining ist in
etwa wie diese Reise. Wir treffen mit verschiedenen Objekten zusammen.
Die Objekte sind unser Pfad, unsere Straße. Je weiter wir gehen, desto fort-
geschrittener oder näher sind wir dem sicheren Hafen des Glücks. Das
Hauptobjekt ist das „Heben“ und „Senken“ der Bauchdecke. Es ist fest wie
die Hauptstraße, fester als die anderen Achtsamkeitspfeiler der Gefühle und
des Geistes. Es ist das Hauptobjekt, das unsere Konzentration und Acht-
samkeit mit Hilfe des „Hebens“ und „Senkens“ ausbildet. Dann gibt es
andere Nebenobjekte wie „Sitzen“ und „Berühren“. Sie sind wie die Neben-
straßen.
Wenn ihr kein „Heben“ und „Senken“ mehr spürt, egal wie stark ihr es
versucht, dann beobachtet das „Sitzen“ und „Berühren“. Manchmal wird
Schmerz oder Freude überwältigend und die Körperobjekte treten zurück.
Dann müsst ihr sorgfältig diese Gefühle notieren. Das ist wie das Über-
queren eines Flusses. Gefühle sind wie Wasser, tief und turbulent. Zu
anderen Zeiten, wenn ihr die Gefühle nicht beobachten könnt oder der
Schmerz zu stark ist, dann müsst ihr den Geist beobachten. Wieder zu
anderen Zeiten sind auch die Gefühle und Körperobjekte undeutlich. Auch
dann habt ihr den Geist zu beobachten. Wenn ihr den Geist beobachtet, ist
es wie in der Luft zu fliegen.
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seinsmerkmale der Unbeständigkeit, des Leidens und des Nicht-Selbst er-
kennen.
Bei den angenehmen Gefühlen jedoch ist das Hauptproblem die An-
haftung. Wenn ihr diese Anhaftung überwinden könnt, seid ihr auch hier
fähig, die Gefühle als unbeständig, leidbehaftet und als Nicht-Selbst zu
durchschauen.
Beim Bewusstsein existiert eine Idee der Kontinuität des Geistes und
seiner geistigen Zustände, die Idee, dass da ein Selbst ist, eine immerwäh-
rende Seele, ein immerwährendes „Ich.“ Das liegt daran, weil wir die Un-
stetigkeit und Unbeständigkeit nicht sehen können. Die Leute können z. B.
den Unterschied zwischen dem „Sehen“ und dem „Hören“ nicht erkennen.
Sie denken, dass der Geist, der sieht, und der Geist, der hört, derselbe ist.
Durch die Meditation werdet ihr aber immer bewusster die Natur des
„Sehens“ und des „Hörens“ wahrnehmen. „Sehen“ ist eine bestimmte Art
von Phänomen, eine Art des Wissens, und so ist es auch mit „Hören“. Es
gibt verschiedene Bewusstseinsarten, also Arten des Wissens oder des Er-
kennens. Wichtiger ist aber die Fähigkeit die Unstetigkeit des Bewusstseins
zu erkennen. Am Anfang seid ihr aber nicht dazu in der Lage. Alles, was ihr
erkennen könnt, ist die Unstetigkeit der geistigen Zustände. Zum Beispiel
wissen wir, dass das Notieren kommt und geht. Wir wissen, dass Achtsam-
keit kommt und geht und wir wissen, dass Denken kommt und geht. Aber
wir können trotzdem noch die Vorstellung haben, dass, obwohl die geis-
tigen Zustände kommen und gehen, der Geist immer noch da ist und der-
selbe ist. Wenn ihr kontinuierlich beim Notieren bleibt und sehr bewusst
der Unstetigkeit und Veränderung der geistigen Zustände seid, indem ihr
„Hören“, „Riechen“, „Berühren“, „Schmecken“ oder „Sehen“ notiert, dann
seid ihr in der Lage die Unbeständigkeit des Bewusstseins selbst zu er-
kennen.
Ein gutes Beispiel dazu ist, wenn Ihr gerade dabei seid die Hemmungen
Mattigkeit und Müdigkeit zu notieren, also „Müde..., Müde..., Müde.“ Euer
Geist ist sehr schwer und umnebelt. Wenn ihr aber mit Geduld und Energie
durchhaltet, könnt ihr zu einem Punkt kommen, wo die Schläfrigkeit ver-
schwindet und alles sich klärt, so als würden dunkle Wolken verschwinden.
Dann ist da eine komplett neue Art von Geist. Umgangssprachlich sagt man
dann „Ich bin eine vollkommen andere Person geworden“. Wenn ihr die
Veränderung des Bewusstseins bemerkt, ist es auch so.
Nehmt ein anderes Beispiel. Ihr seid auf jemanden sehr ärgerlich und
wütend. Er hat etwas Schreckliches getan, er hat euch belogen und be-
trogen. Ihr seid sehr traurig. Dann entdeckt ihr, dass er unschuldig ist. Ihr
habt alles nur falsch aufgefasst. Er hat euch gar nicht betrogen. Dann seid
ihr plötzlich nicht mehr böse mit ihm. Was ist mit dem Zorn passiert? Er ist
weggegangen. Ist das nicht seltsam? Es sind nur zwei verschiedene
„Geister“ oder Bewusstseinsarten und geistige Zustände. Dies ist natürlich
nur ein Beispiel, aber in der Meditation wird es euch sehr klar werden.
Wenn die Klarheit fortschreitet, könnt ihr nicht nur die Unterschiede zwi-
schen den Befleckungen und dem reinen Geist sehen, sondern auch den
Unterschied zwischen dem einen reinen Geist und dem danach erschei-
59
nenden anderen reinen Geist. Auch die Achtsamkeit selbst verändert sich
von Moment zu Moment. Es ist, als ob jeden Moment, jeden Sekunden-
bruchteil ein anderer Geist zusammen mit einem anderen Bewusstsein ent-
steht. Das Bewusstsein gehört mehr zum wissenden Geist. Die geistigen
Zustände sind wie der notierende Geist. Der wissende Geist, das Bewusst-
sein ist gewöhnlich im Hintergrund. Es ist zwar schwieriger dort die Ver-
änderung wahrzunehmen, aber wenn ihr sie notieren könnt, dann ist eure
Wahrnehmung der Unbeständigkeit verbessert und das Haften am Selbst,
das mit diesem Geist und dem Bewusstsein verbunden ist, wird langsam
aufgegeben. Wenn das nicht passiert, kann keine tiefere Einsicht entstehen.
Viel an tiefer Einsicht wird, wegen latentem Hängen am Selbst und am
„Ich“, verhindert. Auch unter vielen Buddhisten gibt es ein Haften an der
Idee, dass es hinter dem Geist irgendwo etwas Beständiges gibt.
Wenn sich die Konzentration in der Meditation entwickelt, schlüpft der
Geist oft in sehr ruhige Zustände. Manchmal wird er von Frieden und
Freude überwältigt. Manchmal befindet er sich tatsächlich in einer Ver-
tiefung. Es gibt sehr friedvolle Zustände mitunter auch glückselige. Wenn
solche Zustände auftauchen sollten und ihr sie notiert, solltet ihr schnell
notieren „Ah, friedvoll..., friedvoll“. Im Falle tiefer Konzentration könnte es
euch vorkommen, als wenn ihr in einen leeren, weißen Zustand geratet, dort
gibt es nichts und wenn ihr wieder herauskommt, denkt ihr „Ah! Was für
ein wunderbarer friedvoller Zustand!“ Einige glauben auch, dass dies
nibbāna wäre. Wenn ihr nicht achtsam seid, werdet ihr daran hängen und
dann entsteht Verlangen. Was auch immer für ein feiner Bewusstseins-
zustand entsteht, ihr müsst ihn notieren so wie er entsteht und vergeht.
Diese Art von feinem Bewusstsein ist sehr raffiniert und verzwickt. Es
ist sehr tief. Es ist auch dasselbe besondere Bewusstsein mit dem ihr später
das Verstehen der Natur der Realität und dem Pfad zum Frieden erreichen
könnt.
61
7. Die fünf Hemmungen
Der erste oder die ersten beiden Tage eines Retreats sind mehr eine Zeit
des Frühjahrsputzes. All der akkumulierte Stress und die akkumulierte
Müdigkeit kommen hoch. So wie auch gewohnheitsmäßige Tendenzen und
Gedanken. Wenn die Teilnehmenden vorher noch nie auf einem Retreat
gewesen waren und wenig darüber wissen, was Meditation ist, werden sie
dadurch oft entmutigt. Es ist in der Tat eine sehr harte Zeit.
In dem Moment, wo sie sich hinsetzen, wird ihr Geist außer Kontrolle
geraten oder er wird, wenn sie versuchen achtsam oder konzentriert zu sein,
einfach nur leer. Dies zeigt nur unseren schlechten Geisteszustand und das
Ausmaß unseres benötigten Trainings um ihn kontrollieren zu können.
Dies liegt an der Kraft der Befleckungen, der Kraft der unheilsamen
Geisteszustände und am Mangel an reinen, heilsamen Geisteszuständen.
Diese Befleckungen müssen kraftvoll sein, da sie sonst nicht in der Lage
wären uns im samsara, dem Zyklus von Geburt und Tod, seit undenklichen
Zeiten festzuhalten.
Deshalb sollte ihre Kraft niemals unterschätzt werden! Im Sinne ihrer
allgemeinen Kategorisierung nennen wir sie die drei üblen Wurzeln, Gier,
Hass und Verblendung. Wenn es jedoch zur Meditationspraxis kommt,
nennen wir sie die fünf Hemmungen:
1. Sinnesbegehren
2. Übelwollen
3. Mattigkeit und Müdigkeit
4. Unruhe und Sorgen
5. Skeptischer Zweifel
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In den ersten paar Tagen fühlen die Meditierenden, die zu einem Retreat
gekommen sind, dass diese Hemmungen sehr mächtig sind. Wir werden sie
jetzt etwas ausführlicher besprechen, damit ihr den Umgang mit ihnen lernt.
Erstens buddhanusati, das heißt, sich die Vorteile der Tugenden des
Buddhas wachzurufen. Das hilft Furcht und skeptischen Zweifel zu ver-
treiben und schafft Vertrauen.
Drittens die Meditation über die Unschönheit des Körpers, die für all
diejenigen ist, die starke lustvolle Tendenzen oder Wünsche haben.
Viertens die Meditation über den Tod um Sorge, Faulheit und Un-
bekümmertheit zu überwinden. In diese Kategorie könnten Dinge wie
Meditation über kamma, der Verlust von Angehörigen, Traurigkeit usw.
hineingehören
66
8. Die Priorität der Objekte
Systematisches Notieren & wahllose Bewusstheit
Antwort: Wir beobachten die Objekte, die für uns einfach zu beobachten
sind, sodass die Achtsamkeit ihre wahre Natur erkennen kann.
Wenn man sich beim Beobachten dieses Objekts etwas bemüht, ge-
wöhnt man sich schnell daran. Es ist dann dominant und dient als Primär-
objekt. Man benutzt es als Basis um Achtsamkeit und Konzentration zu
entwickeln.
Aber die Natur hat ihren eigenen Weg. Sie zeigt Unregelmäßigkeiten
und Inkonsistenzen auf. Deshalb ist das Objekt manchmal abwesend oder
verschwommen. In diesen Momenten sind andere Objekte vorherrschend
(z. B. Geräusche, Schmerz) und so sind diese achtsam zu notieren. Ein
anderer wichtiger Grund, weswegen ein anderes Objekt notiert werden
muss, ist, wenn eine Befleckung da ist (das heißt, eine Anhaftung, Müdig-
keit, Ärger, Unruhe etc.). Es ist wichtig, dass sie behandelt und entfernt
wird. Diese Objekte, die gewöhnlich keine lange Zeit zum Notieren be-
nötigen (anders als die Primärobjekte), werden Sekundärobjekte genannt.
Wenn die Sekundärobjekte lange Notierungszeiträume einnehmen, werden
sie als Primärobjekte betrachtet um Achtsamkeit und Konzentration aufzu-
bauen.
Wenn z. B. das „Heben“ und „Senken“ abwesend ist, kann man das
„Sitzen“ und „Berühren“ als Primärobjekt nehmen. Wenn später Schmerz
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vorherrschend wird und nicht weggeht, dann nimmt der Schmerz die zen-
trale Position der Meditationsobjekte ein. Bei der Gehmeditation ist der
Gehprozess das Primärobjekt (1°). „Sehen“ ist hier dann das wichtige
Sekundärobjekt (2°). (°) bedeutet Grad, also Objekt ersten und zweiten
Grades.
68
69
Das Diagramm zeigt das systematische Ändern der primären und sekun-
dären Objekte. So wird während einer Sitzmeditation notiert:
1. Das Objekt mit der höchsten Priorität ist das vorherrschende Objekt, das
für eine lange Zeit achtsam beobachtet werden kann.
3. Das vorherrschende Objekt wird von dem folgenden Objekt ersetzt, wenn
es ein sehr dominantes Objekt ist, beispielsweise Schmerz
4. Bei der Wahl zwischen mehr als einem Sekundärobjekt, die von gleicher
Stärke sind, gibt man internen Objekten wie „Sitzen/Berühren“ den Vorzug
vor den äußeren Objekten z. B. Geräuschen, weil diese nicht förderlich für
die Konzentration sind.
5. Wenn die Achtsamkeit kontinuierlich wird, wird der Geist flexibel und
deshalb kann man nun ein Objekt zur Beobachtung auswählen, dass die
Einsicht besser aufbauen kann als andere. Man nimmt also eines, das die
drei Daseinsmerkmale der Unbeständigkeit, Leidhaftigkeit und des Nicht-
Selbst besser herausstellen kann.
Obiges wird so lange ausgeführt, wie es geht. Ausnahmen sind zum Bei-
spiel:
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Die vier Grundlagen der Achtsamkeit
In der Lehrrede über die vier Pfeiler der Achtsamkeit findet man in vier
Kategorien eingeteilte Vipassanā-Objekte:
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9. Die fünf geistigen Kontrollfähigkeiten
Die Fertigkeit die Kontrollfähigkeiten zu balancieren, ist sehr wichtig in
der Vipassanā-Meditation. Das gilt besonders, wenn man an einem langen
Retreat teilnimmt. Wenn der Geist kraftvoller wird, arbeiten die Fähigkeiten
besser. Es ist, wie wenn ein Auto mehr PS hat und mit größerer Geschwin-
digkeit laufen kann. Ihr müsst das Auto nun besser kontrollieren, da ihr
sonst aus der Kurve fliegen könntet.
75
folgen vermag. Zur gleichen Zeit ist der Geist aktiv genug um auch tatsäch-
lich zu bemerken, was passiert.
Wenn jedoch die Energie im Überschuss ist und es an Konzentration
mangelt, kann der Geist zu aktiv werden. Es ist so, als wenn ihr sehr auf-
geregt seid und versucht dem „Heben“ und „Senken“ der Bauchdecke zu
folgen. Ihr könnt ihm aber nicht gut folgen, da der Geist die Tendenz hat
darüber hinwegzuspringen. Er hat eine Tendenz zum Denken und Wandern.
Er klebt nicht am Objekt, da es an Konzentration mangelt.
Wenn jedoch die Konzentration der Faktor ist, der im Überschuss ist,
dann hält man sich mit einem Objekt lange auf. Der Geist ist sehr ruhig und
still, aber ihr könnt nicht viele Dinge erkennen. Er hält sich darin auf und
beobachtet nicht aktiv die folgenden Dinge um ihn herum. Zuletzt wird er
sehr ruhig, dann wird der Geist leer und ihr schlaft ein. Weder exzessive
Energie noch exzessive Konzentration wird empfohlen. Wenn eine dieser
beiden im Überschuss ist, ist der Geist nicht stabil.
Wenn der Prozess weitergeht, dann endet die überschüssige Konzen-
tration meist in Mattigkeit und Müdigkeit, während überschüssige Energie
in Unruhe endet. Es wäre ratsam, ihr würdet es sofort bemerken, wenn die
Achtsamkeit nicht so gut arbeitet, damit ihr Fortschritte beim Balancieren
erzielen könnt.
Am Anfang eines Retreats ist das Balancieren nicht so wichtig, da es
nicht so viel Konzentration und überhaupt kein Wissen gibt. Da ist nur
Energie. Für euch ist es am Wichtigsten, Fortschritte mit eurer Achtsamkeit
zu machen. Anstrengung ist ein Sichantreiben, das versucht sehr hart acht-
sam zu sein. Die Frage ist jedoch, wie stark ihr euch antreibt.
Wie viel Anstrengung?
Es ist eine Sache der Kontrolle der Energiemenge. Wenn ihr euch zu
sehr antreibt und die Fährte der Achtsamkeit verliert, könntet ihr zu ver-
spannt werden. Wohingegen, wenn ihr nicht genug Anstrengungen macht,
ihr matt und müde werden könntet. Deshalb muss es einen Punkt geben,
hart genug zu üben, sodass ihr einen optimalen Zustand der Achtsamkeit
erreicht. Dies muss durch Erfahrung erlernt werden. Einige Leute strengen
sich sehr stark an und werden verspannt und matt. Andere hingegen sind
faul und erwarten, dass alles von allein geschieht. Dann gibt es natürlich
keinen Fortschritt.
Wenn man der korrekten Praxismethode folgt und sich lange genug an-
strengt, werden die geistigen Kontrollfähigkeiten (die geistigen Kräfte)
schließlich stark. Konzentration wird entstehen und das bedeutet, Balan-
cieren der Kontrollfähigkeiten kann notwendig werden. Mit anderen
Worten, der Geist wird kraftvoller, die Konzentration und die anderen geis-
tigen Fähigkeiten werden kräftiger.
Was passiert dann?
Eine Menge an Dingen kann passieren. Wenn die Energie zu stark ist
und eure geistigen Kräfte ebenfalls, ist die geistige Energie voll aufgeladen.
Ohne Achtsamkeit wird sie unbalanciert und ihr könnt nicht mehr einschla-
fen. Euer Geist ist sehr leuchtend. Ihr könnt dem Objekt vom „Heben“ und
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„Senken“ zwar folgen, aber ihr könnt nicht hineinsinken. Das passiert bei-
spielsweise, wenn man Schmerz beobachtet. Wenn man ihn für lange Zeit
beobachtet, wird der Geist sehr aufgeladen und energetisch, weil ihr eine
Menge Energie braucht um dem Schmerz gegenüberzutreten. Nach der
Schmerzperiode kann der Körper sehr erschöpft sein, aber der Geist leuch-
tet stark. Es gibt keine Spur von Mattigkeit und Müdigkeit.
Wenn ihr jedoch versucht zum „Heben“ und „Senken“ zurückzukehren,
könnt ihr ihm zwar folgen, aber nicht einsinken. Der Geist schwimmt an der
Oberfläche. Er will nicht hineingehen und ist sehr leuchtkräftig. Mehr noch,
wenn ihr versucht schlafen zu gehen, könnt ihr es nicht, ihr dreht euch nur
hin und her.
Exzessive Konzentration tritt eher bei Leuten auf, die zuvor Samatha-
Meditation geübt haben oder bei denen, die während ihrer Meditationen
dazu tendieren, die Konzentration überzubetonen. Dabei passiert es, dass
der Geist wiederholt in sehr stille und ruhige Zustände hineingeht! An
diesem Punkt kann es zu einem gewissen Grad zum Sichgehenlassen
kommen. Man bleibt nur da. Ihr könnt lange Zeit sitzen, aber der Geist
durchdringt nicht. Er ist nicht fähig all den Einzelheiten der geistigen und
körperlichen Prozesse zu folgen. Es gibt überhaupt keine Schmerzen.
Manchmal entstehen auch Bilder und bleiben einige Zeit. Dies ist ein Zu-
stand der Stagnation. Deshalb muss man den Geist balancieren, wenn das
passiert.
Das Balancieren ist nicht so einfach, wie es scheint. Meistens dauert es
seine Zeit bevor der Geist balanciert ist, weil auf dieser Stufe des geistigen
Bewusstseins der Konzentration, der Geist mehr unter dem Einfluss einer
Art Schwungkraft steht. Die vielen Tage der Meditation bauen Schwung-
kraft auf, bis diese auf eine bestimmte Weise fließt. Im selben Moment,
wenn das passiert, werdet ihr nicht in der Lage sein die gesamte Kraft, die
hier arbeitet, zu kontrollieren. Deshalb werdet ihr etwas Zeit für die Neu-
ausrichtung oder die Balance brauchen.
77
Energieerhöhung beinhaltet eine energischere Form des Notierens. Macht
euren Geist klar, wachsam und notiert aktiv. Wenn ihr euch z. B. etwas
schläfrig fühlt, dann fehlt es an Energie und ihr müsst die Energie erhöhen.
Ihr könntet „schläfrig, schläfrig, schläfrig“ sagen. Aber vielleicht geht die
Schläfrigkeit so nicht weg, weil ihr langsam „schl-l-ä-f-rig, schl-l-ä-f-rig“
sagt. Ihr müsst es sehr schnell hintereinander sagen. Es ist ähnlich, wie mit
einem Maschinengewehr zu schießen.
Ein anderes Beispiel betrifft die Entstehung von Schmerz. Wenn
Schmerz entsteht, braucht ihr eine Menge an Energie. Ohne Energie könnt
ihr ihm nicht gegenübertreten. Deshalb macht ihr was? Ihr sagt „Schmer-
zen, Schmerzen, Schmerzen“ aber manchmal funktioniert es nicht. Ihr
müsst es sehr schnell sagen, wie ein Maschinengewehr. Dann baut sich
aktive Energie auf, die Achtsamkeit ist ausbalanciert und ihr könnt weiter-
machen.
Die zweite Art betrifft die Konzentrationserhöhung.
Wenn die Energie zu groß ist, müsst ihr auf der anderen Seite natürlich
mehr auf die Konzentrationsfähigkeit gehen. In solchen Fällen benutzt ihr
nicht ein so starkes, kräftiges Notieren, ihr notiert zart und sanft. Wenn euer
Geist z. B. überaktiv ist, habt ihr eine Menge Energie, aber ihr könnt nicht
hineinsinken. Da ist eine Art Aufregung im Geist. Wenn ihr „Heben“ und
„Senken“ sagt, ist es als würde euer Geist auf der Oberfläche schwimmen.
Deshalb ist das, was ihr in diesem Falle tun solltet, euch nicht zu stark an-
zustrengen. Beruhigt euch einfach, lasst alles passieren und beobachtet sanft
„Heben“ und „Senken“. Ihr solltet nicht daran denken die Konzentration zu
erhöhen oder Resultate erwarten.
Leute, die sehr zielorientiert sind, tendieren dazu, sich selbst zu stark
anzutreiben. Sie benutzen zu viel Energie. Sie sollten sich einfach nur zu-
rücklehnen, sich entspannen und sehen was passiert. Wenn da nichts ist,
dann könnt ihr zu euch selbst sagen, dass zumindest etwas Ruhe und
Frieden im Geist ist. Deshalb sitzt ihr einfach und entspannt euch. Wenn ihr
findet, dass es gut funktioniert, dann folgt ihr dem nur und wenn alles an-
genehm, friedvoll und schön ist und ihr keinerlei Erwartungen mehr habt,
dann sinkt der Geist hinein und folgt dem Objekt.
Ein nicht zu vergessender Punkt ist, dass da ein Moment kommen wird,
wo ihr nur die Stufe derjenigen Balance, die ihr erreicht habt, halten müsst.
Solltet ihr beispielsweise eine Menge an Mattigkeit und Müdigkeit haben,
treibt eure Energie an um Fortschritte zu erzielen. Aber ihr braucht das An-
treiben nicht zu halten. Ihr treibt euch nur solange an, bis ihr im optimalen
Zustand gefestigt seid. Wenn ihr euch zu sehr antreibt, dann geht ihr wieder
„über Bord“ und es wird zu energetisch.
Genauso ist es, wenn ihr feststellt, dass ihr zu viel Energie habt, ihr be-
ruhigt euch bis zu dem Punkt, wo ihr euch auf dem Objekt niederlassen
könnt. Einmal ausbalanciert, haltet diese Stufe. Versucht nicht noch mehr
zu entspannen, sonst könntet ihr einschlafen.
Deshalb ist es nicht nur allein eine Sache des Ausruhens oder der
Energieerhöhung. Man muss wissen, wie viel erhöht werden muss und wie
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viel entspannt werden muss. Es kommt ein Punkt, wo ihr euch auf dieser
Stufe festigt und ihr müsst diese Stufe mit Gleichmut erhalten.
2. Gerichtete Achtsamkeit und Wahllose Achtsamkeit
Es gibt noch eine andere Möglichkeit zum Balancieren der Fähigkeiten.
Es existieren zwei Arten von Achtsamkeit. Eines ist die „Gerichtete Acht-
samkeit“ und das andere ist die „Wahllose Achtsamkeit“. Gerichtete Acht-
samkeit ist, wenn wir ein Objekt erwarten, uns ihm zuwenden, es erwischen
und es aktiv notieren. Das ist am Anfang unserer Praxis notwendig, wo die
Konzentrations- und Achtsamkeitsfähigkeit noch schwach ist. Wenn ihr sie
auf ein Objekt heftet, bildet sie sich schneller aus.
Wenn ihr sitzt, müsst ihr dem „Heben“ und „Senken“ achtsam folgen.
Wenn kein „Heben“ und „Senken“ da ist, müsst ihr euch dazu antreiben, die
„Sitzen-“ und „Berühren-“ Empfindung zu beobachten. Das wird
„Gerichtete Bewusstheit, Gerichtete Achtsamkeit“ genannt.
Die andere Art ist Wahllose Achtsamkeit. Das heißt, dass ihr nicht
irgendein besonderes Objekt zum Beobachten auswählt. Ihr sitzt nur still
da, bleibt ruhig und beobachtet, was auch immer erscheint und wieder ver-
geht. Diese Methode arbeitet für diejenigen gut, die dazu tendieren sich zu
stark anzutreiben und versuchen in kurzer Zeit Resultate zu bekommen.
Dann wird der Geist zu stark besitzergreifend. Wenn dies passiert, sagt zu
eurem Geist, dass er alles loslassen soll, da, wenn zu viel Energie da ist, er
zu angestrengt ist und dann Anhaften entwickelt. Was ihr tun solltet ist, ein-
fach entspannen und euch um nichts sorgen. Kümmert euch dann auch nicht
darum, ob ihr eure Achtsamkeit verliert, da ihr wirklich die Energie ent-
spannen müsst. Wenn ihr das tut, wird die Achtsamkeit sich wieder an-
siedeln, aber es braucht seine Zeit.
Der Grund warum der Aufbau der Achtsamkeit wieder einige Zeit
braucht, könnte z. B. die Furcht sein, dass ihr bei Wahlloser Achtsamkeit
keine Fortschritte machen werdet und so Zeit verloren geht. Deshalb hängt
ihr am Notieren, hängt an den antreibenden Versuchen die Achtsamkeit
aufrechtzuerhalten und folglich wird Verspannung erzielt. Aber wenn ihr
einfach loslasst, euch nicht sorgt und einfach entspannt, etwas später nach-
schaut und euch versichert, dass da noch Achtsamkeit und Bewusstheit ist,
obwohl ihr sie habt gehen lassen, wird die Achtsamkeit sich wieder leicht
und ruhig niederlassen. Nach einiger Zeit öffnet sich der Geist wieder mehr
und entspannt sich. Wenn sich die Achtsamkeit niedergelassen und stabili-
siert hat, könnt ihr sie erneut antreiben und die Verspannungen werden
nicht auftreten. Das wird „Wahllose Achtsamkeit“ genannt.
Diese Art der Wahllosen Achtsamkeit erscheint häufiger in der fort-
geschrittenen Praxis. Denn wenn die Praxis fortschreitet, werden die
Meditationsobjekte bisweilen zufällig. Das „Heben“ und „Senken“ wird
sehr fein und wenn ihr versucht es zu beobachten, entstehen viele andere
Objekte wie Gefühle, Schmerzen, Empfindungen und es ist sehr schwierig
ein spezifisches Objekt auszumachen. Auch kann es sein, dass viele
Objekte sehr schnell entstehen und vergehen und ihr keines davon aus-
79
drücklich besonders beobachten könnt. Ihr versucht es, aber euer Notieren
ist zu langsam.
Deshalb erhaltet ihr nur eine einspitzige Bewusstheit auf alles, was auch
immer kommt und geht. Gewöhnlicherweise ist es auf dieser Stufe nur reine
Bewusstheit des Bewusstseins. Wenn ihr das aufrechterhalten könnt, wird
die Achtsamkeit sehr stabil. Dies ist eine andere Form der Wahllosen Acht-
samkeit. Bei der Wahllosen Achtsamkeit baut sich die Konzentration nicht
so schnell auf, aber sie ist stabiler.
3. Andere Formen des Balancierens
Auch andere Möglichkeiten die Fähigkeiten zu balancieren kann man
benutzen. Eine ist die Benutzung von Körperhaltungen. Gewisse Körperhal-
tungen sind mit bestimmten Objekten und Fähigkeiten verknüpft. Geh-
meditation z. B. ist verbunden mit dem Energieaufbau, da man beim Gehen
aktiv ist. Außerdem muss der Geist sehr aktiv sein um den Schritten zu
folgen. Deshalb ist es einfacher während der Gehmeditation Mattigkeit und
Müdigkeit zu überwinden.
Sitzmeditation auf der anderen Seite verursacht eher Konzentration, da
der gesamte Körper still ist und das „Heben“ und „Senken“ ein natürlicher
Prozess ist. Wir müssen das Atmen nicht so beabsichtigen, wie wir das
Gehen beabsichtigen müssen. Daher ist es einfacher den Geist ruhig zu
halten und nur das „Heben“ und „Senken“ zu beobachten. Dadurch ist es
durch Aufteilen der Geh- und Sitzmeditationsperioden möglich die Fähig-
keiten zu balancieren. Deshalb wird häufig empfohlen, dass man die gleiche
Menge Gehen und Sitzen sollte. Wenn ihr zu lange sitzt, besteht die
Tendenz, nur die Konzentration zu erhöhen. Wenn ihr zu viel geht, gibt es
auf der anderen Seite eine Tendenz, die Energiefähigkeit auf einen exzessi-
ven Punkt zu erhöhen.
Es ist deshalb wichtiger, das geistige Verhältnis im Kopf zu haben, an-
statt der tatsächlichen Zeitspanne. Wenn ihr sagt, dass ihr eure Energie-
fähigkeit erhöhen wollt und deshalb über eine Stunde oder möglicherweise
zwei Stunden geht, erhöht sich die Energie, aber es belastet den Körper. Ihr
werdet sehr müde. Die Hauptsache sind hier aber wirklich die Fähigkeiten
des Geistes selbst. Man muss die Fähigkeiten nicht durch Körperhaltungen
verändern.
Wie ich schon sagte, kann auch Gerichtete Achtsamkeit die Energie-
fähigkeit erhöhen. Deshalb ist die Änderung der Körperhaltung oder der
Meditationseinteilung eine gröbere Art dies zu tun.
Auch gewisse andere Objekte können mehr Energie oder Konzentration
produzieren. Lasst uns z. B. das „Heben“ und „Senken“ mit dem „Sitzen“
und „Berühren“ vergleichen. Zwischen diesen beiden tendiert das „Sitzen“
und „Berühren“ dazu, mehr Energie als Konzentration wachzurufen. Das ist
so, weil „Sitzen“ und „Berühren“ keine Bewegungsaktivitäten sind.
Deshalb müsst ihr Energie freimachen und den Geist antreiben im „Sitzen“
und „Berühren“ und zwar, indem ihr über Beobachtung der Kontaktpunkte
durch die entsprechenden Empfindungen geht
80
Im Gegensatz dazu tendiert das „Heben“ und „Senken“ dazu eine
Schwungkraft und einen Fluss aufzubauen, sodass nach einer Weile der
Geist sich auch in dieser Schwungkraft und dem Fluss befindet. Außerdem
braucht ihr nicht soviel Anstrengung um diesen Objekten zu folgen.
Deshalb ist es angemessen, wenn ihr sehr schläfrig seid, dass „Sitzen“ und
„Berühren“ mit vielen Berührungspunkten zu machen, damit mehr Energie
als Konzentration aufsteigt. Das ist auch der Grund, warum wir das
„Heben“ und „Senken“ als Hauptmeditationsobjekt benutzen. Es ist güns-
tiger um Konzentration wachzurufen als das „Sitzen“ und „Berühren“. Mit
dem „Sitzen“ und „Berühren“ tendieren wir dazu, eine Menge an anderen
Empfindungen zu bekommen und deshalb ist es eher diskursiv. Wenn wir
jedoch dem „Heben“ und „Senken“ folgen, ist es wie einen sich bewegen-
den Punkt zu verfolgen. Wenn ihr euch klar genug auf den bewegenden
Punkt konzentrieren könnt, baut sich die Konzentration auf.
Auf der anderen Seite ruft Schmerz mehr Energie wach. Wenn ihr aber
in der Lage seid, ihn mit reinem Bewusstsein zu beobachten, tendiert dies
eher dazu Konzentration wachzurufen, da reines Bewusstsein sich von allen
anderen Sinnesobjekten zurückzieht und nur in den Geist hineingeht.
Wenn es einem nicht gelingt, dass Vipassanā-Objekt zu benutzen um die
Fähigkeiten zu balancieren, dann können andere Maßnahmen ergriffen
werden, z. B. die Samatha-Methoden. Wenn ihr beispielsweise in Mattig-
keit und Müdigkeit versunken seid, könnt ihr die Wahrnehmung von Licht
und Rezitationen benutzen um den Geist zu motivieren. Es gibt auch andere
Formen der Samatha-Methoden wie die kasinas, Visualisierungen oder
auch der Atem. Diese Methoden führen eher dazu den Geist zu beruhigen.
83
10. Das Balancieren der fünf Kontrollfähigkeiten
Das Balancieren von Energie und Konzentration
Lasst uns zuerst einen Blick auf das Balancieren der Fähigkeit der
Energie (V) (viriya) und der Konzentration (E) (ekaggata) werfen.
Die unterschiedlichen Stärken der Faktoren V/E, lassen gewisse Arten
von Bewusstsein entstehen. Wenn sie gut balanciert sind (+V+E) oder (-V-
E) ist der Geist stabil und dies führt normalerweise zur Entstehung von
Achtsamkeit. Wenn sie unbalanciert sind, tendiert der Geist zu einem
Faktor und führt so zur Unruhe (+V-E) oder Müdigkeit (-V+E).
Diese Balance-Beziehung darf nicht mit anderen mentalen Faktoren, die
auch zur selben Zeit anwesend sind, durcheinander gebracht werden. In
einem nicht Meditierenden, der einen klaren Geisteszustand hat, sind V/E
auch gut balanciert. Das bedeutet aber nicht, dass Achtsamkeit vorhanden
ist. Deshalb ist es notwendig eine neue Variable (S) (sati) einzuführen. (S)
repräsentiert die Ab- oder Anwesenheit von Achtsamkeit und damit, ob das
Bewusstsein heilsam oder unheilsam ist. Die außerdem noch genannte
Variable (C) (chanda) repräsentiert die mentale Kraft (oder den „Drive“),
die sich mit kontinuierlicher und intensiver geistiger Übung erhöht. Ich
würde diese Kraft als „chanda“ oder „Wunsch zu tun“ oder wie es in einem
Abhidhamma-Buch heißt, als „Das Phänomen (dhamma), welches das
Objekt wünscht“, bezeichnen.
C1 = wenig Wunschkraft
C2 = stärkere Wunschkraft
C3 = sehr starke Wunschkraft
Das vitale Spiel dieser vier Variablen (C/S/V/E) kann am besten in der
folgenden Tabelle zusammen mit den Beschreibungen der verschiedenen
korrespondierenden Bewusstseinsarten zusammengefasst werden:
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Der Geist ist nicht ruhig und wandert zu vielen irrelevanten Gegen-
ständen.
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-V+E Die Energie ist geringer als die Konzentration
Der Geist wird sehr steif und schwer. Die Objekte werden gewöhnlich
vergrößert und zu stark wahrgenommen. Nimittas oder visuelle geistige
Objekte gibt es reichlich und sie verweilen lange. Schwere breitet sich im
Kopf aus.
Aus dem obigen ist zweifelsfrei ersichtlich, dass die Anwesenheit von
Achtsamkeit (+S) bei intensiver Meditation sehr wichtig ist. Dieser eine
Faktor hält den Geist davon ab, in falscher Konzentration (E) verloren
zu gehen. Es ist eine gute Sache immer etwas Achtsamkeit zu haben, auch
wenn jemand reine Ruhemeditation übt. Dieser Faktor wird oft übersehen.
Wenn die Achtsamkeit (+S) anwesend ist, dann ist man zumindest un-
gefährdet. Wenn man sich der Achtsamkeit nicht sicher ist, dann sollte man
sich darüber versichern oder aufhören.
Der nächste Schritt ist die Energie- (V) und Konzentrationsfähigkeit (E)
zu balancieren. Dies kann entweder durch Erhöhen eines Faktors oder durch
Erniedrigung des anderen getan werden. Am Anfang der Meditation ist es
angemessener die schwache Fähigkeit zu erhöhen (+). Es kann nicht zu viel
falsch gemacht werden, wenn die Wunschkraft (C) noch schwach ist.
87
Zum Beispiel im Falle von C2 (-V+E) + (-E) = C2 (-V-E)
Ein weiterer wichtiger Punkt ist, nicht nur die Faktoren einfach zu er-
höhen oder zu erniedrigen. Es geht darum, um wie viel wir sie erhöhen oder
erniedrigen. Die korrekte Umsetzung wächst natürlich mit unserer Er-
fahrung. Das generelle zur Beurteilung herangezogene Kriterium ist die
Stabilität der Achtsamkeit und dann die Tiefe der Konzentration. Das heißt,
mit Erhöhung der Achtsamkeit, verstärken sich Energie und Konzentration
Hand in Hand.
Welche Rolle spielt Glaube oder Vertrauen beim Aufbau der Fähig-
keiten, die zur Befreiung führen?
Glaube oder Vertrauen ist wie ein Starter oder eine Zündkerze. Es ist der
Beginn des spirituellen Lebens. In Buddhismus ist Glaube der Glaube an
die drei Kleinodien (buddha, dhamma, sangha).
88
Durch diesen Glauben führen wir verdienstliche Taten (dāna, sīla,
bhāvanā) aus, die uns glücklich machen. Es ist wie ein Schlüssel zu einer
Schatztruhe. Deshalb wird gesagt: „Glaube ist der größte Reichtum“.
Aber wenn uns unser Glaube nur soweit führt, dass wir Nächstenliebe
haben und die 5 Gebote befolgen, kann es uns nur das Glück der Menschen
und den sinnlichen Himmel offerieren. Wenn er uns dazu führt reine
Ruhemeditation zu praktizieren, die zu den weltlichen Vertiefungen (lokiya
jhāna) führt, dann wird er uns zum Glück der Brahmas geleiten. All diese
Zustände sind aber unbeständig. Das ist natürlich besser als in den Höllen
zu leiden. Es wäre aber noch besser, wenn uns unser Glaube aus dem
Zyklus des Geborenwerdens und Sterbens (samsara) herausführen würde
und wir komplett frei vom Leiden wären und ewigen Frieden – nibbāna –
hätten. Als solches muss er uns nicht nur zur Vipassanā-Praxis führen,
sondern auch dazu, dass wir die Praxis erfolgreich beenden. Das ist wie das
Überqueren des Ozeans und deshalb wurde gesagt, dass man durch den
Glauben in der Lage sei den Ozean zu überqueren.
Deshalb muss die Fähigkeit Glauben nicht nur die Energie zum Prakti-
zieren erzeugen, sondern man muss genug Vertrauen haben um lang genug
zu praktizieren und auch, um all die anderen Fähigkeiten wie die der Acht-
samkeit, Konzentration und Weisheit zu erzeugen.
All diejenigen, die denken, „wir haben einfach nicht genug Zeit zum
Praktizieren“, haben nicht genug Vertrauen. Wenn Vertrauen da wäre,
würde man sich die Zeit dazu nehmen.
Wenn die Leute sagen, heutzutage könne man den heiligen Pfad nicht
mehr erreichen, nehmen sie sich nicht nur selbst die Chance, sondern ver-
unsichern auch die leidenden Mitgefährten. Sie haben überhaupt kein Ver-
trauen.
Wenn man etwas Lohnenswertes erreichen möchte, sollte man positiver
denken. Natürlich muss man auch realistisch sein. Deshalb wird blinder
Glaube im Buddhismus nicht befürwortet. Wir brauchen Theorie (ausge-
wähltes Lesematerial), gut ausgewählte Lehrer und gesunden Menschenver-
stand. Mit der Zeit wird Erfahrung erlangt und mit dieser Erfahrung steigt
das Vertrauen und das Wissen.
Wie schon oben erwähnt, wird Wissen, dass durch Nachdenken entsteht
als irregeleitet oder spekulativ (das ist die falsche Art von Wissen) be-
schrieben. Es ist eine Tatsache, dass unser aus Beobachtung und Notieren
erhaltenes Wissen in dem Masse anwächst, je näher wir unserem Ziel
kommen. Dieses Wissen weist uns den Weg. Es zeigt uns unsere Fehler und
wie wir sie vermeiden, auch unsere guten Fähigkeiten, und wie wir sie ver-
bessern. Letztendlich führt dieses Wissen dazu, dass wir die Wahrheit er-
fahren.
Weisheit oder Wissen ist deshalb das Mittel, das zum Ende führt, ist
aber nicht das Ende selbst! Dies gilt auch für das Wissen, das aus der Kulti-
vierung des Geistes entstanden ist und über das oft als Einsicht oder Ein-
sichtswissen gesprochen wird. Deshalb ist es ein Fehler an irgendeiner
dieser Einsichten anzuhaften.
89
Alle Fähigkeiten werden durch Wissen wie mit Zement gestärkt. Wissen
hält alles in der erforderlichen Form zusammen, weil es alle Dinge in ihrer
wahren Bedeutung erhellt. Deshalb gibt es niemals ein Überschuss dieser
Art des Wissens. Es mangelt zu oft daran (ausgenommen in den Voll-
kommenen).
• Wenn wir müde oder lethargisch sind, brauchen wir mehr die
energetische Form der Achtsamkeit. Sie sprudelt leicht heraus, wenn
man voller Eifer ist. Man muss sich klar machen, dass mentale
Energie nicht mit physischer Energie verwechselt wird. Wenn wir
die mentale Energie aufbauen, ist das besser mit einem entspannten
Körper als mit einem Körper voller Spannungen. So werdet ihr die
Wachsamkeit kennen lernen, die jederzeit bereit zum Reagieren ist.
Sie ist der aktive Aspekt der Achtsamkeit.
• Wenn jedoch die Energie exzessiv ist und sich zur Unruhe neigt,
dann bringt eher eine entspanntere und leichtere Form der Achtsam-
keit Balance hervor. Man sollte sein Herz in friedvolle Ruhe bringen,
im Geiste dabei den Segen der Loslösung haben. Es ist der stille,
friedvolle und einspitzige Aspekt der Achtsamkeit.
91
Wenn man dies kann, das heißt, kontinuierliches Erhöhen in einer
balancierten Art über längere Zeit, wird der Meditationsfortschritt sehr weit
gehen.
Ein steckengebliebener Geist ist ein Geist, der gelangweilt und müde ist,
zu viel Energie oder harte Konzentration hat.
4. Das Wählen der angemessenen Körperhaltung oder angemessener
Objekte, die die Fähigkeiten entweder erwecken oder reduzieren
a) Die Körperhaltungen sind physischer Natur, aber sie können das Balan-
cieren der Fähigkeiten beeinflussen. Und zwar durch:
Aus diesem Grunde kann Gehen helfen, wenn wir lethargisch oder müde
sind. Und wenn wir unruhig, verspannt oder verstört sind, kann Sitzen oder
Liegen helfen. Die letzte Haltung der vier (das Liegen) wird normalerweise
nicht empfohlen, weil man zu leicht einschläft, obwohl man das durchaus
machen kann, wenn man krank ist oder zu schlafen beabsichtigt.
Das gewöhnliche Verfahren ist allerdings die gleiche Zeit zu sitzen wie
zu gehen (z. B. je eine Stunde). Zu viel zu sitzen oder zu gehen (das heißt
mehr als eine Stunde) wird nicht befürwortet. Das gilt besonders für An-
fänger, weil sie oft nicht in der Lage sind danach die Achtsamkeit aufrecht
zu erhalten. Es muss jedoch klar sein, dass das Balancieren der Fähigkeiten
mental ist und nicht physisch und deshalb, falls man auch nach einer Stunde
gut in der Achtsamkeit und Konzentration fortschreiten kann, gibt es in dem
Fall keinen Grund, warum man die Körperhaltung wechseln sollte.
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nicht Kontaktpunkte sind. Das „Sitzen“ besteht aus vielen physischen
Kräften wie ziehen, spannen, verzerren etc., welche die sitzende Haltung
bewahren. Diese Kräfte beinhalten hauptsächlich das Windelement.
Daneben kann auch Hitze, Härte etc. gefühlt werden.
Wie lange man sich mit jeder Notierung (S oder B) aufhält, variiert mit
den Bedingungen. Wenn man müde ist und die Objekte unklar erschei-
nen, dann sollte man sich nicht so lange (ca. 5 Sek. an jedem Punkt) mit
ihnen aufhalten, aber wenn man nicht schläfrig ist, kann man länger be-
obachten (z. B. 50 Sek. 100 Sek. oder länger), um die unterschiedlichen
Empfindungen wahrzunehmen. Wenn jemand sehr hartnäckig konti-
nuierlich S,S,S... B, B, B... notiert, wird eine Menge Energie wach und
in vielen Fällen kann die Schläfrigkeit überwunden werden. Dann kann
man mehr Empfindungen erkennen. Solche wie S1, S2, S3, S4... etc
oder B1, B2, B3 etc. (siehe Diagramm).
Eine andere Möglichkeit ist, nur die unterschiedlichen Berührungs-
punkte zu beobachten B1, B2, B3... etc. und zwar energetischer, wenn
man schläfrig ist oder die Objekte unklar sind. Wenn die Achtsamkeit
der Erwartung entspricht, kann man einen ausgewählten Punkt länger
beobachten (das heißt 100 Sek. oder länger). Dies kann für Anfänger,
die noch nicht richtig verstehen, was mit den „Sitzen“ - Empfindungen
gemeint ist, nützlich sein.
Wenn sich die Konzentration aufgebaut hat, wird man sich all der
Empfindungen im Körper bewusst, und wenn es gut passt, kehrt man
dann zur wahllosen Achtsamkeit zurück.
Im Allgemeinen weckt das „Sitzen“ und „Berühren“ die Energiefähig-
keit, weil eine Menge Anstrengung benötigt wird die Achtsamkeit zu
halten oder sie auf die betreffenden Empfindungspunkte zu lenken.
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94
iii Schmerzhafte Gefühle
Dieses Objekt weckt wegen seiner scharfen und starken Natur eine
Menge an Energie, wenn kein Zorn vorhanden ist! Dazu müssen wir den
Geist auf den Schmerz mit starker und fester Achtsamkeit gerichtet
halten.
iv Angenehme Gefühle
„Glück“, baut leicht Konzentration auf. Deshalb müssen wir sehr acht-
sam sein oder wir fallen in den Schlaf.
v Geräusche/Hören
Geräusche werden normalerweise nicht als primäres Vipassanā-Objekt
benutzt, da sie dazu tendieren den Geist zu zerstreuen. Sie sind außer-
halb und fremd. Deshalb führen sie definitiv nicht zur Konzentration.
Geräusche helfen auch nicht die gewünschte rechte Anstrengung zu
stimulieren. Sie können jedoch bei der Wachheit auf den gegenwärtigen
Moment helfen, wenn alle anderen Objekte unklar sind.
vi Gehen
Gehmeditation tendiert dazu, wegen der aktiven Natur dieses Prozesses,
eine Menge Energie und Achtsamkeit zu erwecken. Man muss viele
Bewegungen und Absichten notieren. Aus diesem Grund ist es auch oft
nicht leicht tiefe Konzentration zu bekommen. Deshalb muss man
lernen dabei sehr entspannt zu sein
vii Sehen/Licht
Wie die Geräusche muss auch das Sehen aufgegeben werden, wenn die
Konzentration tiefer wird. In der Gehmeditation sind die Augen ge-
wöhnlich offen und das Sehen ist unvermeidlich. Das kann Anfänger
sehr stören und deshalb müssen sie regelmäßig das Zügeln des Auges
üben und „Sehen, Sehen“ notieren. Jedoch wegen seiner hellen und sich
ausdehnenden Natur, kann es einen gewissen Grad an Energie wach-
rufen und Mattigkeit vertreiben.
Es gibt eine andere Art von Licht, die mit dem geistigen Auge beim
Sitzen mit geschlossenen Augen gesehen wird. Diese werden als geis-
tige Bilder klassifiziert. Beim vipassanā, werden sie notiert und ver-
schwinden deshalb. In der Samatha-Meditation, werden sie benutzt, um
Konzentration zu erzeugen.
Jetzt verstehen wir, dass, wenn wir ein Objekt wählen können, wir auch
eines wählen können um die Fähigkeiten zu balancieren. Es ist z. B. bei
Müdigkeit besser, den Schmerz und „Sitzen“ sowie „Berühren“ zu
beobachten als „Heben“ und „Senken.
Wir können auch das Umgekehrte anwenden, damit wir die entspre-
chenden Fähigkeiten erhöhen oder erniedrigen, falls irgendein von uns aus-
gewähltes Objekte nicht erscheint um so die Fähigkeiten zu balancieren.
Schmerz erhöht sehr leicht die Energie, deshalb wird hier ausbalanciert
95
durch entspannteres Notieren. Andererseits ist bei einem angenehmen Ge-
fühl mehr Wachheit und energischeres Notieren erforderlich.
Ein anderer Punkt ist das Temperament des Individuums. Der mehr
energetische Typ braucht Ruhe, während der mehr träge Typ Energie
braucht.
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11. Schärfen der geistigen Kontrollfähigkeiten
Neun Wege zur Schärfung der Fähigkeiten
Damit wir uns ein besseres Bild vom Schärfen der Fähigkeiten machen
können, ist es nützlich sich die neun Wege, wie sie in der visuddhi magga
erwähnt werden, anzusehen.
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3. Man strengt sich kontinuierlich an
Während sorgfältiges und ernsthaftes Bemühen eine gute Qualität für
jeden Moment des Notierens verspricht, ist auch Kontinuität vonnöten. Um
fähig zu kontinuierlichem Bemühen zu sein, braucht man Willenskraft, Ge-
duld, Geschick, Vielseitigkeit und Flexibilität der Achtsamkeit.
Kontinuität erlaubt das stetige Erhöhen der Achtsamkeit und die so er-
zeugte Schwungkraft ist erheblich. Deshalb können die meisten Leute nur
in intensiven Meditations-Retreats (von mind. einer Woche) innerhalb
kurzer Zeit markanteren und sichtbareren Fortschritt erfahren.
4. Erinnerung an den Weg, wie man Konzentration erreicht hat
Wir können nicht erwarten, dass wir alles von unserem Lehrer lernen.
Eine Menge hängt von uns selber und unserem gesunden Menschenverstand
ab.
Die Entstehung von Konzentration ist z. B. sehr individuell. Sie hängt
vom Temperament und der Eigentümlichkeit des Einzelnen ab. Wenn
Konzentration entsteht, ist es günstig, dass wir uns später an den Weg ihrer
Erzeugung erinnern können. Das Gleiche gilt auch für Einsichtserfah-
rungen.
Beim Erinnern der Prozesse ist es, wie als wenn sich jemand an Grenz-
steine erinnert, nachdem er seine Reise beendet hat. So wird er das nächste
Mal sicherer, schneller und leichter reisen. Das stattet euch mit einem
Protokoll aus, das sowohl euren Lehrer während der Interviews dabei unter-
stützt euch zu helfen, als es auch für eure eigene spätere Einschätzung hilf-
reich ist.
5. Das Erwägen der sieben Angemessenheiten
Die äußere Umgebung kann den Geist von Anfängern stark beein-
flussen. Eine richtige Wahl äußerer Bedingungen kann deshalb bessere
Resultate hervorbringen. Die sieben Angemessenheiten sind kurzgefasst
diese:
i. Angemessenes Essen
Eine ausgewogene, der Gesundheit des Individuums angemessene Diät
wäre die vernünftige Wahl. Wir müssen die Nahrung aber auch vom Stand-
punkt der Befleckungen aus betrachten. Das bedeutet Essen zu sich zu
nehmen, das keine Anhaftung erweckt. Außerdem gibt es noch die ethi-
schen Überlegungen. Achtsamkeit während des Essens und andere Betrach-
tungen nach dem Essen werden uns dabei helfen.
Eine übliche Betrachtung vor dem Essen ist, die Mahlzeit nur als Er-
nährung für den Körper zu sehen um ihn zu erhalten und um bei der An-
strengung zu helfen. So besinnt man sich, dass man nicht isst um sich zu
berauschen, zur Verschönerung, zum Spaß oder zum Dickwerden.
ii. Angemessene Behausung
Einige Erfordernisse für eine Behausung wurden in den nikayas er-
wähnt.
• nicht zu weit und auch nicht zu nah am Dorf.
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• leicht zugänglich.
• nicht zu bevölkert am Tag, ruhig und still bei Nacht.
• Verfügbarkeit der vier Bedarfsgegenstände und Sicherheit vor
Krankheit und Ungeziefer sowie anderen feindlichen Kreaturen.
• Die Anwesenheit eines guten Freundes (z. B. Lehrers)
Die visuddhi magga beschreibt noch achtzehn andere Arten der unan-
gemessenen Behausung unter der Überschrift Hindernisse. Sie sagt noch
zusätzlich, dass die Angemessenheit auch vom Temperament des Meditie-
renden abhängt.
In Kürze sind die 18 Arten von unangemessenen Klöstern folgende
Orte:
• Waldbehausung
• Behausung am Fuße eines Baumes
• Behausung auf einem offenen Feld
• Behausung in einem leeren Haus
Weiterhin ist es ratsam einen edlen arahant zu finden und wenn das
nicht möglich ist, jemanden mit weniger Erreichtem. Wenn auch das schei-
tert, jemanden mit den jhānas (Vertiefungen) und wenn auch das nicht ge-
lingt, jemand Versiertes mit den Texten.
vi. Angemessene Gespräche
Gewöhnlich ist während einer intensiven Meditationszeit nur lohnendes
Gespräch über die Praxis erlaubt. Das kann noch weiter beschränkt werden
auf Gespräche, die strikt nur die Meditation betreffen. Die weniger loh-
nenden, ganz zu schweigen die weltlichen Gespräche, außer den absolut
notwendigen, werden unterbrochen.
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Im Alltag sollte man so oft wie möglich die nicht lohnenden Gespräche
vermeiden. Bis zu einem gewissen Grad ist es allerdings unvermeidbar,
wenn ihr euren Lebensunterhalt verdient. Aber insgesamt bedeutet es, dass
wir unser Bestes zu geben haben, nicht die vierte Verhaltensregel des
Lügens und anderer Formen der unheilsamen Äußerungen zu überschreiten.
vii. Angemessener Aufenthalt
Dies bezieht sich auf Plätze, wo Mönche auf Almosengang gehen
können. Für Hausleute bedeutet es den Arbeitsplatz. Es ist wichtig, eine
Arbeitsmöglichkeit zu finden, die wenig Befleckungen hervorbringt.
6. Kultivierung der sieben Faktoren der Erleuchtung
Diese sieben Faktoren der Erleuchtung sind geistige Bedingungen, die
zusammenkommen im Moment der Erleuchtung. Sie werden separat be-
handelt, sodass wir sie mehr im Detail studieren können und sie entspre-
chend den Umständen anwenden. Wir werden sie hier erwähnen, wie sie im
SatipaSShāna-Kommentar besprochen wurden.
i. Der Erleuchtungsfaktor Achtsamkeit (sati sambojjhanga)
Dies ist die rechte Achtsamkeit des edlen achtfachen Pfades, d. h. der
vier Pfeiler der Achtsamkeit. Es ist auch die Achtsamkeit, welche die
Dinge, so wie sie wirklich sind, in der Einsichtsmeditation sieht. Da er
überhaupt der wichtigste Faktor ist, wundert man sich ein wenig darüber,
warum er jetzt erst erwähnt wird.
Die vier Bedingungen, die zum Entstehen dieses Faktors führen, sind:
• Sich mit der Praxis der Achtsamkeit mit klarem Verständnis, wie im
SatipaSShāna-Sutta aufgezeigt wurde, beschäftigen
• Personen mit verwirrtem (unachtsamen) Geist vermeiden
• Sich mit Personen zusammentun, die ständig achtsam sind
• Neigung (des Geistes, durch Verstehen und Willenskraft) zur
Entwicklung des Erleuchtungsfaktors Achtsamkeit.
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• Betrachtung der tiefen Unterschiede der wahrgenommenen Prozesse
bis aufs Äußerste (Geist und Materie)
• Neigung zur Entwicklung dieses Faktors
Die elf Bedingungen, die zum Entstehen von Konzentration führen sind:
7. Sich nicht über den Körper und die Gesundheit während der
Meditation sorgen
Wenn sich die Meditierenden einer langen intensiven Praxis unter-
ziehen, ist es nur wahrscheinlich, dass sie eines Tages eine Krankheit be-
fällt. Zu oft benutzen wir das als Entschuldigung um mit dem Meditieren
aufzuhören. Wenn wir verstehen, dass Krankheit und Tod unvermeidlich
sind, dann gibt es keinen Grund zu stoppen. Wir sollten bis zu unserem
letzten Atemzug praktizieren. Es gab viele, die den Schmerz beobachteten
und beim Tod die erhabene Verwirklichung erreichten. Es gibt auch immer
wieder solche, die von ihrer Krankheit genesen.
Natürlich bedeutet das nicht, dass wir keine medizinische Hilfe brau-
chen. Es bedeutet nur, dass wir nicht mit der Praxis aufhören sollten.
8. Das Überwinden des Schmerzes mit Hilfe von Energie
Schmerz und Krankheit kommen gewöhnlich zusammen. Die Ursache
ist aber eine andere als das lange Sitzen in einer Körperhaltung. Erhöhte
Konzentration kann auch einen leichten Schmerz groß erscheinen lassen.
Auch Hunger wird als Form von Krankheit betrachtet. Wir können diesen
körperlichen Schmerzen nicht vollständig entkommen und deshalb müssen
wir ihnen früher oder später gegenübertreten. Um sie achtsam zu beobach-
ten, brauchen wir eine Menge Energie. Wenn unser Geist stark genug ist,
können wir den Schmerz überwinden.
9. Nicht auf halbem Wege vor dem Ziel aufhören
Das letzte Ziel ist die komplette Ausrodung der Befleckungen, die
Arahantschaft. So lang wir sie nicht erreicht haben, kann Leiden noch
schrecklich tyrannisch sein.
Die Erreichung dieses Zieles wird wahrscheinlich für die meisten eine
ganze Weile dauern. Nimmt man die Haltung „nicht auf halbem Wege
stoppen“ ein, erlaubt dies dem Meditierenden sich so lange zu bemühen,
wie er es aushalten kann.
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Zeitperioden andere Objekte betrachten (z. B. Gefühle, Geist und geistige
Zustände). Das ermöglicht uns unabhängig vom Objekt tiefere Praxisstufen
zu erreichen. Diese Erhöhung der Flexibilität hat eine günstige Wirkung auf
die Einsichtsreifung.
ii. Samatha-Meditation
Obwohl sich reine Ruhemeditation von Einsichtsmeditation unterschei-
det, kann sie definitiv von Hilfe sein. Jemand der starke Konzentration
(samatha) hat, kann schon längere Zeit sitzen und tiefe Konzentrations-
stufen erlauben das Entstehen von Einsicht. Obwohl Einsicht auch mit
reinem Einsichtsvehikel möglich ist, ist sie mit starker Konzentration ein-
facher zu erlangen. Außerdem haben die verschiedenen Objekttypen in der
Samatha-Meditation ihre eigenen speziellen Effekte auf die Leute.
Beispielsweise sind einige Objekte besonders dafür geeignet gewisse Be-
fleckungen zu behandeln. Jemand, der oft sehr wütend ist, wird es einfacher
haben, wenn er vorher Liebende-Güte-Meditation gemacht hat. Die Lie-
bende-Güte-Meditation kann auch den eigenen moralischen Zustand
stärken, wenn er schwach ist.
Ein anderes Beispiel ist, dass jemand mit wenig Glauben - nach der Be-
trachtung der drei Kleinodien - mehr Vertrauen und Begeisterung hat.
Ein anderer zu beachtender Punkt ist, dass die meisten der buddhis-
tischen Samatha-Meditationen sich mit der Einsichtsmeditation schnell ver-
binden lassen. Das Samatha-Objekt kann schnell zum Vipassanā-Objekt
umgeschaltet werden. Dazu ist nur ein Umschalten der Aufmerksamkeit
notwendig.
Ein Beispiel ist das Wind-Kasina (ein kasina ist eine reine äußere Vor-
richtung, um die Konzentration des Geistes bis zur vierten Vertiefung zu
produzieren und zu entwickeln). Das erste geistige Objekt (uggaha nimitta),
das Wind-Kasina, ist für einen Anfänger kaum vom Windelement der Ein-
sichtsmeditation zu unterscheiden.
Ein anderes Beispiel. Ein klarer Geist, der durch Meditation auf das
Licht-Kasina entwickelt wurde, kann bei den Beobachtungen der Ein-
sichtsmeditation helfen.
Außerdem können einige Meditationsobjekte gewisse geistige Zustände
produzieren, die das Entstehen von Einsicht katalysieren. Es ist aus den
Texten bekannt, dass nach der Begegnung mit gewissen Objekten, die rein
konzeptueller Natur sind, Einsicht aufsteigen kann. Zum Beispiel kann das
Betrachten einer Leiche Ablösung, die genauso stark wie das Wissen der
Ablösung ist, hervorrufen.
105
Die Fragen bezüglich der Samatha-Meditation sind hier:
Der Zeitfaktor ist allerdings ein Problem. Da alles unsicher ist und die
Zeit zu schnell verrinnt, müssen wir uns beeilen. Ein anderes Problem ist
die mangelnde Verfügbarkeit von erfahrenen und qualifizierten Lehrern.
Wenn man weit entfernte Vorsätze fasst, muss man Folgendes bedenken:
• Die Reinheit des Motivs. Es darf nicht durch Gier, Hass oder Ver-
blendung in irgendeiner Weise beeinflusst sein. Sonst könnten unan-
genehme Resultate entstehen.
• Präzise und klare Worte. Ohne sie werden die Resultate unklar oder
auch anders als man wollte. Es ist wie das Füttern eines Computers
mit einer undeutlichen Anfrage. Mir ist ein unglückseliges Beispiel
begegnet, wo ein Meditierender für eine ganze Weile aus diesem
Grund die Kontrolle über seinen Geist verloren hat.
Einmal fragte ich meinen Lehrer, was der beste Vorsatz für einen
Meditierenden ist. Die Antwort war, dass Meditation Läuterung des Geistes
ist und es gut wäre Vorsätze zu machen, die dies im Hinterkopf behalten.
Man kann z. B. nach verdienstvollen Taten wie Almosengeben sich
Vorsätzen bedienen.
106
Durch das Beachten dieser moralischen Vorschriften - möge das
nibbāna realisiert werden.
Durch diese Meditation - möge Pfad und Fruchtwissen hervorgerufen
werden.
Dann gibt es auch noch die Praxis, in der man den Vorsatz fasst jedes
Einsichtswissen klar zu entwickeln:
Dies kann man natürlich nur machen, wenn man tatsächlich durch die
vorherigen Stufen gegangen ist. Wenn man diese Weisheit schon erreicht
hat, hilft es einem darin zu reifen und sie zu etablieren.
1. Ein Mönch hat einen guten Freund, einen guten Begleiter und Kame-
raden.
2. Ein Mönch ist tugendhaft und hält sich an die Gebote.
3. Er führt Gespräche, die ernst sind und das Herz öffnen: Gespräche
über Bescheidenheit, Zufriedenheit, Abgeschiedenheit, Einsamkeit,
Energieeinsatz, Tugend, Konzentration, Wissen, Befreiung, Wissen
und Einsicht der Befreiung. Solche Gespräche erlangt ein Mönch
leicht und ohne Schwierigkeiten.
4. Ein Mönch strengt sich an heillose Eigenschaften abzulegen,
Rechtschaffenheit anzunehmen, beharrend und mit großer Energie.
Er drückt sich nicht vor der Bürde der Rechtschaffenheit.
5. Ein Mönch besitzt Wissen und ist mit ihm ausgestattet. Er versteht
das Entstehen und Vergehen. Edel durchschaut er den Weg, der zur
Zerstörung des Leidens führt. Wenn diese fünf Voraussetzungen er-
füllt sind, müssen weitere vier Dinge entwickelt werden:
Das „Untersuchen auf drei Arten“ bezieht sich auf die Untersuchung der
Natur der:
1. Elemente (dhātu)
2. Grundlagen (āyatana)
3. Bedingten Entstehung (pa)iccasamuppāda)
108
12. Arten der Konzentration
Wenn ihr genug Erfahrung in grundlegenden Meditationsübungen habt
und gelernt habt, wie ihr die fünf geistigen Fähigkeiten ausbalancieren
könnt, dann werdet ihr langsam anfangen tiefe Konzentration zu ent-
wickeln.
“Konzentration“ beinhaltet tatsächlich eine ganze Reihe von Erfah-
rungen. Im Pali wird Konzentration manchmal als ekkaggata (Einspitzig-
keit), als samādhi (Konzentration) und als jhāna (Vertiefung) bezeichnet.
Damit wir Konzentration entwickeln können, müssen wir wissen,
worüber wir sprechen. Wir fangen an, indem wir uns zunächst näher mit der
Achtsamkeit beschäftigen.
Am Anfang eines Retreats müssen wir verstehen lernen, was Achtsam-
keit und was Nicht-Achtsamkeit bedeutet. Nicht-Achtsamkeit bedeutet die
Abwesenheit klarer Bewusstheit. Achtsamkeit bedeutet die Anwesenheit
von klarer Bewusstheit. Achtsamkeit heißt nicht einfach “wissen“, sondern
es bedeutet etwas mit klarem Geist zu wissen.
Nach einigen Praxistagen werdet ihr in der Lage sein den Unterschied
zwischen beiden zu erkennen. Wenn euer Geist nicht achtsam ist, dann
wandert er herum, grübelt und befindet sich in einem schrecklichen Zu-
stand. Wenn euer Geist achtsam ist, ist er klar und ihr seid in der Lage den
Objekten zu folgen.
Als Nächstes ist da die Frage, wie sehr achtsam ihr seid. Es ist nicht
schwierig zwischen starker Achtsamkeit und Nicht-Achtsamkeit zu unter-
scheiden. Man muss jedoch zwischen subtiler Achtsamkeit und Nicht-
Achtsamkeit unterscheiden können. Die Situation, in der diese Frage aktuell
wird, tritt in feineren und tieferen Stadien der Konzentration auf.
Wenn man einmal gelernt hat, zwischen dem Vorhandensein und der
Abwesenheit von Achtsamkeit zu unterscheiden, dann besteht der nächste
Schritt darin Konzentration und Achtsamkeit auseinander zu halten.
Konzentration meint lediglich, dass man auf einen Punkt ausgerichtet ist. In
einem allgemeineren Sinne spricht man auch davon, den Geist auf ein
Objekt gerichtet zu halten. Obwohl es so ist, dass Konzentration und Acht-
samkeit gemeinsam erscheinen können, muss es jedoch nicht so sein.
Sich zu konzentrieren bedeutet also, den Geist auf ein Objekt zu richten.
Wenn euer Geist beispielsweise bemüht ist, dem „Heben“ und „Senken“ der
Bauchdecke zu folgen, dann ist dies Konzentration, bzw. Gerichtet-Sein auf
einen Punkt. Oder wenn ihr versucht die Schmerzen zu beobachten und
darauf gerichtet bleibt, dann ist dies Konzentration auf den Schmerz. Acht-
samkeit ist jedoch, wie ihr dies tut.
110
dies, dass ihr euch konzentriert. Haltet ihr eure Praxis mehr auf die Konzen-
tration ausgerichtet, dann wird eure Meditation sich mehr in Richtung Ruhe
entwickeln, was euch in tiefe Stadien der Konzentration führen wird.
Ist es jedoch so, dass ihr euch eher darauf verlegt die Charakteristika des
Spiegelbildes zu studieren, dann praktiziert ihr Achtsamkeit. Ihr seht viel-
leicht eine lange Nase, einen Schnurrbart, Zähne eines Bockes, eine Glatze
usw., dann realisiert ihr, dass dies das Gesicht eines Dämonen ist. Ihr fragt
euch vielleicht, was das sei. Das Gesicht eines Menschen? Dies bedeutet,
dass ihr gründlich eine geistige Notiz von all diesen Eigenheiten gemacht
habt, die ihr im Spiegel gesehen habt. Das ist Achtsamkeit.
Habt ihr all diese Details in euch aufgenommen und verstanden, was sie
im Wesentlichen bedeuten, dann wird aus Achtsamkeit Weisheit. Wenn ihr
die Betonung auf Achtsamkeit legt und deshalb sorgfältig mit Achtsamkeit
die Natur der Objekte beobachtet, also all die verschiedenen erscheinenden
Prozesse, dann wird der Geist Fortschritte auf dem Weg der Einsicht
(vipassanā) erlangen.
Die zwei verschiedenen Pfade, die ihr nutzen könnt werden klar, wenn
ich euch etwas über ānapānasati erzähle. Einige Leute machen
ānapānasati, indem sie die Ein- und Ausatmungsempfindung an der Nasen-
spitze zählen, während sie sich auf sie gleichzeitig konzentrieren. Dabei
wird der Geist sehr friedvoll. Wenn sich die Konzentration im weiteren
Verlauf vertieft, dann mag sich diese Empfindung wie Baumwolle an-
fühlen. Ihr beobachtet dann die Empfindung mit etwas Achtsamkeit, jedoch
liegt die Betonung mehr auf Konzentration. Ihr verweilt dann dort für
längere Zeit, weil der Geist so friedliebend und ruhig ist. Wenn sich der
Geist im weiteren Verlauf immer mehr in das Objekt vertieft, wird er selbst
und das Objekt immer feiner und ruhiger.
Wenn jemand jedoch von diesem Punkt an vipassanā praktizieren
möchte, dann muss man nicht nur den Geist ruhig halten, sondern man
muss auch den Geist dazu bringen all die Empfindungen, die an der Nasen-
spitze auftauchen klar zu registrieren. In diesem Fall wird man viele Pro-
zesse und Veränderungen bemerken, insbesondere jene, die mit dem Hitze-
Element zusammenhängen, welche entstehen und wieder vergehen.
Auf diese Weise werdet ihr zwar nicht in die reinen Ruhezustände der
Vertiefungen gelangen, aber ihr werdet auf dem Einsichtspfad voranschrei-
ten.
Selbst bei der Betrachtung des Hebens und Senkens der Bauchdecke
tendieren einige Leute dazu Ruhemeditation zu machen. Dies liegt daran,
dass sie nicht die achtsame Beobachtung betonen. Sie betonen vielmehr das
Fixieren des Geistes und folgen dieser Fixierung beim Heben und Senken.
Gewöhnlich sind die Veränderungen, die bei der Betrachtung des
Hebens und Senkens der Bauchdecke als Meditationsobjekt auftreten, klarer
und gröber. Deshalb werden sie für angemessenere Objekte der Einsichts-
entwicklung gehalten. Aber selbst dann passiert es manchmal, dass Meditie-
rende die Veränderungen nicht notieren. Dies liegt daran, dass die Entwick-
lung der Beobachtung außerordentlich schwierig ist und man viel Energie
dafür braucht. Deshalb konzentrieren sie sich nur und fühlen sich friedvoll.
111
Selbst wenn sie in der Lage sind ein paar Veränderungen wahrzu-
nehmen, so ist dies allein nicht ausreichend. Wenn die Achtsamkeit nicht
ausreicht und stattdessen Konzentration entwickelt und betont wird, er-
reichen diese Meditierenden nur eine Form der Ruhemeditation.
Vipassanā
Die Vipassanā-Objekte sind tatsächliche Realitäten wie “Heben“ und
“Senken“, sie sind eine tatsächliche Empfindung wie z. B. Schmerz. Ihr
müsst sie euch nicht extra ausdenken. Sie sind bereits da und ihr müsst
nicht danach Ausschau halten. Und wenn ihr im weiteren Verlauf ihrer
eigentlichen Natur mehr gewahr werdet, dann werdet ihr bemerken, dass sie
nicht still sind, dass es sich nicht um statische Objekte handelt. Diese
Objekte sind pulsierend, veränderlich, entstehen und vergehen.
Je mehr ihr euch dessen gewahr werdet, desto klarer wird die veränder-
liche Natur der Objekte. Diese Objekte unterscheiden sich klar vom
113
Samatha-Objekt bzw. dessen Visualisierung, durch die das Objekt ruhiger
und statischer wird, je mehr man sich darin vertieft. Das Vipassanā-Objekt
fluktuiert wegen seiner unbeständigen Natur. Wenn das Objekt sich ver-
ändert, treten die Merkmale der Unzulänglichkeit (dukkha) und der Aspekt
der Unpersönlichkeit (anattā) deutlich zu Tage. Ihr richtet dabei die
Vipassanā-Konzentration auf die veränderlichen Objekte, bis die Einsicht
aufsteigt. Diese Einsicht ist Verwirklichung in Hinblick auf die drei univer-
sellen Daseinsmerkmale Unbeständigkeit, Unzulänglichkeit und Unpersön-
lichkeit.
Wenn diese Vipassanā-Konzentration nicht auftritt, kann Einsicht nicht
entstehen. Gewöhnlich ist der Ausgangspunkt die Wahrnehmung der Un-
beständigkeit. Unbeständigkeit muss zuerst registriert werden, weil Un-
zulänglichkeit (dukkha) nicht lediglich das ist, was wir gewöhnlich darunter
verstehen, sondern weil Unzulänglichkeit Unbeständigkeit selbst ist. Das
Nicht-Selbst ist Nicht-Selbst, weil es unbeständig und unzulänglich ist. Die
Wahrnehmung der Unbeständigkeit ist, als wenn ihr die Natur eines sich
ändernden oder bewegenden Objektes verstehen möchtet.
Was ist die Veränderung? Ihr müsst in der Lage sein, den Geist auf die
Veränderungen zu richten. Die Veränderung ist nichts Statisches. Sie ist
etwas, das ständig in Bewegung ist. Also muss der Geist der momentanen
Veränderung genau folgen und in ihr ganz vertieft werden. Und weil die
Achtsamkeit so klar und präzise ist, versteht sie die Natur des Veränder-
lichen, weil sie eins damit geworden ist.
Wenn ihr der Veränderung nicht folgen könnt und nicht eins mit ihr
seid, wie könnt ihr dann wissen, was sie ist? Wie könnt ihr sehen, was es
mit ihr auf sich hat?
114
ist lediglich vorbereitende Konzentration. Wenn man dies genug übt, wird
die nächste Stufe erreicht, bei der die Konzentration ausreichend Schwung
hat um von alleine voranzuschreiten.
2. Die Stufe des Segelns
Die zweite Etappe, die Stufe des Segelns, ist einfacher, da es euch so
vorkommt, als wärt ihr auf einem Boot, das mit dem Strom fließt. Die
Konzentration ist auf dieser Stufe so entwickelt, dass sie ein Eigenleben zu
haben scheint. Sie bewegt sich wie von allein. Das ist genauso, als wenn ihr
Liebende Güte mit einem Objekt, auf das ihr eure Liebe verströmt, prakti-
ziert. Die Liebende Güte fließt und fließt wie in Wellen.
Beim Beobachten der Bauchdeckenbewegung fließt die Achtsamkeit,
nachdem sie sich zur kontinuierlichen Achtsamkeit entwickelt hat, mit dem
„Heben“ und „Senken“ der Bauchdecke mit. Ist das „Heben“ und „Senken“
der Bauchdecke lang, dann fließt eure Achtsamkeit in langen Wellen vom
Anfang bis zum Ende.
Ist es kurz, fließt eure Achtsamkeit in kleinen Wellen vom Anfang bis
zum Ende mit. Wenn das „Heben“ und „Senken“ der Bauchdecke sich in
springenden Bewegungen entwickelt, dann springt die Achtsamkeit mit. Ihr
müsst keine spezielle Anstrengung machen, da der Geist auf der Welle mit-
segelt.
3. Das Gefühl abzuheben
Die dritte Stufe ist das Gefühl einen Abflug zu machen, zu fliegen und
zu verschwinden, bzw. wegzusinken und zu verschwinden. Gewöhnlich
macht ihr zuerst die Erfahrung abzuheben und dann wegzusinken. Dies ist
so, weil der Schwung so glatt geworden ist, so schnell, so leicht, sodass
sehr viel Freude aufkommt. Sehr viel innerer Friede steigt auf. Alles ist sehr
leicht geworden.
Als Ergebnis bewegt der Geist sich auf ein subtileres Objekt zu. Je sub-
tiler das Objekt wird, in desto tiefere Stadien bewegt sich der Geist. Wenn
ihr die Konzentration auf eine höhere Stufe verschiebt, ist es, als würde der
Geist einen Flug machen. Der Geist kann dabei so fein werden, dass er
manchmal so wirkt, als wäre er unbewusst. Tatsächlich handelt es sich
dabei um ein Stadium der Konzentration mit einem sehr feinen und ent-
wickeltem Objekt. Manchmal, insbesondere wenn das Objekt etwas gröber
ist, fühlt sich die Vereinigung des Geistes mit dem Objekt wie ein Hinein-
sinken an. Es ist so, als würdet ihr in einen tiefen Schlaf fallen.
In Wirklichkeit ist es jedoch so, dass euer Bewusstsein und eure Kennt-
nis vorhanden sind, nur mit dem Unterschied, dass sie anders gelagert sind
– sie sind tiefer. Auf diese Art hat das “Segeln“, bzw. hat die fließende
Phase viel Ähnlichkeit mit der Zugangskonzentration.
Das “Fliegen und Verschwinden“ oder “Einsinken und Verschwinden“
(Ich sage nicht, dass dies tatsächlich stattfindet) haben viel Ähnlichkeit mit
dem, was wir Vertiefung nennen.
Solche Konzentration während der Meditation baut einen Schwung auf,
die sich immer mehr zum Objekt hin bewegt. Wo ihr letztlich hinkommt,
hängt von eurer Praxis ab. Wenn ihr z. B. Metta übt, ist es der Schwung der
115
Liebenden Güte, die weiterfließt, bis sie sich zu feineren Stadien entwickelt
und sich schließlich mit dem Objekt vereint.
Wenn ihr an verschiedene andere Dinge denkt oder verschiedene Stim-
mungen habt, dann werden sich der Schwung und das Objekt nicht so
charakteristisch entwickeln. Es ist schwierig, diesen Grad an Konzentration
zu bekommen. Und wenn ihre in tiefere Stadien kommt, dann könnt ihr
davon ausgehen, dass dies nur mit Achtsamkeit möglich ist.
Wenn ihr Liebende-Güte-Meditation übt, wird sie sich nicht in Einsicht
verwandeln können, weil die gesamte Energie Metta-Energie ist und nicht
Energie, die für die Einsicht in die Wirklichkeit notwendig ist. Die Metta-
Energie bewegt sich ständig zu der Person, der ihr sie sendet. Ähnlich ist es
mit Visualisationen. Die Energie bewegt sich kontinuierlich auf das visuali-
sierte Objekt zu.
116
Wenn ihr euch den Verlauf der Veränderungen des Geist-Körper-
Prozesses anschaut, dann ist es nicht vermeidbar, dass ihr unbequemen und
bedrückenden Dingen begegnet.
Veränderung assoziiert man normalerweise mit bedrückender Er-
fahrung. Wenn etwas sehr ruhig und still ist, scheint es das Beste zu sein,
wenn es auf diese Weise bestehen bleibt. So wird die Veränderung aller-
dings nicht offenbar.
Aber wenn die Veränderung beginnt, zu offensichtlich zu werden, dann
fängt sie an beunruhigend zu werden und ist daher auch ein Aspekt der Un-
zulänglichkeit, des Leidens. Ein gutes Beispiel ist die Vibration. Wenn
Vibration sehr intensiv ist, dann werdet ihr sie als störend empfinden. Falls
Vibration sehr fein ist, scheint sie eher friedlich zu sein. Wenn ihr also an-
fangt die Veränderung zu betrachten, so könnt ihr es nicht vermeiden
Wahrnehmungen der Unzulänglichkeit und der Bedrückung wahrzu-
nehmen. Daher ist es nicht besonders angenehm mit der Vipassanā-
Konzentration anzufangen, da hier das Wesen der Veränderung deutlich zu
Tage tritt.
Dessen ungeachtet sollte sie praktiziert werden. Sonst kann nibbāna
nicht erfahren werden. Ihr müsst dies klar verstehen und dazu noch die ent-
sprechende Ausdauer haben. Sonst werdet ihr schließlich wie die Leute
enden, die sagen: “Oh, Ich mache gar keinen Fortschritt. Alles, was ich be-
komme ist mehr und mehr Leid. Ich sollte lieber schlafen gehen.“
Diejenigen, die trotz dieser Empfindungen genug Ausdauer hatten,
kennen die Bedeutung und den Zweck der Vipassanā-Meditation.
117
das Glück (sukha) und die Konzentration (samadhi) des Geistes, die durch
das Objekt entsteht.
Da sich dieses Buch eigentlich nicht mit Samatha-Meditation beschäf-
tigt, werden wir diese Faktoren im Detail jetzt nicht weiter ausarbeiten.
118
werdet ihr realisieren, dass ihr keine großen Probleme habt. Hört auf, euch
über kleine, belanglose Dinge Sorgen zu machen. Schafft in euch eine Insel
geistigen Friedens.
Solltet ihr von Wut oder Groll erfüllt sein, so werft diese weg, so wie ihr
eine heiße Kartoffel wegwerfen würdet. Haltet nicht an dem Mist fest, der
euch nur unglücklich machen kann.
Nachdem ihr inneren Frieden erlangt habt, geht gegen die unterschwel-
ligen Strömungen, Tendenzen, Eigentümlichkeiten, etc. an, die ihr im
Strom der Achtsamkeit erkennt. Stärkt eure kontinuierliche Achtsamkeit,
indem ihr diese Dinge notiert.
Auf diese Weise macht der Geist es sich zur Gewohnheit die Dinge mit
voller geistiger Klarheit zu betrachten und nicht oberflächlich über sie
hinwegzugehen. Wenn der Geist regelmäßig geistig notiert und dabei mit
Achtsamkeit vorgeht, dann sprechen wir davon, dass die geistige Praxis in
Schwung gekommen ist. Wenn diese Schwungkraft der Achtsamkeit ent-
wickelt und euer Geist friedfertig ist, dann kehrt auch in eurem Körper
Frieden ein.
Alles, was ihr tun müsst, ist euren Geist auf das Objekt zu richten. Wenn
ihr euch lange genug auf ein Objekt konzentrieren könnt, dann bleibt ein-
fach dabei. Denkt weder an Vergangenheit noch an die Zukunft, hört ein-
fach auf darüber nachzudenken, vergesst alles. Es ist wie als wenn ihr euch
schlafen legt, nur mit dem Unterschied, dass ihr nicht schlaft. Ihr beobach-
tet lediglich das Objekt von Moment zu Moment.
Ich versichere euch, dass ihr innerhalb einer Minute in den Zustand der
Vertiefung kommen könnt. Manchmal ist es sogar weniger als eine Minute
und ihr werdet in das Objekt versinken. Das ist es, was „den Geist auf das
Objekt halten“ bedeutet. Wenn wir vom “Heben” und “Senken” sprechen,
dann heißt das: Haltet eure Aufmerksamkeit lediglich dort auf den Unter-
bauch gerichtet. Das “Heben” und “Senken” muss nicht extrem klar um-
rissen sein. Es kann lediglich eine leichte Bewegung des Hebens und
Senkens sein, da wir im Augenblick nicht über Einsicht sprechen. Wir
reden nur über Konzentration.
Ihr könnt anstatt “Heben” und “Senken” auch die Worte “Steigen” und
“Fallen” benutzen. Ihr müsst euch aber von allem frei machen können.
Wenn ihr am Körper haftet, das Konzept eures Körpers aber transzendieren
solltet, kann es sonst passieren, dass ihr glaubt verrückt zu werden. Dann
könnt ihr natürlich nicht ganz und gar in diesem “Steigen” und “Fallen”
aufgehen. Ihr werdet denken, dass ihr dabei seid einzuschlafen und ihr
werdet nicht mehr das Steigen und Fallen (der Bauchdecke) bewusst wahr-
nehmen.
Macht euch von allem frei, kümmert euch nicht um Raum und Zeit (also
wo ihr jetzt im Moment seid). Macht euch auch keine Gedanken darüber
wer ihr seid. Haltet einfach nur euren Geist auf das „Heben“ und „Senken“
der Bauchdecke gerichtet. Richtet euren Geist aus, wie das Licht einer
ruhigen Kerze in einer windlosen Nacht. Bleibt einfach bei der Bewegung.
Kümmert euch nicht darum, ob sie unterschwellig oder grob ist, seid euch
einfach nur bewusst.
119
Wenn ihr dies lange genug praktiziert, dann werdet ihr in die Vertiefung
eintreten. Dies alles ist sehr einfach. Das Wichtigste daran ist, dass eine
stabile kontinuierliche Konzentration aufgebaut wird und eine kontinuier-
liche Schwungkraft achtsamen Notierens. Wenn ihr das erst einmal ge-
schafft habt, könnt ihr euch das wieder ins Gedächtnis rufen. Dann könnt
ihr diese Vertiefung - wann immer ihr wollt - erreichen.
Nachdem ihr es geschafft habt in die Vertiefung zu kommen, müsst ihr
als Nächstes lernen darin zu bleiben.
2. In der Vertiefung verbleiben
Das Verbleiben in der Vertiefung erfordert Übung. Weiterhin erfordert
es Vorbereitung gefolgt von richtiger Haltung.
Vorbereitung ist erforderlich um zu ermöglichen, dass die Konzentration
eine gewisse Zeit lang aufrechterhalten werden kann. Für längere Perioden
der Konzentration braucht ihr viel Energie. Das heißt, dass ihr die
Schwungkraft sorgfältig aufbauen müsst, damit auch die dadurch akkumu-
lierte Energie stark ist.
Wenn ihr es geschafft habt solche Konzentration aufzubauen, ist alles
nur noch eine Frage der Haltung.
Haltung in diesem Zusammenhang meint Geduld, anhaltende Geduld.
Es ist hier wie das Anhalten von Luft. In die Konzentration zu gehen ist,
wie als wenn ihr einmal tief Luft holt und diese anhaltet. Seid ihr zu ange-
strengt, dann kann die Konzentration nicht lange anhalten. Seid ihr dabei
jedoch ruhig und entspannt, dann kann sie lange anhalten. Ihr müsst in euch
die Haltung entwickeln, dass ihr euch keine Gedanken darüber macht wie
lange ihr schon sitzt, dass ihr euch also keine Gedanken über Zeit macht.
Es ist wichtig sich vorzubereiten. Wenn ihr in eine lange, tiefe Konzen-
tration eingehen wollt, sagen wir einmal für drei bis vier Stunden, dann
solltet ihr einplanen dies nach dem Mittagessen zu tun, damit ihr euch über
das Mittagessen keine Sorgen zu machen braucht. Andernfalls werdet ihr
sagen: “Ich möchte mein Mittag nicht ausfallen lassen, ich werde jetzt nicht
lange in der Vertiefung verbleiben.”
Ihr müsst alle Konzepte von Zeit loslassen, alle Dinge, die euch beunru-
higen und tief in eurem Geist festsitzen, die müsst ihr loslassen. Und ihr
müsst den klaren Wunsch haben in der Konzentration für lange Zeit zu
bleiben.
Falls ihr ungeduldig seid und sagt: “Oh, wenn ich zu lange in der Ver-
tiefung bleibe, dann werde ich keine Zeit für Einsichtsbetrachtung haben“,
dann werdet ihr natürlich nicht lange in der Vertiefung bleiben. Das ist der
Grund, warum der Geist mit der richtigen Einstellung herangehen muss.
Habt ihr einmal die Natur der Vertiefung und die richtige Geisteshaltung
verstanden, sodass ihr darin lange Zeit verbleiben könnt, dann habt ihr die
Fähigkeit des Verbleibens erlangt. Also, wie lange Zeit wir in Vertiefung
verweilen können, welcher geistige Zustand dafür angemessen ist und in
welchem geistigen Zustand man dies nicht tun kann etc.
Wenn ihr all die Bedingungen kennt, dann könnt ihr für längere Zeit in
der Vertiefung bleiben.
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3. Die Fähigkeit des Herauskommens
Dann gibt es noch die Fähigkeit des Herauskommens aus der Vertiefung
zur rechten Zeit. Dies ist nicht ein solch großes Problem wie die Aufrecht-
erhaltung der Konzentration. Wenn man in der Lage ist die Vertiefung be-
liebig lange aufrecht zu erhalten, dann sollte man auch in der Lage sein, das
Daraus-wieder-Auftauchen zu steuern. Ihr könntet zu einer von euch be-
stimmten Zeit daraus auftauchen. Wenn ihr beispielsweise in tiefe Konzen-
tration gehen möchtet, dann sagt euch: “Ich möchte in vier Stunden aus der
Vertiefung wieder auftauchen.” Sind eure Fähigkeiten entwickelt, dann
werdet ihr exakt in der Sekunde aus der Vertiefung auftauchen zu der ihr es
wünscht. Ihr könnt euch auch darauf trainieren, in Beziehung zu bestimm-
ten Situationen aufzutauchen, etwa vor dem Mittagessen oder wenn jemand
euch anruft. Es ist, als würde man den Geist darauf programmieren auf be-
stimmte Bedingungen in bestimmter Weise zu reagieren. Diese Fähigkeit zu
besitzen ist ein großer Vorteil.
Um Einsicht zu entwickeln muss man genug Zeit dafür haben. Es bedarf
eines klaren Geistes und starker Konzentration dazu. Daher müsst ihr die
Fähigkeit entwickeln, in die Vertiefung einzutreten und in diesem Zustand
der Vertiefung zu verbleiben. Dies wird lange Zeit beanspruchen. Und ihr
müsst häufig praktizieren.
121
13. Die Unterschiede zwischen Ruhe- und Einsichtsmeditation
Es ist wichtig, dass der Meditierende Ruhe- und Einsichtsmeditation
klar versteht. Im Dassuttara Sutta, der letzten Lehrrede in der längeren
Sammlung, sagt Sariputta: „Es gibt zwei Zustände, die wahre dhammas
sind, reale Phänomene, die entwickelt werden müssen.“ In Pali heißt das
dve dhamma bhavetabba, das als die zwei zu entwickelnden dhammas
übersetzt wird. Es sind samatho ca vipassanā ca (Ruhe und Einsicht). Die
Entwicklung wird bhāvanā (Kultivierung) genannt. Wir übersetzen es oft
mit Meditation.
Wenn wir versuchen Anfängern das Meditieren beizubringen, ist das
erste, was sie verstehen müssen, die Achtsamkeit. Erst dann können wir
damit fortfahren zwischen dem Ruhe- und Einsichtsaspekt der Praxis zu
differenzieren.
Ānapānasati
Gewisse Objekte können für die Vipassanā- oder für die Samatha-
Meditation benutzt werden. Eines davon ist das Ānapāna-Objekt. Das Be-
obachten der Einatmung an der Nasenspitze. Oft fragt man mich, ob die
Konzentration an der Nasenspitze (ānapāna) ein Samatha- oder ein
Vipassanā-Objekt ist. Es kann beides sein, da die Art des Objektes von der
Natur eurer Aufmerksamkeit abhängt. Am Anfang, wenn ihr das vorberei-
tende Objekt/Bild benutzt, kann es Samatha- oder Vipassanā-Objekt sein.
Es ist gemischt. Wenn ihr anfangt den Atem zu zählen, tendiert es eher in
Richtung Samatha-Objekt. Aber dabei ist auch noch die gefühlte Empfin-
dung des Atems.
Vipassanā-Objekte sind anders als Samatha-Objekte. Es sind Realitäten.
Sie werden nicht durch den Geist erzeugt, das heißt, ihr versucht sie euch
125
nicht vorzustellen. Sie geschehen als natürliche Vorgänge, als mentale und
materielle Prozesse. Wenn ihr diese Prozesse immer klarer erfahrt, werden
natürlich auch die drei Daseinsmerkmale (anicca, dukkha und anattā)
klarer. Diese Merkmale sind tiefe Aspekte der mentalen und materiellen
Prozesse.
Wenn ihr Konzentration auf den Atem an der Nasenspitze „ānapāna
sati“ betreibt und diese mentalen und materiellen Prozesse nicht klar er-
kennt, die häufig als Empfindungen erfahren werden, dann kann sich aus
diesem Grunde auch das Vipassanā-Objekt nicht richtig entwickeln. Ich
habe das bei einer großen Anzahl von Yogis bemerkt. Der Geist ist in Rich-
tung samatha geneigt. Warum? Erstens, weil die meisten Menschen nicht
verstehen, was vipassanā ist. Und zweitens, weil vipassanā schwieriger,
schmerzhafter und unruhiger ist. Deshalb neigt sich der Geist ganz natürlich
dahin, wo es ruhig und friedlich ist und auch dazu, was Leute normaler-
weise unter Meditation verstehen, nämlich Konzentration. Sie glauben,
wenn sie den Geist auf ein Objekt für lange Zeit konzentrieren können, dass
sie gute Arbeit geleistet hätten. Wenn ihr so fortfahrt, ist das Atemobjekt
sowohl weich als auch angenehm und deshalb neigt sich der Geist Richtung
samatha.
Ich möchte damit nicht sagen, dass samatha schlecht ist. Samatha ist
gut, wenn man es beherrscht. Es ist nur so, dass ihr fähig sein müsst, beides
klar zu unterscheiden, wenn ihr Einsichtswissen bekommen wollt.
130
Seid nicht an ein oder zwei ungewöhnlichen Erfahrungen interessiert.
Zuerst müsst ihr sowieso immer eine feste Basis der Achtsamkeit und
Konzentration erreichen.
Zusammenfassung
Hier ist eine kurze Zusammenfassung dessen, was wir besprochen
haben: Ob wir vipassanā um Einsicht zu erlangen oder samatha um Ruhe
zu erlangen praktizieren: Wir müssen sicherstellen, dass wir es Schritt für
Schritt richtig machen. Und dafür müssen wir gewöhnlich an intensiven
Retreats teilnehmen.
Im Fall von samatha, erinnert euch, dass wir es stark genug entwickeln
müssen, damit es als Grundlage für Einsicht dienen kann. Das bedeutet,
dass die Konzentration stark und scharf und leicht erreichbar sein muss,
bevor wir auf vipassanā umschalten können. Sonst kann sie nicht diesem
Zweck dienen. Es dauert eine Zeit lang, bevor die Konzentration einen
solchen Grad erreicht.
Schließlich müssen wir zu vipassanā, Einsichtsmeditation umschalten.
Wenn wir das tun, müssen wir die Samatha-Praxis einige Zeit komplett ver-
werfen um uns selbst voll der Vipassanā-Praxis zu widmen. Sonst geht der
Geist automatisch zur Konzentrationsübung zurück. Während der
Vipassanā-Konzentration müssen wir viel Schmerzen und Unbequemlich-
keiten in Kauf nehmen und ihnen gegenübertreten.
Es gibt Personen mit gewissen starken geistigen Befleckungen, die zu-
erst etwas Samatha-Meditation machen sollten, bevor vipassanā effektiv
werden kann. Aus meiner Erfahrung gibt es aber nicht viele malaiische
Yogis, die das benötigen.
Auch sollten wir die vorbereitenden Konzentrationsmeditationen, die
vier Schutzmeditationen, nicht unterschätzen: Zwei Minuten Betrachtung
der Vorzüge des Buddha, zwei Minuten Liebende-Güte, zwei Minuten Be-
trachtung der Widerlichkeit des Körpers und zwei Minuten Betrachtung des
Todes. Wenn wir diese Betrachtungen die ersten zehn oder 20 Minuten am
Anfang der täglichen Praxis bedenken, gewöhnen wir uns daran und das
kann unserer Praxis sehr helfen, vor allem im täglichen Leben.
Während Zeiten intensiver Praxis sind die vorbereitenden Konzen-
trationsmeditationen nicht so relevant, da die erreichte Konzentration bei
der reinen Einsichtspraxis während eines Retreats sowieso schon sehr stark
ist. Wenn ihr euch diesen vorbereitenden Praktiken zuwendet, werdet ihr in
diesem Fall eher eine schlechtere Konzentration haben. Aber im Alltag,
wenn der Geist extrem unruhig ist, sind diese Schutzmeditationen in einem
gewissen Maß wichtig zur Aufrechterhaltung der Praxis.
131
14. Einsicht verstehen
Da wir alle hier sind um Einsichtsmeditation zu praktizieren, wäre es für
uns angemessen, wenn wir richtig verstehen, was Einsicht ist. Damit diese
Vorträge vollständig sind, werde ich auch gewisse Erfahrungsaspekte, für
die viele von euch noch nicht reif sind, behandeln. Seht es als eine Art
generelles Wissen. Das Behandeln dieser Aspekte ist ein etwas heikles
Unterfangen, da es „sensible Gebiete“ behandelt. „Sensible Gebiete“ weil
über Einsichtswissen wegen der Furcht, dass es missverstanden oder miss-
interpretiert werden könnte, normalerweise nicht gesprochen wird.
Trotzdem denke ich, dass man diese Dinge zumindest theoretisch gut genug
verstehen muss, damit ihr wisst, was zu tun ist, wenn ihr weitermacht. Das
gilt vor allem, wenn es keine erfahrenen Lehrer um euch herum gibt.
133
heit nachzudenken. Wenn ihr in die Zukunft geht, ist es eine bloße Projek-
tion eurer Gedanken. Einsichtsmeditation betrifft die Gegenwart. Also
wenn ihr nicht denkt und so die tatsächliche Natur erfahrt; das heißt all das,
was mit eurem Körper und Geist passiert.
Diese Art der Bewusstheit wird über einen bestimmen Zeitraum solange
aufgebaut, bis sie kontinuierlich wird während wir Geh- oder Sitzmedita-
tion betreiben oder uns mit alltäglichen Dingen beschäftigen. Von Moment
zu Moment entwickeln wir diese klare Bewusstheit des gegenwärtigen
Momentes. Wenn wir das machen, wird diese Art der Bewusstheit und des
Notierens kraftvoller und konzentrierter. Schließlich wird sie ein starker
Fluss, der sich aufbaut und erfährt, was gerade von Moment zu Moment los
ist. Wenn es euch gut gelingt, kontinuierliche Achtsamkeit aufrechtzuerhal-
ten, ist es nur noch eine Frage der Zeit, bis ihr euch mehr auf das Objekt
konzentrieren könnt. Was jedoch betont werden muss, ist die Natur des
Vipassanā-Objektes. Es muss immer ein reales Objekt sein. Es darf kein
Konzept sein. An diesem Punkt ist es nötig euch zu erklären, was ein
Konzept überhaupt ist.
Achtsamkeit
Achtsamkeit ist wie ein klares Licht, das scheint. Sie erkennt sehr
gründlich all diese Empfindungen und Prozesse. Wenn ihr jemandem sagt,
er solle seine Hand auf den Bauch legen und das „Heben“ und „Senken“
beobachten, dann weiß er, dass der Bauch sich hebt und senkt. Wenn ihr
dieser Person jedoch sagt, sie soll die ganzen Bewegungsprozesse im Detail
beschreiben, dann ist sie dazu nicht in der Lage. Sie sagt nur „gut, es ging
auf und nieder“. Dies ist die oberflächliche Stufe der Achtsamkeit, nicht die
gründliche durchdringende. Allenfalls ist es gewöhnliches Wissen mit ein
bisschen Achtsamkeit. Diese Achtsamkeit reicht nicht aus um Einsicht zu
bekommen. Wenn ihr dem Heben und Senken eine lange Zeit folgen könnt,
wird es ein wenig klarer werden, weil ihr es besser beobachten könnt. Diese
Achtsamkeit ist in dem Sinn ein wenig besser, da sie ausreicht Konzen-
tration aufzubauen, aber sie ist nicht gründlich genug um Einsicht zu er-
zeugen. Einsicht geht über die Konzentration hinaus. Damit Einsicht ent-
steht, müsst ihr das „Heben“ und „Senken“ im Sinne der drei allgemeinen
Daseinsmerkmale (Veränderlichkeit, Unzulänglichkeit und Nicht-Selbst)
beobachten.
Stellt euch eine Person vor, die das „Heben“ und „Senken“ so beobach-
tet, dass sie der Bewegung achtsam folgen kann. Wenn sie achtsamer wird,
muss sie die verschiedenen Arten des „Hebens“ und „Senkens“, die
manchmal lang, manchmal kurz, manchmal schnell und manchmal langsam
sind, beobachten. Auf diese Weise kann sie klar die Sequenz der Ereignisse
erkennen. Dies zeigt, dass der Weg klarer wird. Zuerst ist es hauptsächlich
die Form. Der ganze Bauch erscheint und dehnt sich wie ein Ballon auf,
dann zieht er sich wie ein Ballon zusammen. Dies sind Konzepte. Dann
geht er schnell oder langsam diesen oder jenen Weg. Auch das sind noch
Konzepte, aber der Aspekt der Bewegung, der Aspekt der Spannung, der
Vibration etc. ist schon klarer. Wenn er sehr klar wird, gibt es nur noch
Spannungen. Es gibt nicht mehr hierhin und dorthin. Es gibt nur noch den
Moment des Erscheinens und Verschwindens der spezifischen Charakte-
ristiken.
Nehmen wir noch einmal das Beispiel des „Hebens“ und „Senkens.“ Es
hat einen Anfang, setzt sich langsam oder schnell fort, bis es zum Ende
kommt und anhält. Wenn es sich langsam fortsetzt scheint das „Heben“ und
„Senken“ lang zu sein. Wenn es sich schnell fortsetzt, scheint es kürzer. Es
136
ist damit verbunden. Wenn wir in Ausdrücken von lang und kurz oder
schnell und langsam reden, sind wir uns zwar der Bewegung bewusst, aber
Konzepte sind auch beteiligt, da es kein Anfang, keine Mitte und kein Ende
des „Hebens“ und „Senkens“ zur gleichen Zeit gibt. Wenn es am Ende ist,
ist es nicht am Anfang und wenn es am Anfang ist, ist es nicht am Ende.
Anfang und Ende sind zwei verschiedene Momente. In der Mitte gibt es
jedoch viele Punkte viele Bewegungen. Wie könnt ihr also in einem Zeit-
moment ein kurzes oder langes „Heben“ und „Senken“ erfahren? Wie ein
schnelles oder langsames? Diese Begriffe lang, kurz, schnell, langsam etc.
sind alle am Anfang nützlich, da man sonst überhaupt nichts erkennt, sich
nicht konzentrieren kann und die Konzentration sich so nicht entwickelt.
Wenn ihr gelernt habt euch zu konzentrieren, wird euch geraten, die
Bewegung (das heißt, die Natur, das Gefühl oder die Empfindung) von
Moment zu Moment zu fühlen. Das ist die Fähigkeit, die Bewegung so zu
beobachten wie sie ist. Also mehr ein Punkt als eine Länge. Wenn ihr das
könnt, kommt ihr an den Punkt, wo nur noch reine Empfindungen entstehen
und nichts sonst. Dann seid ihr dort angekommen, was wir paramattha
dhamma, die letztendliche Wirklichkeit nennen. Damit ist das reine
Element der Bewegung gemeint oder wie wir sagen, das reine Wind-
element. Wenn ihr in der Lage seid dies sehr klar zu beobachten, dann
könnt ihr auch die drei Daseinsmerkmale erkennen.
An diesem Punkt ist es wichtig zu betonen, dass die Fähigkeit zu be-
obachten und die letztendlichen Realitäten zu erfahren nicht heißt, dass
automatisch Einsicht entsteht. Eine andere letztendliche Realität, für die ihr
relativ wenig Anstrengung braucht um sie zu finden, ist Schmerz. Schmerz
ist ein Gefühl. Es ist nicht wichtig, wer den Schmerz hat. Es ist Schmerz. Er
ist unpersönlich und weder Vergangenheit noch Zukunft. Und außerdem
entsteht und vergeht auch er, wenn ihr ihn beobachtet,. Jedoch das Sehen
des Schmerzes selbst bedeutet nicht, dass ihr Einsichtswissen habt.
Stattdessen könntet ihr mürrisch oder ärgerlich sein. Nichtsdestotrotz
könntet ihr, wenn ihr fähig seid den Geist ruhig und konzentriert auf den
gegenwärtigen Moment, auf das gegenwärtige Ereignis zu halten und es
dabei sehr klar zu beobachten, auch seine Natur verstehen.
Einsichtswissen
Das erste Einsichtswissen ist das Wissen von der Unterscheidung zwi-
schen Körper und Geist. Es wird gesagt, dass ihr durch das Notieren des
„Hebens“ und „Senkens“ in der Lage sein werdet, die Natur des Geistes,
der die Dinge beobachtet, zu notieren. Der notierende Geist ist eine Sache,
wohingegen die hebende Bewegung eine andere ist. Einsichtswissen ist die
Fähigkeit die Phänomene gemäß ihrer natürlichen Erscheinung zu er-
kennen. Wir sehen sie dann als reine letztendliche Realitäten, die in Pali
paramatha dhamma genannt werden. Wenn euer wissender Geist frei von
Konzepten ist, ist das natürliche Geschehen gegenwärtig. Auch wenn ihr
frei von Denken und Konzepten seid, ist es immer vorhanden. Und außer-
dem, wenn ihr die Natur dieses Ereignisses klar notiert, werdet ihr ebenso
klar bemerken, dass es nicht „Ich“ ist. Der beobachtende Geist ist auch ein
137
anderes natürliches Ereignis und das ist auch nicht „Ich“. Darin ist keine
Person. Beide, der Beobachter und das Beobachtete sind natürliche Vor-
kommnisse. Das ist eine sehr klare Erfahrung, die ihr, wenn ihr sie erst
einmal gemacht habt, wieder hervorbringen und mit jedem Objekt erfahren
könnt. Es ist der Geist, der reine letztendliche Realität als Objekt hat.
Wenn man Schmerz beobachtet, passiert es normalerweise, dass man
denkt, „Mein Bein schmerzt!“ So entsteht das Konzept eines Beines auf
zwei Arten „Mein“ und „Bein.“ Wenn wir die Idee des Beines beiseite
legen, ist nur noch „Ich habe Schmerzen“ übrig. Wenn ihr den Gedanken
„Ich“ auch noch beiseite legt, gibt es nur noch den Schmerz und den Geist.
Aber wenn der Geist nicht achtsam ist, wird der Geist dadurch gestört und
kann die Dinge nicht richtig erkennen. Wenn er jedoch achtsam ist, könnt
ihr den Schmerz ertragen und erkennen, dass nur Schmerz anwesend ist.
Wenn die Achtsamkeit sehr gründlich ist und ihr den Schmerz beobachtet,
wird euch das sehr klar werden und der Schmerz wird in seiner ganzen
Natur sichtbar, so klar, dass der Schmerz nichts mehr mit euch zu tun hat.
Es ist einfach eine selbsttätige, natürliche Erscheinung. Beim wissenden
Geist ist es genauso.
So entspricht euer Wissen mehr dem, von dem ich denke, was eine Ein-
sichtsstufe ist. Dann wisst ihr es durch Erfahrung und nicht, weil ihr es in
Büchern gelesen habt, weil es euch jemand gesagt hat oder weil ihr es euch
ausgedacht habt, sondern weil ihr durch klare Achtsamkeit wisst, dass es
keine Einbildung ist. Diese Bewusstheit ist sehr klar und scharf. Sie ist
schärfer als gewöhnliche Arten der Bewusstheit.
Oft passiert es, nach der Erfahrung von geringeren Formen des Wissens,
dass eine Konzeptionalisierung erfolgt. Speziell wenn die Einsicht sehr klar
war, können dadurch Theorien entstehen, die die Angelegenheit verkompli-
zieren. Die Erfahrung ist eine Sache, die folgenden Gedanken eine andere.
Vielleicht fangt ihr an eine Theorie zu erzeugen darüber, wie all dies pas-
siert und fangt an die Erfahrung zu vielen verschiedenen Dingen in Relation
zu setzen. All das ist wahrscheinlich nicht besonders exakt. Es gibt also
zwei Dinge. Eines ist die tatsächliche Erfahrung und das andere ist der Ein-
druck der Gedankenprozesse im gewöhnlichen Leben. Der Eindruck der
anfänglichen Einsichtserfahrung kann sehr scharf sein und einige Leute sind
aber noch gar nicht so weit. In diesem Fall können viele ungünstige Ge-
dankenprozesse folgen. So kann z. B. Furcht entstehen, wenn jemand im
gewöhnlichen Leben viel Anhaftungen hat. Wenn es an diesem Punkt keine
richtige Führung gibt oder keine unterstützende Gruppe existiert, können
diese Personen verschreckt werden. Eure Einsicht mag stark sein, aber nicht
stark genug um alle Befleckungen zu zerstören. Und wenn die verwandten
Befleckungen sehr stark sind, können sie die Angelegenheit verkompli-
zieren. Sie können einen dazu bringen die Dinge in einem so anderen Licht
zu sehen, dass man ängstlich wird. Die ursprüngliche Erfahrung ist zwar
eine echte Erfahrung, aber der Geist ist noch nicht so weit. So können die
folgenden Gedankenprozesse einen negativen Einfluss ausüben. Natürlich
variiert das bei verschiedenen Leuten. Einige nehmen Dinge leicht, die
andere nicht leicht nehmen. Wenn es jemandem in einem Retreat passiert
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und dies ein langes Retreat ist, wird die tatsächliche Einsicht in die Natur
von Körper und Geist - ohne Konzepte, ohne Denken - diesen Punkt ver-
tiefen und eine sehr gute Grundlage bilden. Es kann sogar die Stufe von
magga phala, die Stufe der Erleuchtung, der Verwirklichung erreicht
werden.
Natürlich entsteht dieser Prozess nicht sofort oder in einer Sekunde.
Normalerweise dauert es sehr lange. Der gesamte Prozess mit all seinen
Stufen wird in den Kommentaren und im gewissen Grade in den Sutten als
die sieben Stufen der Läuterung oder die 16 Einsichtswissen beschrieben.
Das erste Einsichtswissen behandelt die Läuterung der Ansicht, das ist
das Aufgeben des Ich-Konzeptes. In einer der Sutten zeigt uns der Buddha,
was weise Aufmerksamkeit, die auf normale entstehende Gedankenpro-
zesse angewandt wird, ist. Normalerweise ist es so, dass, wenn jemand
denkt, seine Gedanken um „Ich“ und „Mein“, also das Ego, kreisen. All
das, was man tut, die ganze Welt dreht sich um einen selbst. Das beschreibt
der Buddha als unweise Aufmerksamkeit, vor allem, wenn es ein Hängen
am „Ich“ gibt. Dies ist eine falsche Ansicht, da durch solch eine Ansicht
Anhaften, Ärger etc. entstehen. Aber beim dhamma ist es anders , wenn
man sehen kann, dass dort tatsächlich gar kein „Ich“ ist, sondern nur Geist-
und Körperprozesse, nur Phänomene. Die ganze Welt, die um einen herum
zentriert erschien, wird nicht von der Person aus, sondern abhängig von
reiner unvoreingenommener Achtsamkeit, reiner klarer Bewusstheit ge-
sehen. Alles ist nicht „Ich“ nicht „Mein“. Es sind nur Erscheinungen, die
durch ihre eigenen Bedingungen entstehen. Auf dieser Stufe entsteht die
Läuterung der Ansicht von allen falschen Sichtweisen, falschen Meinungen,
die auf dem Hängen am Selbst basieren, hängen an der Idee einer Person,
des „Ich“ und „Mein.“
Die 62 falschen Ansichten, die im brahmajala sutta genannt werden,
sind alle vom Hängen am Selbst abhängig. Wenn man in der Lage ist, die
Phänomene gemäß ihrer Einzigartigkeit oder ihrer spezifischen Charakte-
ristiken zu beobachten, wenn man sie klar sieht - eines nach dem anderen,
die Beziehungen des abhängigen Entstehens der abhängigen Existenz -
dann wird der bedingte Lebensaspekt sehr klar. Dieses abhängige Entstehen
oder die Bedingtheit behandelt die zweite Läuterung oder das zweite Ein-
sichtswissen. Dies passiert in Verbindung der Überwindung der tieflie-
genden Konzepte von Zeit, Vergangenheit, Zukunft etc. Das Zeitkonzept
bricht zusammen. Wenn das erst einmal klar wird, werden die drei Da-
seinsmerkmale deutlich werden.
Alle 16 Einsichtswissen, manchmal wird auch von 18 Einsichtswissen
gesprochen, können unter drei Kategorien klassifiziert werden. Diese sind
die Einsichten, die die Veränderlichkeit betreffen, Einsichten, die das
Leiden betreffen und Einsichten, die das Nicht-Selbst betreffen.
139
15. Einsichtswissen in Kurzform
Einsicht entsteht durch direkte Erfahrung der Realität. Realität wird er-
lebt, wenn wir alle Konzepte beiseite legen und den Geist nur auf das
gegenwärtige Geschehen richten. Der Geist erforscht das, was tatsächlich
passiert, das, was wir Geist- und Körperprozesse nennen.
Wenn ihr klar bewusst des gegenwärtigen Momentes seid, was erfahrt
ihr dann? Wenn ihr die Sitzempfindung rund um den Hintern beobachtet,
dann wisst ihr tatsächlich nichts vom Hintern, ihr erfahrt keine Form, ihr
erfahrt nur den Druck und das ist das, was wir letztendliche Realität
nennen. Letztendliche Realität ist das Geschehen, das im gegenwärtigen
Moment ohne Denken oder Vorurteile erfahren werden kann. Dies sind die
spezifischen Merkmale der Geist-Körper-Prozesse.
Nur wenn die tiefe klare Bewusstheit auf das Beobachten der Realität
also auf die Geist-Körper-Phänomene platziert und fokussiert wird, können
wir tiefe Erfahrung und tiefes Verstehen der Realität bekommen. Nur wenn
die tiefe Bewusstheit durchdringend ist, haben wir die Erfahrung der Reali-
tät. Ihr seht, dass all diese Erfahrungen nur natürliche Erscheinungen sind.
Da ist keine Person anwesend, kein „Ich,“ kein „Euch“, sondern nur ein
natürliches Phänomen. Wenn ihr diese Phänomene klar beobachten könnt,
werdet ihr erkennen, dass sie nicht etwa absolute Entitäten selber sind,
sondern abhängig mit all den anderen assoziierten Phänomenen. Wir sagen,
dass wir uns der bedingten Natur bewusst sind und was uns klar wird, ist
der Fluss. Der Geist und der Körper fließen, der Prozess fließt und abhängig
von diesem Fluss ist das Ding, was Zeit genannt wird.
Wenn man weitermacht, wird man sehen, dass all die Dinge im Uni-
versum letztendlich in dem enden, was wir als die drei allgemeinen Da-
seinsmerkmale (Veränderlichkeit, Unzulänglichkeit und Nicht-Selbst) be-
zeichnen. Wir sagen auch, dass die 16 Einsichtswissen in Einsichtsgruppen
unter diesen drei allgemeinen Merkmalen klassifiziert werden können.
Leiden
Im Pali ist das Wort für Leiden dukkha. Wenn wir Leiden sagen, bezieht
es sich genauso auf die fünf Daseinsmerkmale, wie auch Unbeständigkeit
sich auf die fünf Daseinsmerkmale der Körper- und Geistprozesse bezieht.
Das Merkmal des Leidens bezieht sich auf Bedrücktheit. Die klarste Er-
scheinung ist das, was wir dukkhadukkha, „Leiden-Leiden“ oder Schmerz
des Leidens nennen. Dies bezieht sich auf den allen bekannten Schmerz
körperlich oder geistig. Beispiele sind, wenn ihr euch traurig fühlt, Zahn-,
Kopf-, Rückenschmerzen oder Schmerzen in den Beinen habt. All dies sind
Merkmale des Leidens. Da ist klar erkennbare Bedrücktheit. Wenn wir
jedoch über das Leiden der fünf Daseinsgruppen sprechen, bedeutet das,
dass die fünf Gruppen, da sie unbeständig sind, selbst Leiden sind. Es setzt
Unbeständigkeit mit Leiden gleich. So gibt es tatsächlich zwei Worte mit
der gleichen Bedeutung, aber Leute, die das nicht selbst erfahren haben,
sind nur in der Lage die Merkmale und noch nicht die Realität zu sehen.
Wenn jemand die wahre Bedeutung durchdringen möchte, im Sinne der drei
allgemeinen Daseinsmerkmale, dann muss man die Unbeständigkeit selbst
sehen. Man muss die Merkmale der Veränderung immer wieder betrachten.
Wenn man dann dazu in der Lage ist, kann man auch die Merkmale des
Leidens klarer sehen. Schließlich, wenn ihr die Unbeständigkeit selbst klar
sehen könnt, werdet ihr auch das Leiden dort erkennen. Mit anderen Worten
gesagt, muss man schließlich den Geist dazu bringen die Im-Moment-
Änderung, den tatsächlichen Fluss der Geist- und Körperprozesse, so klar
wie möglich zu sehen. Dann werdet ihr verstehen, dass die Im-Moment-
Änderung des Geistes selbst Leiden und die Erfahrung dessen wie inten-
siver Schmerz ist. Diese Art von Schmerz ist ein mehr geistiger als körper-
licher Schmerz. Dann versteht der Geist das, was in den Sutten gesagt wird,
nämlich dass alles, was unbeständig ist, auch Leiden ist.
Es ist nicht so, dass ihr leidet, weil ihr an eurem Besitz oder Körper
haftet oder dadurch, dass ihr euch verändert, weil ihr wachst, alt und krank
werdet. Das ist mehr eine konventionelle Argumentation ein konventio-
nelles Verstehen. Während der Praxis, da ihr die Im-Moment-Änderung
sehr klar seht, die echte Unbeständigkeit, wird das Leiden offensichtlich.
Dieses Leiden ist die Im-Moment-Änderung, die in der Form einer unstabi-
len unruhigen Erfahrung daherkommt. Es ist eine echte Erfahrung, so etwa
wie Schmerz oder mentale Qual. Es ist die fundamentale Basis, wo alles
Leiden im Leben entsteht.
Das Ziel all dessen ist, vergesst das nicht, Loslösung. Loslösung von
allem was unbeständig ist, Loslösung von allem was entsteht und vergeht.
Wenn die Unbeständigkeit nicht erfahren wird, kann der Geist keine Los-
lösung von der bedingten Natur, also allem was die Natur des Entstehens
und Vergehens hat, entwickeln. Wenn ihr nicht die auf diese Weise er-
143
haltene totale Loslösung erreicht, wird der Geist noch an etwas, dass be-
dingt ist, etwas, dass mit Geburt und Tod verbunden ist, hängen. So sucht
ihr vielleicht Zuflucht in etwas, dass sehr friedlich und fein ist. Wenn man
jedoch erkennt, dass alles Bedingte unbefriedigend, leidvoll oder voller
Schmerz ist, dann wendet sich der Geist davon ab. So löst er sich von den
bedingt entstandenen Dingen. Wenn dies passiert, wendet sich der Geist
tatsächlich dem Unbedingten zu, wendet sich dem zu, was wir nibbāna
nennen, da das Unbedingte etwas ist, das sich nicht ändert. Im Vergleich
zum Zustand des Leidens des Bedingten ist dies der ewige Frieden. Dann
werdet ihr auch verstehen, warum wir sagen, dass Vipassanā-Meditation der
einzige Weg zum Unbedingten ist.
Viele Leute scheinen es nicht zu mögen, dass vipassanā der einzige
Weg ist. Wenn ihr jedoch diesen Punkt der unbeständigen und leidhaften
Natur erwägt, kann nur die Einsichtsmeditation euren Geist dazu bringen,
die Unbeständigkeit und die bedingte Natur des Leidens zu sehen. Nur
wenn ihr dies selbst seht, werdet ihr euch von all diesen bedingten Dingen
abwenden. Wenn der Geist nicht dieses wirklich starke und machtvolle
Verstehen entwickelt, werden euch all die langen und tiefsitzenden An-
haftungen an die Freuden der Welt und Existenz auch festhalten. Ihr könnt
euch nicht befreien, da der Geist nicht frei sein will. Der Geist sieht es nicht
ein, frei zu sein, da er das Leiden und die Intensität des in der bedingten
Natur gegenwärtigen Leidens, gegenwärtig in allem Entstehenden und Ver-
gehenden, nicht sieht.
Das bedeutet, dass unsere Entwicklung der Unbeständigkeits-
Wahrnehmung sehr scharf werden muss. Es ist für uns leichter etwas zu
erkennen, das materielle Eigenschaften hat; das heißt, Hitze, Vibration und
Spannung, die von Moment zu Moment entsteht und vergeht. Es ist leicht
schmerzhafte Gefühle entstehen und vergehen zu sehen. Aber es ist schwie-
riger, Dinge wie das Bewusstsein, Dinge wie freudige und neutrale Gefühle,
die gewöhnliche Personen überhaupt nicht klar erfahren, zu sehen. Nur
wenn ihr auch diese als unbeständig sehen könnt, könnt ihr die wahre Be-
deutung des Leidens hinter der Unbeständigkeit erkennen und das wird
immer deutlicher, wenn sich eure Meditation und Konzentration vertieft.
Die Gefühle werden subtiler. Die Objekte und geistigen Objekte werden
feiner. Wenn ihr nicht in der Lage seid die Im-Moment-Veränderung in
diesen zu beobachten, werdet ihr nicht das Leiden darin sehen können. Und
weil ihr die Veränderung nicht sehen könnt, seht ihr sie als wesenhaft und
wunderbar an. Deshalb, wenn ihr nicht die Im-Moment-Änderung, die Un-
beständigkeit und das daraus resultierende Leiden sehen könnt, kann sich
die Loslösung nicht ereignen.
Obwohl ihr am Anfang noch nicht die Im-Moment-Änderung sehen
könnt, könnt ihr offensichtlichere Veränderungen wahrnehmen. Wenn ihr
die Gegenwart der Veränderung dann klarer seht, hört das Anhaften lang-
sam auf. Zuerst könnt ihr keine Wahrnehmung vom Nicht-Selbst haben, da
der Geist noch an der Idee eines Ego, eines Selbst hängt. Wenn man die
Veränderung im Geist und Körper sieht, geht das Hängen am Selbst lang-
sam weg und das Wesenlose der natürlichen Erscheinungen der Geist-
144
Körper-Prozesse wird klarer. Ihr erkennt immer mehr, dass ihr nicht die
Körperempfindungen seid, dass der beobachtende Geist nur der beobach-
tende Geist ist. Genauso wie die Gefühle und die ganze Menge an Schmerz
nicht zu einem „Ich“ gehört. „Ich“ ist nicht der Schmerz. Und der Geist, der
den Schmerz klar beobachtet, ist auch nicht „Ich.“ Es ist nur der beobach-
tende Geist. Diese Art der Erfahrung entsteht nur, wenn ihr die Verände-
rung und das Leiden, das durch diese Veränderung entsteht, erkennt. Dann
werden die Merkmale der Unbeständigkeit klarer, die Merkmale des Nicht-
Selbst offensichtlicher. Erst wenn das Merkmal des Nicht-Selbst offenbar
wird, kann das Nicht-Selbst selbst offenbar werden. Dieses Nicht-Selbst
entspricht den fünf Daseinsgruppen, einer Kategorisierung der Realität. Das
Gleiche gilt für Unbeständigkeit und Leiden.
Um es kurz und einfach zu machen. Die Merkmale sind nur Hinweise in
die Richtung, in die ihr euren Geist zum Beobachten hinwenden müsst ohne
Erwartung dessen, wie es denn sein wird, wenn ihr tatsächlich den Fluss
erfahrt. Die Tatsache der Unbeständigkeit, das Leiden und das Nicht-Selbst
sind selbst Realitäten, aber die Merkmale sind diejenigen Dinge, die ihr
zuerst erfahrt. Genau wie die Veränderung und die Bedrücktheit, die euch
dann tatsächlich zur echten Erfahrung der Realität führt.
1. Obhasa Lichtglanz
2. ÑāCa Erkenntnis
3. Pīti Entzücken
4. Passaddhi Gestilltheit
5. Sukha Glückseligkeit
6. Adhimokkha Vertrauen
7. Paggaha Energie
8. Upatthana Starke Achtsamkeit
9. Upekkha Gleichmut
10. Nikanti Anhaften
150
Das Wichtigste für uns ist nicht zu vergessen, dass wir weiterarbeiten.
Leiden befindet sich in uns allen und wir müssen soviel Achtsamkeit wie
möglich bekommen. Dann, wenn es unser kamma und unsere Zeit erlaubt,
erreichen wir vielleicht das geliebte Ziel. Die Schriften und die Lehrer
erzählen uns, dass es möglich ist. Es muss jedoch eine Menge an Anstren-
gung geleistet werden.
151
16. Die Wildnis des Geistes
Sutten sind Lehrreden, die vom Buddha an verschiedene Leute mit ver-
schiedenem Hintergrund gegeben wurden. Sie wurden zuerst mündlich
überliefert und später niedergeschrieben.
Es gibt viele dieser Sutten. Die eine, die wir hier behandeln wollen, steht
in der „Mittleren Sammlung“. Es ist die cetokhila sutta. Ceto oder ceta oder
auch manchmal citta bedeutet Geist. Khila bedeutet hart, starr oder ver-
härtet. Diese Härte entspricht einem Boden, der eigentlich fruchtbar ist,
aber schon lange eine sehr harte und trockene Kruste hat, die verhindert,
dass dort etwas wächst.
Eine Übersetzung von cetokhila ist „Die Wildnis des Herzens“. Eine
eher poetische Übersetzung. Denn normalerweise bedeutet es geistige Ver-
härtung oder Härte. Sie drückt sich aus in Nicht-Akzeptieren, Hartnäckig-
keit und so fort.
Als der Buddha diese Sutte darlegte, war sie an Mönche in einem Ort
Namens Sāvatthī gerichtet. Er legte dar, warum jemand keinen Fortschritt
in seiner Meditation verzeichnet und seine Ratschläge und Begründungen
sind hier sehr deutlich aufgezeigt. Der Buddha sagte den Mönchen:
„Mönche, das ein Mönch, der diese fünf Verhärtungen nicht überwunden
hat (hier übersetzt als Wildnisse des Herzens) und diese fünf Fesseln des
Herzens nicht gesprengt hat, in diesem dhamma und vinaya zu Wachstum,
Anwachsen und Erfüllung gelangen sollte, das ist unmöglich.“
Der dhamma ist die Lehre, vinaya die Disziplin. Erfolg und Erfüllung in
der Praxis zu finden, bedeutet Verwirklichung zu erreichen, das ist Läute-
rung und Heiligkeit auf höchster Stufe. Wenn die fünf Verhärtungen und
fünf Fesseln nicht überwunden werden, wird Anwachsen und Erfüllung
definitiv nicht möglich sein.
152
Ob eine Person am Anfang der Meditationspraxis Fortschritte macht
oder nicht hängt davon ab, wie stark er oder sie sich bemüht. Wenn die
Leute mich fragen: „Ehrwürdiger, warum mache ich keinen Fortschritt“,
frage ich, „Wie lange und wie oft meditierst du?“ Die Antwort ist norma-
lerweise, „Oh, eine Stunde pro Woche.“
Ich frage dann: „Wie lange dauert es um einen Kessel Wasser zu
kochen?“ Die Antwort ist „Zwanzig Minuten.“ „Wie lange dauert es, bis
das Wasser wieder abgekühlt ist“ frage ich. „In einem Tag“, kommt die
Antwort. „ In wie vielen Stunden sind eure Befleckungen entstanden und
was denkt ihr, wie lange es dauern wird sie abzuschneiden?“
Das ist nur ein Gleichnis. Diejenigen, die verstehen, werden wissen,
dass ihr euch sehr anstrengen müsst, bevor ihr ein wenig Fortschritte macht.
Wenn ihr jeden Tag einen kleinen Fortschritt erkennen könnt, solltet ihr
zufrieden sein. Lasst uns nun die Faktoren einzeln nacheinander ansehen.
1. Zweifel, Unsicherheit und Mangel an Vertrauen zum Lehrer
Der Lehrer bezieht sich hier auf den Buddha, den vollkommenen
Buddha, Gautama Buddha, der die höchste Erleuchtung unter dem Bodhi-
Baum in Buddhagaya erreicht hat. Natürlich wundert ihr euch, wie ihr denn
wissen könnt, dass er die höchste Erleuchtung erreicht hat. Wir könnt ihr
Vertrauen zum Buddha haben? Wir wissen es doch nicht, auch wenn er
wirklich der Buddha ist. Auch zu Buddhas Zeiten gab es Leute, die ihn
persönlich kannten und kein Vertrauen zu ihm hatten, bis er predigte und
sie nach dem Zuhören verwirklicht wurden. Dann wuchs ihr Vertrauen und
wurde stark. Nehmt z. B. seine ersten fünf Anhänger oder Asketen.
Als er ein Buddha wurde, ging er zum Hirsch Park um sie zu unter-
richten. Zuerst waren sie nicht geneigt ihn als Lehrer zu akzeptieren, da sie
glaubten, dass er die Askese verworfen hat und zum Genuss zurückgekehrt
sei. Deshalb hatten sie kein Vertrauen zu ihm. Sie sagten, „Wenn du
menschliches Leiden und Askese nicht aushalten kannst, wie kannst Du
dann übermenschliche Zustände erreichen?“ So glaubten sie ihm nicht.
Natürlich überzeugte er sie später. Und als sie ihm dann doch zuhörten und
vollkommenes Vertrauen zu ihm hatten, erreichten sie Erleuchtung,.
Sogar solche Leute, die den Buddha persönlich trafen und zuhörten,
fanden es nicht leicht überzeugt zu werden. Das ist so, weil es wirklich
nicht einfach ist, sich eine Vorstellung der Natur des Geistes eines Buddha
zu machen. Der Geist des Buddha ist etwas Besonderes. Er ist reine Weis-
heit. Wir können aber eine flüchtige Idee davon bekommen, wenn wir klare
und achtsame Bewusstheit üben und den dhamma studieren.
2. Zweifel, den dhamma oder die Lehre betreffend
Vertrauen oder Glauben in die Lehre - den dhamma - ist am Wich-
tigsten. Die Lehre bezieht sich hier mehr auf den theoretischen Teil, das
Wissen der Schriften, das durch Hören erhalten wird. Dhamma ist, weil es
sehr tief geht, nicht etwas, was leicht verstanden werden kann. Um echtes
Vertrauen zu bekommen, müssen wir wirklich ein in die Tiefe gehendes
Studium des dhamma machen und es in die Praxis umsetzen. Wenn wir er-
kennen, dass es wirklich funktioniert und wirklich gute Resultate bringt,
153
dann wird das Vertrauen wachsen. Auf einer mehr allgemeinen und ober-
flächlichen Stufe bedeutet Vertrauen, dass man Vertrauen in etwas hat, was
gut und rein ist und den Glauben, dass es einen Pfad gibt, der dahin führt.
Wenn wir den dhamma gelernt und gelesen haben, werden wir sehen, dass
er mit solch einem Pfad übereinstimmt. Es ist unbedingt nötig, so ein
anfängliches Vertrauen und so einen anfänglichen Glauben zu haben, damit
wir zur Praxis angespornt werden. Dann werden wir wachsen.
3. Zweifel, die sangha betreffend
Die sangha bezieht sich auf die Gemeinschaft, noch spezieller ist hier
die ariya sangha gemeint, welche die Gemeinschaft der Edlen ist. Es sind
diejenigen, die die Lehren des Buddha praktiziert haben und Stufen der Er-
leuchtung oder der Verwirklichung erreicht haben. Nur wenn sie solche
Stufen erreicht haben, sind sie in der Lage andere zufriedenstellend und
vertrauensvoll anzuleiten. Leider werden wir selbst aber wieder nicht
wissen, wer wirklich erleuchtet ist. Das ist das Dilemma.
Aber bis zu einem gewissen Ausmaß oder Grade, können wir anhand
des Verhaltens und an der Art, wie die Person spricht und lehrt beurteilen,
ob sie im dhamma unterrichtet ist oder nicht. Ein allgemeineres Verständnis
des Vertrauens in die sangha ist, dass Leute erleuchtet werden können, dass
sie den Zustand der Unbedingtheit, das ewig währende Glück erreichen
können. Habt dieses anfängliche Vertrauen, dann praktiziert und schafft
Resultate und es wird wachsen.
4. Zweifel an der Praxis selbst
Wenn ihr noch nicht praktiziert, sondern nur darüber nachgedacht habt,
dann gibt es natürlich eine endlose Zahl an Fragen. Vieles von dem was im
dhamma gelehrt wird und viele der Erfahrungen werden nur verstanden,
wenn man selber praktiziert. Nur wenn ihr experimentiert habt, es auspro-
biert habt und durch die Führung eines Lehrers Erfahrungen und Fortschrit-
te erzielt habt, werdet ihr Vertrauen in die Praxis und das Training be-
kommen.
All diese Aktivitäten führen zu den Lehren selbst. Zuerst braucht ihr
Selbstvertrauen. Ihr müsst auch Vertrauen in das, was gut und wahr ist
haben. Ihr müsst in der Lage sein die Lehren aufzunehmen und lang genug
zu praktizieren, bis ihr Resultate erlangt. Wenn erst einmal Resultate
kommen, legt sich der „Skeptische Zweifel“ und ihr könnt euch aus ganzem
Herzen bemühen und praktizieren.
Der „Skeptische Zweifel“ ist ein echter Stolperstein in Ländern, die
weder kulturell noch historisch gesehen buddhistische Länder sind. In
buddhistischen Ländern mag die Hingabe „blind“ sein, aber wenn die
Methode korrekt ist und mit reinem Herzen akzeptiert wird, wird der
Übende durch die Praxis Konzentration und Verstehen erhalten. Aber wie
ich schon sagte, kann es gefährlich sein, wenn ihr bei einem falschen Lehrer
landet. Dann könnt ihr lange stecken bleiben.
Es wird nicht von euch verlangt, dass ihr vollkommenes Vertrauen in
den Buddha, den dhamma und die sangha habt. Es wird von euch nicht er-
wartet, dass ihr alles glauben oder schlucken sollt, was damit zu tun hat. Ihr
154
solltet lieber vorsichtig die Dinge akzeptieren. Probiert die Dinge vorsichtig
aus. Hat jemand einen klaren und offenen Geist und wirklich das Herz Fort-
schritte zu machen und die Spiritualität zu verbessern ohne irgendwelche
vorgefassten Meinungen oder Vorurteile, dann ist es unmöglich - sofern
jemand den echten dhamma ausprobiert - dass er keine Resultate sieht.
Wir müssen auch individuelle Temperamente in Betracht ziehen. Einige
Leute sind mehr zum dhamma geneigt, während andere mehr zum Glauben
neigen.
Aber der entscheidende Punkt ist, dass man genug Vertrauen und
Glauben hat um soviel Anstrengung aufzubringen, bis man Resultate be-
kommt. Nur wenn ihr euch wirklich bemüht und euer ganzes Herz und eure
Seele in die Praxis hineinsteckt, kommen die korrekten Resultate.
5. Zorn
Das ist so, als ob ein bhikkhu zornig und verärgert mit seinen Gefährten
im heiligen Leben ist. Er ist verletzend und verhärtet ihnen gegenüber und
so ist sein Geist nicht zu anderen geneigt.
In den ersten vier Verhärtungen, in denen der Geist wie ein harter Felsen
ist, der nichts aufnehmen kann, gibt es nicht genug Vertrauen und zu viel
Skeptizismus. Was immer auch in den Geist kommt wird befragt: „Ist es
auch wirklich so? Gibt es so was wie nibbāna? Warum muss ich den
Schmerz so lange beobachten?“ Die Anleitungen sinken nicht in den Geist
hinein, da man sie nicht akzeptieren will.
Die fünfte Verhärtung hat nichts zu tun damit, dass die Person kein
Glauben im dhamma hat. Vielmehr kann sich der Geist nicht beruhigen,
wenn Zorn anwesend ist. Wenn seine Mitgefährten im heiligen Leben, seine
Mitübenden oder Yogis versuchen, dem Zornigen einen Rat zu geben, kann
er ihn nicht akzeptieren.
Zorn ist natürlich auch sehr mit Stolz verbunden. Erstens kann man
keinen Rat oder keine Hilfe akzeptieren, wenn man sehr zornig ist. Zwei-
tens erzeugt der Ärger selbst eine Menge an unheilsamen kamma, das die
Praxis blockieren kann. Ärger führt z. B. gewöhnlich zu einer Menge physi-
scher Leiden wie Stress, Schmerz und Verspannung.
Eine außergewöhnliche Konsequenz ist zu beachten, wenn eine Person
zornig auf seine Mityogis ist. Wenn der Mityogi ein sehr aufrichtiger und
fleißiger Übender ist, wird das Übel im Geist der Person, das auf einen
solchen Übenden gerichtet ist, Dinge erzeugen, die ihn blockieren, be-
sonders, wenn es sich um ein erleuchtetes Individuum handelt. Gemäß den
Kommentaren ist der Pfad in Gefahr, er ist blockiert. Und nur wenn man
den Hass entfernt und um Vergebung bittet, wird der Pfad wieder klar sein.
Das ist ein wichtiger nicht zu vergessener Punkt.
Wenn der Geist sehr ärgerlich ist, erzeugt er eine Menge Widerwille. Es
gibt so eine Menge schlechter Effekte auf Grund dieses kamma und der
Geist ist nicht fähig Ratschläge bezüglich des dhamma anzunehmen.
Letzten Endes kann sich der Geist nicht beruhigen. So wird er ein sehr
schwieriger Yogi, eine schwer umgängliche Person.
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Die fünf Fesseln
Auch nachdem wir genug Vertrauen und Glauben haben, den Lehrer
akzeptieren und keinen Ärger in uns haben, gibt es weitere fünf Dinge, die
den Fortschritt aufhalten. Dies sind die fünf Fesseln des Herzens. Die fünf
Fesseln können als Faust, die das Herz fest umschlossen hält, beschrieben
werden, sodass es nicht frei ist. Ihr habt Vertrauen, ihr sagt „ja“ und das ist
gut, aber ihr könnt euch nicht bewegen. Ihr seid gefesselt. Ihr seid ange-
kettet.
1. Sinnesfreuden
Wenn ihr an Sinnesfreuden anhaftet, ist es schwierig praktische Fort-
schritte zu machen, weil ihr mit Sinnesfreuden oder körperlicher Behag-
lichkeit weitermachen wollt.
Ich erinnere mich als ich das erste Mal zum Mahasi-Meditationszentrum
ging, dass es dort viele Wanzen gab. Jeder fing Wanzen. Beim Meditieren
juckte durch die Wanzenbisse der ganze Körper. Deshalb konzentrierten
sich die Leute auf das Fangen von Wanzen statt aufs Meditieren.
Wenn ihr nicht vorsichtig seid, könntet ihr anfangen zu fühlen, dass
euch etwas an Sinnesfreuden entgeht. Meistens ist es das Essen. Das Essen,
das in kleinen Meditationszentren angeboten wird, ist oft nicht sehr gut. Es
kann auch schrecklich sein. Wenn ihr solch Essen nicht gewohnt seid, fangt
ihr an, an euer gutes Essen von zu Hause zu denken. Die meisten Westler
vermissen ihr Essen. Sie vermissen ihren Käse, Eiskrem, Kuchen und all
die anderen Milchprodukte. Eines Tages, es war gerade Weihnachten im
Mahasi-Zentrum, vermissten die Westler ihr Weihnachtsfest und entschie-
den sich eine Weihnachtsfeier im Mahasi-Zentrum zu machen. Sie sam-
melten Geld und kauften viel Eiskrem und machten eine Party. Am nächs-
ten Tag rief der Meditationslehrer nach ihnen und tadelte sie. Warum? Weil
sie meditieren sollten, also Sitzen, Gehen, Sitzen, Gehen und dabei „Heben
und Senken“ notieren sollen, anstatt zu feiern.
Sinnesfreuden halten euch vom Meditieren ab. Auch wenn ihr in der
Lage seid in ein Meditationszentrum zu kommen und „Heben“ und
„Senken,“ „Sitzen“ und „Berühren“ zu beobachten, werdet ihr in den
meisten Fällen merken, dass Sinnesfreude das Haupthindernis ist.
Von den fünf Hemmungen Sinnesfreude, Übelwollen, Mattigkeit und
Müdigkeit, Unruhe und Sorgen, skeptischer Zweifel, dominiert Mattigkeit
und Müdigkeit in den ersten paar Tagen eurer Meditation. Dann hört sie auf
und wird meist von Unruhe abgelöst.
Wenn ein Gedanke sehr stark ist, wurzelt er entweder im Zorn oder in
Sinnesfreuden. Nicht viele Leute haben sehr starken Zorn in sich, zu-
mindest nicht die Praktizierenden, die ich aus Malaysia kenne. Ihr Haupt-
hindernis sind gewöhnlich die Sinnesfreuden. Am Morgen denken sie an
Essen und vermissen ihren heißen Kaffee. Ihnen wird langweilig und sie
denken über Videofilme und über allerlei Krimskrams nach. Dann wird der
Geist noch gelangweilter und sie möchten interessantere Dinge machen. All
dies läuft unter Sinnesfreuden. Wenn eine Person wirklich von den Sinnen
losgelöst ist und sich nicht darüber sorgt was sie sieht, riecht, berührt,
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schmeckt oder hört und vorausgesetzt, dass da etwas Achtsamkeit ist, ist der
Geist zu guter Konzentration fähig.
Denkt darüber nach. Warum denkt ihr so viel während eines Retreats?
Worüber denkt ihr nach? Sehr oft, weil ihr euch langweilt. Der Geist mag
sich nicht langweilen. Er mag interessante Dinge und so denkt er sich
Sachen aus und erzählt Geschichten. All diese Aktivitäten sind normaler-
weise auf Sinnesfreuden ausgerichtet. Deshalb solltet ihr gewisse Arten von
Vorsorge treffen und vorbereitende Meditation, die den Geist beruhigt, aus-
üben, dann werdet ihr nicht soviel denken.
2. Anhaften an den Körper
Wenn jemand am Körper anhaftet, kann er nicht erstens darüber hinaus-
gehen und zweitens ist er nicht in der Lage viel Schmerz auszuhalten. Oft
werdet ihr merken, dass ihr unfähig seid den Schmerz wegen der Anhaftung
am Körper zu betrachten.
Nehmt z. B. die Schmerzempfindung im Bein. Sehr oft, wenn der
Schmerz immer stärker wird, hört die Person auf den Schmerz zu notieren.
Es ist nicht deshalb, weil der Schmerz so schmerzhaft ist, sondern weil die
Person am Bein anhaftet. Oder sie denkt, dass sie das Bein ist und wenn sie
noch länger sitzt, etwas mit dem Bein nicht in Ordnung sein wird und sie
eventuell nie wieder gehen kann. Diese Furcht wurzelt in der Anhaftung am
Körper. Wenn es das Bein von einer anderen Person ist, denkt ihr dann
auch, dass es euch berührt? Zumindest sorgt ihr euch nicht so sehr.
Während eines bestimmten Zeitabschnittes meiner Meditation gab es
einmal eine Menge Mücken. Wenn euch eine Mücke sticht, kommen eine
Menge Vorstellungen in Gang. Ihr fangt an über das Jucken nachzudenken.
Es ist nur ein kleines Jucken. Aber, wenn ihr starke Anhaftung an den
Körper habt, scheint das Jucken sehr stark zu sein. Dann fangt ihr an zu
denken, dass die Mücke vielleicht Malaria oder Dengue-Fieber hat, oder
das es vielleicht besser ist die Mücke zu vertreiben, weil man sich dann
besser konzentrieren kann. Eine Menge an Anhaftung entsteht und ihr könnt
nicht mehr meditieren. Dann scheint es so, als könntet ihr euch wegen des
Juckens nicht mehr konzentrieren. Anstatt das „Jucken, Jucken, Jucken“ zu
notieren, notiert ihr „Hand, Hand, Hand“ oder „Bein, Bein, Bein“ oder
„Nase, Nase, Nase.“
Wenn ihr das Jucken notiert, wird sich die Tendenz Richtung Ablösung
neigen. Nur so schaut ihr sehr unpersönlich auf eure Hand oder euer Bein.
Dann fühlt ihr euch, als ob eure Hand oder euer Bein sich außerhalb von
euch befindet. Wenn ihr es so betrachtet, stört euch das Jucken auf der
Hand nicht. Es kann jucken wie es will, aber es macht nichts, weil es nicht
eure Hand ist. Aber in dem Moment, wo ihr denkt und an der Hand an-
haftet, könnt ihr nicht mehr richtig meditieren. Ihr könnt die Hand nicht
richtig beobachten. Dann solltet ihr denken, „Was ist da überhaupt Schlim-
mes dran am Jucken?“ Ihr werdet deshalb nicht sterben. Es ist wie ein
Kitzeln, wie wenn jemand eine Feder nimmt und euch kitzelt. Es ist nur ein
Gefühl.
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Das Problem bei der Anhaftung am Körper ist, dass man nicht über den
Körper hinausgehen kann. Das bedeutet, dass man am Konzept des Körpers
gefesselt ist. In tiefen Formen der Meditation muss man alles über den
Körper vergessen, die Hände, Beine und so weiter. Wenn man das kann,
kann man direkt in das Geisttor gehen und nur am Geisttor ist die Konzen-
tration sehr tief.
Wenn ihr z. B. „Heben“ und „Senken,“ „Sitzen“ und „Berühren“ etc.
beobachtet, erfahrt ihr letztendlich das Windelement, die Eigenschaft der
Bewegung. Nur wenn ihr euch auf die Bewegung konzentrieren könnt,
könnt ihr die drei allgemeinen Daseinsmerkmale erfahren und Einsicht ent-
wickeln. Aber solange ihr noch am Konzept des Körpers, der Hand, Beine
etc. festhaltet, könnt ihr die Daseinsmerkmale nicht erfahren und Einsicht
entwickeln, weil Realität nicht mit diesen Konzepten oder konzeptionellen
Objekten zusammen existieren kann. Deshalb, wenn jemand stark am
Körper anhaftet, wird er sich in dem Moment, wo er die Form des
Körpers verliert, also das Körpergefühl, erschrecken und nicht
darüber hinaus gehen können.
Anhaftung am Körper tritt öfter auf, wenn die Leute ihren physischen
Körper als Realität ansehen und sich als den physischen Körper sehen.
3. Anhaftung an äußere Dinge
Die Kommentare definieren Anhaftung an äußere Dinge als Anhaftung
an Eigentum und an Menschen. Wenn ihr an äußeren Dingen wie Eigentum
oder Menschen anhaftet, ist die Anhaftung im Geist und ihr könnt sie nicht
gehen lassen und richtig meditieren. Die Anhaftung hält euch davon ab mit
ganzem Herzen alle bedingten Objekte beiseite zu legen, sodass der Geist
frei sein kann das Unbedingte zu erfahren. Wenn wir z. B. sagen, dass wir
jetzt momentan kein Zorn (oder irgendeine Anhaftung) auf irgend jemanden
verspüren, mag das wahr sein. Aber sie ist da, tief festgesetzt in unserem
Herzen und unserem Geist. Sie wird besonders stark und steht uns im Weg,
wann immer wir in tiefe Konzentration kommen oder tiefes Verstehen er-
reichen möchten.
Das erklärt, warum manchmal, wenn Leute meditieren, eine Menge tief-
sitzender Neurosen auftauchen. Normalerweise bemerken sie sie nicht, aber
während der Meditation machen sich die Neurosen oft bemerkbar und
stören enorm.
Deshalb ist es besser, wenn man sich um Fortschritt im dhamma und
vinaya bemüht, also ein Mönch zu sein. Mönche haben nichts, sie brauchen
sich über nichts Sorgen zu machen. Sie meditieren nur und leben Tag für
Tag. Ein Mönch zu werden bedeutet, dass ihr darauf vorbereitet seid bis zu
eurem Lebensende zu meditieren. Ihr sorgt euch nicht um eure Vergangen-
heit oder um eure Zukunft. Ihr notiert und notiert nur Moment für Moment.
Das ist es, was Mönch-Sein tatsächlich ist. Ihr macht euch keine Sorgen um
euer Eigentum oder andere Leute, nur über eure Praxis der Loslösung.
Deshalb gibt es nichts, was euer Herz festbindet.
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4. Anhaften an Untätigkeit
Mit Bezug auf das cetokhila sutta in der Mittleren Sammlung, ist es wie
ein Mann, der soviel isst, dass sein Bauch voll ist und er frönt den Freuden
des Schlafens, Lümmelns und Dösens, sodass sein Geist nicht zur Anstren-
gung geneigt ist. Er isst zu viel, dann legt er sich zum Ausruhen hin und
schläft. Da gibt es keinerlei Energie.
Natürlich bedeutet das nicht, dass wir uns nicht ausruhen sollten. Wir
dürfen. Aber Ausruhen, wie in den Sutten beschrieben, bedeutet vier
Stunden pro Nacht. Außerhalb dieser Ruheperiode sollten wir uns jede
Stunde des Tages bemühen. Natürlich macht ihr eine Pause um euch zu
waschen. Es gibt Essenszeiten, wenn ihr Essen bekommt. Aber in der Mitte
all eurer Aktivitäten müsst ihr Achtsamkeit praktizieren, Achtsamkeit auf
euer Meditationsobjekt.
Die Anstrengung oder die benötigte Energie um den Geist zu ent-
wickeln, ist sehr groß. In den Meditationszentren des Ostens könnt ihr
sehen, wie die Leute sich wirklich anstrengen. Aber sogar dann ist es nur in
den ansehnlichen Zentren unter der Leitung von erfahrenen Meistern. Dort
sind die Leute wirklich sehr ernsthaft dabei. An diesen Orten lümmeln sich
die Leute nach dem Essen nicht herum und ruhen sich aus. Sie haben nicht
die kleinste Ausrede um sich auszuruhen.
An diesen Orten sind sie widerwillig am Schlafen. Sie sind ungeduldig
wieder aufzustehen. Sie finden, dass Schlafen eine Zeitverschwendung ist.
Zeit ist so wertvoll. Zeit ist so wunderbar. Man muss sie vollständig nutzen.
Das sollte der Weg sein. Früher hatten die Leute mehr Energie als Konzen-
tration in ihre Praxis gelegt. Ananada z. B. hat sich die ganze Nacht be-
müht, bis er sich zum Ausruhen niederlegte, aber nicht um zu schlafen und
so wurde er erleuchtet.
Und Sona zwang sich zu gehen. Er machte Gehmeditation, bis seine
Füße sehr empfindlich wurden. Dennoch ging er, bis der ganze Weg voll
mit seinem Blut war, als wenn jemand dort eine Kuh getötet hätte. Das war
das Maß der Energie von den Leuten zu Buddhas Zeiten.
Eine andere Geschichte. Da gab es einen Mönch, der so lange Geh-
meditation machte, bis er nicht mehr gehen konnte. So kroch er. Er machte
Kriechmeditation. Und wie er so auch während der Nacht kriechend medi-
tierte, kam ein Jäger, der dachte er wäre ein Hirsch und schoss auf den
Mönch. Als auf den Mönch geschossen wurde, notierte er „Schmerzen,
Schmerzen, Schmerzen.“ Diese Geschichte soll uns dazu dienen uns mehr
anzustrengen.
5. Anhaftung an „Ehre“
Das ist, als wenn eine Person das heilige Leben führt um danach zu
trachten, ein Gott zu werden. Durch seine Tugend, Sittlichkeit und sein
Asketentum und durch das Führen eines heiligen Lebens bemüht er sich,
ein großer Gott oder eine Göttin oder eine kleinere Gottheit zu werden. So
ist sein Geist nicht zum Höchsten geneigt, das heißt zur Erleuchtung. In
dieser fünften Fessel strengt sich der Geist wirklich an etwas Geringeres zu
erreichen und bekommt ein Resultat knapp am nibbāna und den Pfad- und
159
Fruchtmomenten, dem tatsächlichen Erleuchtungsbewusstsein, vorbei. Das
heißt, dass man an irgend etwas anhaftet, dem Körper, den Gefühlen, der
Tugend, der Konzentration, dem Einsichtswissen, aber nicht am höchsten
Ziel der Erleuchtung.
Wenn der Geist an etwas Geringerem als dem höchsten Ziel anhaftet,
also der tatsächlichen Nibbāna-Erfahrung, dann macht man keine Fort-
schritte. Man stoppt hier. Anstatt sich zu befreien, haftet man an. Mit
anderen Worten, jede Anhaftung kettet den Geist an und er wird gefesselt.
161
17. Wichtige Punkte für den Vipassanā-Fortschritt
Hier beschreibe ich einige wichtige Faktoren, die helfen die Medita-
tionspraxis zu verbessern.
Tugend
Einer der wichtigsten Punkte für meinen Fortschritt war Tugend. Nicht,
dass ich vorher untugendhaft war. Ich wurde nicht so sehr aus Glauben
Mönch, sondern mehr aus Neugier. Als ich jedoch Mönch wurde, passierten
eine Menge Dinge. Irgendwie wurde der Geist in dieser Art von Umgebung
verändert. Die Tugend eines Mönchs ist zuerst nur eine Sache der Regel-
befolgung und wenn wir den Tugendregeln folgen, vermeiden wir viele un-
heilsamen Taten. Aber darüber hinaus heißt Tugend auch für einen Mönch,
dass sein ganzer Lebensstil, seine ganze Zielsetzung verändert ist. Bevor
ich Mönch wurde, studierte ich und war sehr zielorientiert. Ein Examen
folgte dem anderen und es gab Zensuren über Zensuren. Wenn ihr erst mal
aus diesem endlosem Konkurrenzkampf herauskommt und ein spirituelles
Leben lebt, ist euer Ziel spirituelle Verwirklichung statt materieller Vor-
teile. Der durch die Mönchsregeln implizierte Lebensweg verwirft alle
anderen Dinge und der Geist hat einzig Gedanken der Reinigung und der
Verwirklichung. Er sucht nun nur nach dem absoluten Frieden.
Bestimmte Dinge im Geist klangen ab und ich bekam eine Menge Er-
fahrungen, die ich später als Vipasssanā-Erfahrungen wiedererkannte.
Vorher praktizierte ich Zen, nicht das japanische Zen, sondern chinesisches
Chan. Wenn ihr auf die Tugend eines Mönchs schaut, solltet ihr deshalb
nicht meinen, dass sie sich auf einfaches Befolgen von Regeln beschränkt.
Vielmehr ist es ein Lebensstil, der den Zielen, die in den gegebenen Regeln
und Bedingungen enthalten sind, entgegenkommt. Ein gewöhnliches Bei-
spiel ist dies: Wenn jemand zu einem Meditationszentrum kommt oder in
einen Tempel, dort eine Zeit verbringt, soviel meditiert wie er oder sie kann
und ein spirituelleres Leben lebt, dann beruhigt sich der Geist und wendet
sich den spirituellen Zielen zu. Wenn allerdings die Tugend verfällt, wird es
weniger Zurückhaltung geben und alles beginnt sich zu verschlechtern.
Buddhistische Metaphysik
Ein zweites wichtiges und hilfreiches Ereignis war, als ich begann
abhidhamma zu studieren. Abhidhamma ist buddhistische Metaphysik. Es
enthält das Studium der paramattha dhamma, der letztendlichen Wirklich-
keiten, der verschiedenen Geist- und Körperprozesse und Charakteristika,
der verschiedenen Bewusstseinsarten mit verschiedenen geistigen Zu-
ständen (geistigen Faktoren).
Als ich das erste Mal nach Penang ging, war ich sehr am abhidhamma
interessiert, da ich zuvor noch nichts darüber gehört hatte. Obwohl ich
schon einige Abhidhamma-Bücher angesehen hatte, waren sie sehr tech-
nisch, enthielten bombastische Worte, die für mich keinen Sinn ergaben.
z. B. wurde darin cetasika als geistiger Begleitfaktor bezeichnet. „Was
bitteschön ist ein geistiger Begleitfaktor?“ Es wurden Worte wie Wahr-
162
nehmung benutzt und ich wunderte mich, was sie mit Wahrnehmung
meinten. Das Lexikon sagt, „wahrnehmen“ ist Wahrnehmung. Was ist dann
wahrnehmen? Wahrnehmen heißt wissen, aber was ist dann der Unterschied
zwischen Bewusstsein und wissen? Das ist nicht sehr genau. Wenn man
jedoch den Bogen heraus hat, versteht man, dass es nicht nur eine Sache des
Lernens ist, sondern dass das Studium vielmehr Bezug zur eigenen Praxis
haben muss. Glücklicherweise gab es zu der Zeit einen Lehrer, der
abhidhamma lehrte und es zum täglichen Leben in Bezug setzte. Wenn man
praktiziert, ist es hilfreich es auf die Praxis zu beziehen. Als ich eine Anzahl
an Fragen hatte und gerade nicht intensiv meditierte, sagte er mir, dass ich
sie zuerst analysieren und soviel wie möglich lesen sollte und erst dann ihm
die Fragen stellen soll. Dies alles half mir später beim wachsamen
Beobachten der verschiedenen Zustände und Bedingungen des Geistes. Es
half mir auch, das Meditationsobjekt klarer abzugrenzen.
Wenn man z. B. über Begehren und Anhaften spricht und im
abhidhamma nachschaut, gibt er klarere Definitionen, die man mit den ver-
schieden arbeitenden Bewusstseinsarten in Beziehung setzen kann. Als ich
dann hinausging und auf andere Mönche schaute, dachte ich: gut, hier ist
Begierde, dieser hier hat Begierde. Ich beobachtete ihn, Essen auf diese
Weise heißt also, er hat Begierde. Von da an begann ich den abhidhamma
zu schätzen. Nicht viele Mönche studieren abhidhamma, deshalb war ich
froh, dass ich in der Lage war die Dinge zu bemerken, die im Geist und
Körper passieren. Das hilft enorm bei der Praxis. Das stoppt eine Menge
Befleckungen und erhöht die Achtsamkeit. Natürlich betreffen viel Dinge
innerhalb der Lehre die Praxis.
Konzentration
Der vierte am Fortschritt beteiligte wichtige Faktor ist Konzentration.
Nur mit einem gewissen Grad an Konzentration wird tieferes Einsichts-
wissen aufsteigen. Nur dann ist der Geist stark genug die Durchdringungs-
arbeit zu leisten.
Mein erstes Meditations-Retreat war ein Dreimonats-Retreat im Penang
Meditationszentrum. Ich hatte zuvor noch kein Vipassanā-Retreat gemacht.
Ich ging einfach hinein und machte ein Dreimonats-Retreat. Auf diesem
Retreat bemerkte ich, dass, wenn der Geist erst mal einen gewissen Grad an
Konzentration erreicht hat, alles Mögliche passieren kann. Obwohl es
Konzentration gab, waren die Erfahrungen im ersten Monat nicht so klar.
Nach dem ersten Monat war all das Denken und die Unruhe vorbei und die
Erfahrungen wurden sehr scharf. Ich bemerkte, dass ich unglaublich viel
dachte. Da war so viel Denken. Ich wusste nicht, dass man soviel denken
konnte! Wenn ihr anfangt zu meditieren und ihr wirklich totale Kontrolle
über eure Unruhe habt, könnt ihr sehen, wie leicht der Geist einem ent-
kommt.
Auf diesem Retreat war ich ab einem bestimmten Moment sehr damit
beschäftigt herauszubekommen, warum Denken passiert. Ich bemerkte bei
der Gehmeditation, z. B. zwischen dem Moment des Schrittanfangs und
dem Absetzen des Fußes auf den Boden, dass der Geist wegglitt. Da es
einen gewissen Grad an Achtsamkeit gab, der versuchte zurückzuverfolgen,
was passiert war, konnte ich bemerken, dass ich im Moment des Wegglei-
tens die Spur der Gedankenprozesse verfolgen konnte. Innerhalb dieser ein
oder zwei Sekunden gab es mindestens zwanzig oder dreißig Gedanken,
aber trotz der vielen Gedanken wusste ich auf Grund der Achtsamkeit,
welcher Art diese Gedanken waren oder von zumindest einer Menge von
ihnen. Einer kam nach dem anderen. „Das ist fantastisch!“ sagte ich, „Kein
Wunder, dass der Geist sich nicht tiefer konzentrieren kann!“ Wenn die
Gedanken schließlich für längere Zeit aufhören, entstehen all die klaren
Erfahrungen eine nach der anderen. Die Lektion hier ist, dass man einen
164
sehr starken Entschluss fassen sollte um wirklich kontinuierlich zu notieren
und wenn der Geist abdriftet, klar zu benennen, wo er hingewandert ist.
Bringt den Geist auf ein tieferes Niveau der Konzentration.
Später, beim Versuch weitere Fortschritte zu machen, kam ich zur
Samatha-Meditation (Ruhemeditation). Dies geschah, als ich das zweite
Mal nach Burma kam. Ich fand sie sehr nützlich, aber die Betonung liegt
nicht auf der Samatha-Meditation. Als ich das erste Mal in Burma war,
wollte ich sowohl samatha als auch vipassanā ausüben. Ich wollte soviel
lernen, wie ich konnte. Jedoch war man nicht gewillt mich zu unterrichten.
Sie sagten, „Jetzt ist vipassanā wichtig und erste Priorität.“ Deshalb musste
ich vipassanā praktizieren, bis sie zufrieden waren. Ich kann das verstehen,
weil die Menschen nur sehr wenig Zeit haben. Auch wenn ihr der Welt ent-
sagt und Mönch werdet, wisst ihr in der Tat nicht, wie lang ihr Mönch
bleiben werdet. Durch die unsichere Natur der Welt und ihrer Bedingungen,
müsst ihr wählen und ich wählte vipassanā, Einsichtsmeditation weiterzu-
machen. Obwohl einige Leute sagen, ihr braucht Samatha- (Ruhe-) Medita-
tion, jhānas etc., bevor ihr gute Fortschritte in Vipassanā-Einsicht machen
könnt, kann ich aus persönlicher Erfahrung nicht bestätigen, dass sie für
anfängliche Einsichtsstufen notwendig ist. Es ist ausreichend nur vipassanā
zu machen und so durch die Einsichtswissen zu gehen.
Wenn jemand samatha kann, ist das natürlich ein Vorteil. Das Problem
ist die Zeit, die uns zur Verfügung steht. Um die grundlegende und not-
wendige Stufe der Konzentration als starke Basis für vipassanā zu erlangen,
brauchen wir viel Zeit. Aber wir haben nicht viel Zeit. Auch wenn ihr von
samatha zu vipassanā wechselt, heißt das nicht, dass ihr dazu in der Lage
seid. Ihr habt nur den Vorteil des ruhigeren Geistes.
Ich stimme darin überein, dass es gewisse Menschen gibt, die wirklich
zuerst diese Art der Ruhemeditation brauchen, bevor sie vipassanā machen.
Das gilt für Personen mit sehr starken Befleckungen, die sie vorher erst
kontrollieren müssen. Für die meisten Menschen, denke ich, ist es aber
nicht absolut notwendig.
Trotzdem ist samatha, wenn man weiter in der Praxis voranschreitet,
sehr hilfreich. Zum Beispiel wenn man in der Lage ist das Aufbrechen des
„Hebens“ und „Senkens“ zu beobachten. Wenn das „Heben“ und „Senken“
sich durch dieses Aufbrechen in sehr kleine Partikel auflöst, wovon jedes
dieser sehr feinen Partikel schnell von Moment zu Moment entsteht und
vergeht, dann, wenn man in tiefe Samatha-Konzentration geht, können
diese kleinen Partikel zu großen Ballons expandiert werden und jeder dieser
großen Ballons dient als Basis, darin noch feinere Partikel zu entdecken.
Die Geschwindigkeit der Veränderung scheint stark vergrößert zu sein. Es
ist unter anderem aus den Sutten bekannt, dass Menschen mit diesem Ein-
sichtsvehikel zur Arahantschaft, der höchsten Erleuchtungsstufe gelangen
können.
166
Ich persönlich denke, dass es eine Menge mit vergangenen Verdiensten
und karmischen Akkumulierungen zu tun hat. Wenn ihr geduldig seid,
kommt nach einiger Zeit Fortschritt und ihr werdet definitiv irgendetwas
bekommen und ihr werdet definitiv glücklicher sein. Tatsächlich werdet ihr
unter den glücklichsten Menschen dieser Erde sein.
167
18. Die Gratwanderung: Achtsamkeit im Alltag
Anpassung
Wenn ihr in den Alltag zurückkehrt, braucht der Geist einige Zeit um
sich wieder auf die weltliche Situation einzustellen. Einige könnten dadurch
bedingt wütend oder leicht reizbar werden. Das kommt durch die Frei-
setzung von Wünschen und Tendenzen, die während des Retreats unter-
drückt wurden. Es sollte uns aber keine Sorgen bereiten, da sie sich bald
beruhigen werden.
Einige versuchen bis zur äußersten Grenze im Alltag das weiterzu-
machen, was sie während des Retreats getan haben. Hier einige Komplika-
tionen, die dabei entstehen können. Sie erscheinen mysteriös, entfernt oder
stolz bei ihren Freunden und Verwandten. Sie sprechen nicht, machen keine
Witze wie sonst. Sie gehen auch so langsam.
Es ist offensichtlich, dass es nicht praktikabel ist so langsam zu gehen,
wenn man in der sich schnell bewegenden Außenwelt versucht achtsam zu
sein. Das heißt allerdings nicht, dass wir uns in unsinnige Gespräche ver-
wickeln sollen, wenn wir es nicht wollen. Wenn es eure Arbeit, die Effi-
zienz, euer Studium oder euer Familienleben beeinträchtigt, dann müsst ihr
die Praxis in gewissem Grade aussetzen. Ihr seid noch keine Nonnen oder
Mönche. Ihr könnt zwar Achtsamkeit praktizieren, aber es wird in einer
weniger intensiven Art und Weise sein. Das ist nicht etwas, dass ihr euch
aussuchen könnt, sondern eure Situation ist so, dass ihr nur in der Art
praktizieren könnt.
170
buschig. Wenn es kein Wasser gibt oder nur einige Tropfen, werden die
Blätter abfallen, bis nur noch ein Blatt, die Wurzel und der Stängel übrig
bleiben. Aber noch ist nicht alles verloren. Wenn ihr frei habt, wässert ihr
sie wieder und ihr werdet drei oder vier Blätter erhalten. Das ist besser als
nichts. Die Pflanze ist nicht gestorben. Wenn sie vollständig vergangen ist,
wird euer Geist sich in einem schrecklichen Zustand befinden. Der Dämon
hat euch vollständig übernommen. Deshalb müsst ihr die Achtsamkeit er-
halten. Das Problem ist, dass die meisten Leute, bevor sie mit dem Medi-
tieren anfangen, bevor sie auf Retreats anwesend sind, gar nicht wissen,
was Achtsamkeit ist. Wenn ihr ein besseres Verständnis der Natur der
Achtsamkeit habt, könnt ihr sie auch außerhalb der Retreats erhalten oder
sie zumindest in einem gewissen Grade in eurem Alltag entwickeln.
Verlangsamung
Es gibt eine Menge an Dingen, die es vereinfachen die Achtsamkeit auf-
recht zu erhalten. Das Wichtigste ist, dass ihr euch nicht beeilt. Eile scheint
harmlos, aber tatsächlich ist sie es, wo die Achtsamkeit verloren geht. Ihr
macht dies, dann das, beeilt euch und schon habt ihr eure Achtsamkeit ver-
loren. Mit ihrem Verlust entstehen Zorn und Ungeduld mit all ihren Folgen.
Wenn ihr euch nicht beeilt, habt ihr Zeit nachzudenken, zu erwägen und zu
prüfen, zu beobachten und Ruhe zu bewahren. Wenn ihr hier und dorthin
hastet, ist da nicht genug Konzentration. Achtsamkeit kann so nicht ent-
stehen und Konzentration ist auch nicht vorhanden, deshalb könnt ihr nicht
in die Tiefe gehen.
Wenn ihr schon vorher meditiert habt und euer Geist schon tief konzen-
triert war, dann findet einen freien Zeitraum wie am Morgen oder am
Abend, wo ihr alles beiseite legen könnt und macht eure Meditation. Wegen
eurer früheren Erfahrung kann die Konzentration wieder zu einem gewissen
Umfang zurückkehren. Aber ihr müsst den ganzen Tag aufpassen. Hetzt
euch nicht ab und sagt keine Dinge ohne Achtsamkeit. Sonst werden all die
Dinge, wenn ihr meditiert, zurückkommen um herumzunörgeln. Wenn ihr
zu einem gewissen Grad Bewusstheit bewahrt, anstatt ruhelos zu werden,
ist Achtsamkeit da. Wenn ihr das vergesst, dann kehrt in den gegenwärtigen
Moment zurück. Entspannt euch, lasst es fließen, macht gar nichts. Seid nur
achtsam. Kehrt immer wieder zum Zustand der Achtsamkeit zurück.
Entspannt euch, lasst alles gehen und seid zehn oder zwanzig Minuten ruhig
am Tag, oder auch nur für den Moment. Ihr werdet den Unterschied in
eurem Leben bemerken.
Eine Minute pro Tag
Nicht viele Leute können tatsächlich jeden Tag meditieren. Dazu
braucht es eine große Entschlusskraft. Wenn diese nicht ausreicht, was
können wir dagegen machen? Folgt dieser einfachen Regel: Jeden Tag setzt
ihr einen Punkt um für eine Minute zu meditieren. Wenn ihr „Heben“ und
„Senken“ sechzig Mal beobachtet, ist es schon mehr als eine Minute. Wenn
ihr eine Minute pro Tag meditieren könnt, als Erstes am Morgen und als
Letztes am Abend bevor ihr schlafen geht, könnt ihr sicher auch etwas
länger meditieren. Wenn ihr euch hinsetzt und „Heben“ und „Senken“
171
sechzig Mal beobachtet, werdet ihr euch ruhig fühlen. Dann meditiert für
zwei Minuten weiter. Wenn ihr zwei Minuten meditieren könnt, könnt ihr
es auch für drei Minuten. Nach fünf Minuten mögt ihr genug haben, aber
das macht schon tatsächlich einen Unterschied. Euer Tag beginnt glück-
licher und achtsamer. Das Geheimnis besteht darin einfach anzufangen, die
Maschine ins Rollen zu bringen. Wenn es kalt ist, mögt ihr vielleicht nicht
meditieren. Aber bringt die Maschine einfach ins Rollen und es wird einige
Zeit gehen. Tägliche Praxis beeinflusst euren Alltag positiv und die Medita-
tionsfertigkeit wird in einem gewissen Masse aufrechterhalten. Auch wenn
sie nicht so tief ist, erweitert sie zumindest eure Erfahrungen und bildet eine
Basis, die, wenn die Bedingungen passender wie in einem Retreat sind, da-
zu führt, dass ihr eure Meditation sehr schnell wieder aufnehmen könnt.
Einige machen nur durch ihre tägliche Praxis Fortschritte. Diese Leute
meditieren jeden Tag ohne Unterlass.
Etwas, was in dieser Einer-Stunde-Pro-Tag-Praxis helfen kann, ist
Konzentration, die den Geist schnell ruhig stellen kann. Es ist nicht so
schwer, von einem unruhigen Geist zu einem friedvollen Geist zu kommen.
Macht Metta-Meditation (Liebende-Güte-Meditation) oder singt für zehn
oder auch nur fünf Minuten um die Gedanken abzuhalten und der Geist
wird in einen ruhigen für die Vipassanā-Meditation günstigen Zustand
kommen, ohne viel Zeit zu verlieren. Diese Fähigkeit sollte geübt werden.
Diejenigen, die nicht singen können, können auch Gesang auf einer Kas-
sette mit Achtsamkeit folgen und so alle anderen Gedanken abschalten,
sodass in dem Moment, wo sie sitzen, der Geist schon beruhigt ist und sie
mit Achtsamkeit die Objekte beobachten können. Sonst können Gedanken
und Zorn eindringen und die Stunde ist schon vorbei, obwohl ihr nur fünf
Minuten das „Heben“ und „Senken“ beobachtet habt und todmüde seid.
Wenn ihr sehr beschäftigt seid und am Ende des Tages meditiert, dann
braucht ihr nicht soviel Gehmeditation machen. Wenn ihr eine Menge
physischer Energie während des Tages verbraucht habt, seid ihr vielleicht
müde. Wenn ihr wirklich müde seid, schlaft ein wenig, bevor ihr meditiert.
Die beste Zeit zum meditieren für beschäftigte Personen ist am Morgen. Ihr
habt euch genug ausgeruht und euer Geist ist ausgeglichen. Ihr müsst es
euch zur Gewohnheit machen morgens früh aufzuwachen und euch viel
Zeit für die Meditation zu nehmen. Sonst, wenn ihr nur eine knappe halbe
Stunde Zeit zum Meditieren habt, werdet ihr währenddessen daran denken,
was ihr heute auf eurer Arbeit zu tun habt und schon ist die halbe Stunde
um.
Eine andere Strategie um der täglichen Achtsamkeit zu helfen, ist richtig
zu planen. Wenn ihr eure Arbeit gut organisiert, müsst ihr nicht soviel
denken. Der Geist wird nicht so ruhelos. Organisiert zu sein, wird euch
auch eine Menge an Zeit schenken um Heilsames zu tun.
Strebsamkeit
Mit Fleiß können Personen auch im Alltag Erfolg haben. Mit Strebsam-
keit werdet ihr eurer spirituellen Praxis wirklich treu werden. Es ist kein
Hobby, dass ihr nur tut, wenn euch danach ist. Es gibt Kontinuität.
172
Andrerseits solltet ihr auch ein wenig vorsichtig sein, damit ihr euch nicht
zu stark antreibt. Wenn ihr euch zu stark antreibt, ist es mehr wie eine Be-
strafung oder Qual. Dann werdet ihr vielleicht das Anfangen fürchten und
ihr meditiert nur, weil ihr müsst. Schließlich gebt ihr auf. Es gibt eine
Kontinuität des Bestrebens. Versucht euer Bestes. Erwartet nicht zu viel
von euch selbst. Es gibt Regeln und der Geist ist dazu konditioniert bei
größeren Erfahrungen einen höheren Zustand anzunehmen. Nach einiger
Zeit, wenn der Geist genug Schwungkraft auf Grund der Konditionierung
hat, wird er durchbrechen, weil es tief im Geiste diesen Wunsch gibt, dieses
„Programm“ es geschehen zu lassen. Ohne Ambitionen ist der Wunsch
Fortschritte zu machen nicht da und der Geist akkumuliert nicht genug Be-
dingungen (Energie). Ihr fühlt keinen Fortschritt und die Konzentration
kommt nicht auf.
173
Klares Verständnis
Vipassanā-Konzentration kann im Alltag immer bis zu einem gewissen
Grade erzielt werden. Hier ist der wichtige Teil der Praxis klares Verständ-
nis. Klares Verständnis des Ziels, klares Verständnis der Angemessenheit.
Das Ziel ist dass, was ihr tun möchtet. Eine Absicht entsteht und ihr notiert
die Absicht. Ihr wisst, dass einige Absichten heilsam und andere unheilsam
sind. Wenn sie unheilsam ist, dann lasst es. Wenn es heilsam ist, könnt ihr
es tun. Nun kommen wir zum klaren Verständnis der Angemessenheit.
Angemessen für die Praxis, angemessen um viele andere Dinge zu tun. Bei
der Gratwanderung ist es angemessen, in tiefere Erfahrungsstufen zur
anderen Welt hineinzugehen, nämlich zum Nicht-Selbst, zur Realität.
Deshalb seid achtsam, wann immer ihr es wollt. Sobald es angemessen ist,
schaltet ihr auf Achtsamkeit um. Ihr werdet dann nur den Geist-Körper-
Prozess, so wie er ist, erfahren. Wenn ihr z. B. im Bus sitzt und nichts zu
tun habt, könnt ihr achtsam sein auf „Heben“ „Senken“ „Hören“ Hören,“
ein Schmerz hier, ein Schmerz da... Aber ihr könnt natürlich nicht so tief
gehen, weil ihr sonst eure Haltestelle verpasst.
Deshalb müsst ihr das Hinein- und Herausgehen kontrollieren lernen.
Wenn ihr erst einmal diese Kunst gemeistert habt, fällt es euch leicht. Es ist
ein schmaler Grat. Speziell, wenn ihr einen gewissen Grad an Achtsamkeit
und Klarheit aufrechterhalten könnt, könnt ihr jederzeit „hineingehen“.
Zum Beispiel während des Gehens. Natürlich nur, wenn es ein gerader Weg
ist und es keine Autos gibt. Wenn ihr daran gewöhnt seid, geht ihr auf dem
Weg, bemerkt nichts anderes und zur rechten Zeit kommt ihr heraus.
Die Frage der Angemessenheit wenden wir an, wenn wir fragen, ob es
angemessen ist zu praktizieren. Es gibt eine Fähigkeit des Geistes Bedin-
gungen herzustellen um für kurze Zeit in die Meditation einzutauchen und
wieder aus ihr herauszukommen. Am Anfang gelingt dies meist nicht, da
das Eintauchen Zeit kostet. Ihr müsst auch mit dem Denken kämpfen, dann
auf das „Heben“ und „Senken“, also die Atmung achten, sie überhaupt
finden etc. Aber wenn ihr erst einmal daran gewöhnt seid in die Konzen-
tration hineinzugehen und das „Heben“ und „Senken“ zu beobachten, neigt
ihr dazu euch von den anderen Dingen abzutrennen. Ihr werdet „Innen“
sein. Gehen ist diesbezüglich schwieriger, da ihr dabei normalerweise zum
Herumschauen tendiert.
Wenn euer Geist wirklich in Konzentration gehen möchte und ihr die
Objekte beobachten und alles andere vergessen könnt, könnt ihr diesen
Augenblick kontrollieren. Ihr bleibt in dem Moment, wo es nicht passend
ist, draußen und wenn der nächste Moment passend ist, geht ihr in die
Konzentration hinein. Wenn ihr länger praktiziert und daran gewohnt seid,
ist das durchaus erreichbar. Der Grat ist aber tatsächlich sehr schmal.
Erlebte Konzentration
Wenn ihr in Stadien tiefer Konzentration hineingehen könnt, wenn auch
bloß für eine Sekunde und herauskommt, ist es gut genug. Diese eine
Sekunde kann eine sehr tiefe Erfahrung sein. Deshalb übt, sodass ihr in an-
gemessenen Momenten komplett für einen kurzen Moment in das Objekt
174
vertieft seid und wieder herauskommt. Dies wird Gratwanderung genannt.
Das ereignet sich öfter in Traditionen, die eine alltägliche Praxis der inten-
siven formalen Meditation gegenüber bevorzugen. Die Leute in diesen
Traditionen versuchen, den ganzen Tag über achtsam zu sein. Das machen
sie in Sekundenbruchteilen, während sie mit ihrer Arbeit oder anderen
Tätigkeiten beschäftigt sind. Da sie Achtsamkeit haben, können sie schnell
in die Konzentration hineingehen und genauso schnell wieder heraus-
kommen. Sie erfahren komplette Vertiefung im Moment. Viele Leute
kommen zu Retreats und praktizieren auch hart, aber wenn sie wieder nach
Hause kommen, ist alles wieder wie zuvor. Wenn ihr allerdings in einen
Moment vertieft sein und wieder herauskommen könnt, dann habt ihr eine
Menge Gelegenheiten die tieferen Aspekte der Meditation auch im Alltag
zu entwickeln.
Hier noch ein paar Ratschläge. Wenn ihr erst einmal kontinuierliche
Achtsamkeit erreicht, seht auf das Objekt und trennt das Ich-Konzept ab.
Dieses Konzept ist es, dass Denken und Unruhe hervorbringt. Wenn ihr das
Ich-Konzept abgetrennt habt, trennt das Raumkonzept ab. Danach trennt
das Zeitkonzept ab. Nehmt zum Beispiel ein einfaches Objekt wie Gehen.
Wenn ihr ständig im Sinn habt „Ich bin hier, dies ist der Körper“ und ähnli-
che Gedanken, könnt ihr nicht tief in die Erfahrung hineingehen. Deshalb
kümmert euch nicht um das „Ich“. Es ist der Geist, der es erfährt. Denkt
nicht an Raum. Denkt nicht, dass ihr euch bewegt. Bewegung ist selbst das
Objekt. Dann gibt es nur noch die Bewegung. Es ist, als wenn ihr selbst an
einem sich nicht ändernden Punkt verbleibt. So wird Bewegung euer
Objekt. Denkt nicht daran, was ihr gerade macht, z. B. ihr geht gerade für
immer und ewig oder so etwas Ähnliches. Ihr habt alle Zeit der Welt zu
gehen, denkt nicht darüber nach. Dann sinkt der Geist tiefer. Es ist nur eine
Frage der Haltung. Wenn ihr das könnt, während ihr auf einen Bus wartet
oder während ihr zufällig für fünf Minuten geht, kann der Geist in völlig
tiefe Konzentration sinken. Auch wenn ihr dann geht, werdet ihr keine Ge-
räusche hören und auch überhaupt nichts sehen. Es sind nur für ein oder
zwei Sekunden der Geist und das Objekt da.
Wenn ihr natürlich Achtsamkeit im Alltag und intensive Retreats
kombinieren könnt, ist das das Beste. Damit ihr besser während des
Retreats meditieren könnt, bereitet euch bitte vor. Stellt sicher, dass ihr
regelmäßig sitzt. „Startet die Maschine“ und versucht noch vor dem Retreat
all eure Arbeiten zu beenden. Viele Leute, die zum Retreat kommen, aber
viel Arbeit haben, hasten nach dem Meditieren nach Hause um ihre Arbeit
zu beenden. Dann kommen sie wieder zum Retreat und sind so müde. Der
ganze Stress braucht einige Zeit um überwunden zu werden. Aber wenn ihr
schon vorbereitet seid bei eurer Ankunft, gibt es einen großen Unterschied.
Anstatt dass ihr drei oder vier Tage braucht um wieder dort zu sein, wo ihr
gewesen seid, braucht ihr nur noch ein oder zwei Tage und schon macht ihr
Fortschritte.
175
Zusammenfassung
Was ist Meditation? Meditation ist die auf einem systematischen Weg
entwickelte Achtsamkeit. Achtsamkeit, die so stark entwickelt wird, bis sie
kraftvoll und scharf genug ist um Einsicht zu erzielen. Diese Einsicht ist in
der Lage all unsere Befleckungen zu beseitigen und uns von allen Leiden zu
befreien.
Zuerst brauchen wir genug Achtsamkeit, um uns vor der Ausübung
böser Taten durch das Körper- und Sprachtor zu schützen. Das wird Sitt-
lichkeit genannt.
Später, wenn die Achtsamkeit kontinuierlich und kraftvoll geworden ist,
kann der Geist rein und zeitweilig frei von Befleckungen gehalten werden.
Das ist Konzentration.
Zum Schluss kann die Achtsamkeit so scharf werden, dass sie die wahre
Natur der körperlichen und geistigen Prozesse durchdringt. Das ist Einsicht
(Wissen/Weisheit).
Dieses dreifache Training der Sittlichkeit, Konzentration und Weisheit
des achtfachen Pfades ist untereinander abhängig. Sittlichkeit ist die Basis
um Konzentration zu entwickeln, während Konzentration die Basis dafür ist
Einsicht zu entwickeln. Die Sittlichkeit wird aber auch stärker, wenn die
Einsicht steigt.
All dies hört sich sehr einfach an, aber jeder, der schon praktiziert hat,
weiß, dass dies einfacher gesagt als getan ist. Es braucht Zeit und Mühe und
deshalb müssen Opfer gebracht werden. Es kann einem jedoch versichert
werden, dass es jeder Mühe wert ist. Wir brauchen eine Menge an
Vipassanā-Akkumulationen um uns aus dem samsara herauszubringen.
Und wenn wir wissen, was der samsara und all das Leiden ist, werden wir
fleißig praktizieren.
176
Anhang
A. Die fünf Hemmungen (nīvaraa)
In den ersten paar Tagen eines intensiven Retreats oder der anfänglichen
Meditationsphase, werden die Anfänger die Hemmungen in ihrer vollen
Stärke erleben.
Diese Hemmungen sind geistige Befleckungen. Sie werden in fünf
Gruppen eingeteilt:
1. Kāmachanda – Sinnesbegehren
2. Vyāpāda – Übelwollen
3. Thīna-midha – Mattigkeit und Müdigkeit
4. Uddhacca kukkucca – Unruhe und Sorgen
5. Vicikicchā – skeptischer Zweifel
1. Vipassanā-Methoden
a) Die Achtsamkeit wird auf die betreffende Hemmung gerichtet
b) Die Achtsamkeit wird auf andere Objekte als die Hemmung
gerichtet
2. Nicht-Vipassanā-Methoden
a) Entwicklung des gegenteiligen heilsamen geistigen Zustandes
b) Andere Methoden, z. B. Bedingungen erzeugen, die zu reinen
geistigen Zuständen führen.
Sinnesbegehren (kāmachanda)
Sinnesbegehren ist Verlangen hinsichtlich der Anhaftung am Vergnügen
an den fünf Sinnesobjekten und den mit ihnen verbundenen Gedanken
bezüglich ihrer Schönheit, Wonne etc.
Wir wurden in eine Welt geboren, die diese Sinne und Sinnesobjekte
genießt und daran Vergnügen findet. Farbenfrohe Bilder, zauberhafte
Musik, verführerische Parfüms, leckeres Essen, angenehm weiche Berüh-
178
rungen und fantasievolle, sinnliche Gedanken. Es ist wahr, dass sie mit
einem gewissen Grad an Vergnügen und Freude einhergehen. Aber sie sind
sehr flüchtig und wir müssen teuer für sie bezahlen. Diese Hemmung wird
mit einer Schuld verglichen. Da wir diese Sinnesobjekte wollen, müssen
wir ihretwegen und dem kurzen Moment des Vergnügens viel vorher und
nachher Leiden. Außerdem ist der kurze Moment des Vergnügens selbst
nicht freudvoll. Aufregend vielleicht, aber nicht wirklich friedvoll.
Sinnesbegehren kann klar gesehen werden, wenn man es beim Erschei-
nen notiert. Während eines Retreats beachtet man die Sittenregeln etc. Ge-
wisse Attraktionen und Ablenkungen werden dadurch auf ein Minimum
reduziert. Aber Sinnesbegehren kann noch für jemanden, der herum-
schauen, hören und sprechen will, auftauchen. Wir müssen darauf wirklich
sehr achtsam sein, indem wir „Begehren“ oder „Anhaften“ in dem Moment
notieren, wenn es erscheint. Wenn wir dies tun, sollten wir uns sehr
sicher sein, dass wir den mentalen Zustand achtsam notieren und nicht
das begehrliche Objekt. Wir müssen unsere Achtsamkeit auch so stark
und kontinuierlich wie möglich machen, da die Anwesenheit eines Sinnes-
begehrens selbst anzeigt, dass der Geist schwach ist. Wir müssen auch
sicherstellen, dass wir das Sinnesbegehren mit Loslösung notieren, da wir
sonst ohne unser Wissen wieder in die Anhaftung hineingleiten. Wenn wir
dies können, werden wir feststellen, das Anhaften oder Sinnesbegehren eine
Sache und das angenehme, begleitende Gefühl eine andere Sache ist. Das
angenehme Gefühl, das nur einen kurzen Moment andauert und dann ver-
geht, erzeugt einen erhebenden Mantel der Begeisterung und legt ihn über
den leidenden Zustand der Anhaftung, der diesen geistigen Zustand be-
herrscht. Wenn ihr dieses Sinnesbegehren, dessen spezifische Eigenschaft
Anhaften am Objekt ist, achtsam betrachten könnt, werdet ihr es nicht nur
als unbefriedigend ansehen, sondern auch als tatsächliches Leiden. Es ist
ein hungriger Zustand, es wird mit einem Hungergeist verglichen. Es ist ein
brennender Zustand. „Es gibt kein so starkes Feuer wie Begierde“ sagt ein
Sprichwort.
Wenn wir achtsam sind, wird das entstandene Sinnesbegehren bald auf-
hören. Der Grund dafür ist, dass Sinnesbegehren und Achtsamkeit nicht zur
gleichen Zeit existieren können. Ein anderer Grund ist, dass wir seine wahre
Natur erkennen können. Das Problem ist, dass wir manchmal noch an sinn-
lichen Vergnügen hängen. Aber wenn wir rechtes Verstehen haben und uns
entschließen, die Leidenschaft zu überwinden und in ihr keine Sekunde
länger zu schwelgen, können wir uns von ihr befreien. Die Methode, die
geistigen Hemmungen direkt zu beobachten, dient deshalb zwei Zielen:
Übelwollen (vyāpāda)
Die zweite Hemmung „Übelwollen“ gehört zu den zornigen Zuständen
des Geistes. Es ist ein gewalttätiger Zustand, der das Gedeihen und das
Glück von einem selbst und anderen zerstören will. Er erscheint in vielen
Formen und ist wegen seiner groben Natur und wegen dem unangenehmen
Gefühl, mit dem er daherkommt, leichter zu erkennen als Sinnesbegehren.
Wie bei allen Befleckungen ist es leichter sie zu überwinden, wenn sie früh
erkannt werden. Wir notieren achtsam „Zorn, Zorn“ oder „Angst“ „Eifer-
sucht“, in welcher Form das Übelwollen auch erscheinen mag. Während
des Notierens sollte man so ruhig wie möglich bleiben. Wenn man achtsam
auf den Zorn ist, ist es wie das Fahren auf einer gewundenen schlechten
Straße mit vielen Schlaglöchern und Steinen. Man muss sehr wachsam,
vorsichtig und stabil sein. Es ist wie als wenn sich ein Meditierender in-
mitten von gewalttätigen im Streit liegenden Gruppen befindet, um ihre
Differenzen zu lösen. Man muss ruhig bleiben, aber nicht so lax, dass man
von beiden Seiten gehauen wird.
Wenn wir achtsam auf die Eigenschaft des Zornes - das ist die Grau-
samkeit oder das Verletztenwollen ihrer Objekte - sein können, werden wir
sehen, dass es ein sehr unbefriedigender Zustand des Geistes ist. Dennoch
halten die Leute, die Hass oder Reue erdulden, an diesen widrigen geistigen
Zuständen fest, ohne gewillt zu sein sie gehen zu lassen. Zorn ist niemals
gerecht. Das Erkennen seiner wahren Natur bringt einen dazu ihn wie eine
heiße Kartoffel fallen zu lassen.
Man sollte den Zorn solange, bis er gänzlich verschwindet, auch losge-
löst vom Ich-Konzept, dem „Mein“ etc. , beobachten. Wenn der Zorn
immer noch da ist, muss man andere Maßnahmen oder Taktiken, wie den
Geist auf ein anderes Objekt lenken, anwenden.
Eine der Hauptbedingungen für das Entstehen von Ärger ist das absto-
ßende Objekt. Ein normales abstoßendes Objekt, auf das der Meditierende
stößt, ist Schmerz. Physische schmerzhafte Empfindungen sind oft Objekte
181
der Vipassanā-Meditation. Schließlich ist Schmerz oder dukkha eines der
drei allgemeinen Daseinsmerkmale der Existenz, die verstanden werden
müssen. Mein burmesischer Lehrer benutzte die Beobachtung des Schmer-
zes um Meditierende zu heroischen Anstrengungen zu ermutigen. Ein
anderer Lehrer nannte den Schmerz den guten Freund des Meditierenden.
Nicht wichtig, wie wir ihn betrachten, wir müssen geduldig sein, wenn wir
ihn beobachten. Die meisten der unangenehmen Objekte, die wir im Alltag
antreffen, können leicht mit Achtsamkeit, indem wir uns anstrengen sie
beim Entstehen zu notieren, behandelt werden. Jedoch gibt es auch andere
Momente, in denen wir andere Methoden benutzen müssen, da unsere
Achtsamkeit und Einsicht noch nicht reif genug ist. Abhängig von der
Natur des Übelwollens, kann der gegenteilige geistige Zustand wachge-
rüttelt werden. Zur Einfachheit können wir vyāpāda in drei Kategorien ein-
teilen:
182
Angst
Wir fürchten das Unbekannte, Geister, Verrückte, Höhen, Krankheiten
etc. Es gibt einen großen Bereich an Phobien und Paranoia, unter denen die
Leute leiden können. Angst wird durch Panik, Zittern und Verwirrung
charakterisiert. Achtsamkeit, die damit beschäftigt ist die Angst zu notieren,
sollte sehr fest sein, damit sie den zitternden Geist für eine ausreichend
lange Zeit stillhalten kann. Vertrauen und Mut sind auch hilfreich. Wenn
jemand ganz verloren ist, kann man schnell die Betrachtung der Vorzüge
der drei Kleinodien (Buddha, dhamma, sangha) aufgreifen. Häufige Erinne-
rung daran ruft zusätzlich auch noch eine Menge Freude hervor.
Mit was für anderen unterstützenden Bedingungen kann man das Übel-
wollen überwinden? Das Meditationshandbuch „Der Weg zur Reinheit“
(visuddhi magga) empfiehlt angenehmes Wetter, angenehme Behausungen,
angenehme Bedingungen zur Nahrungssuche, angenehme Menschen, an-
genehme Körperhaltungen und noch Weiteres für das hassvolle Tempe-
rament.
183
1. Scharfe Wahrnehmung ihrer Charakteristiken
Hier kann man nicht mit reinem Achtsamsein zufrieden sein. Man sollte
scharf und präzise die Natur der Schläfrigkeit notieren. Es ist ein schwer-
fälliger, schläfriger und schwerer Geisteszustand. Nur indem man seine
spezifischen Eigenschaften notiert, kann man später seine allgemeinen
Eigenschaften (d. h. das Vergehen und auch die anderen zwei Daseins-
merkmale) erkennen.
2. Energisches Notieren
Energie und Anstrengung sind das Gegenteil von Mattigkeit und Müdigkeit.
Energie kann durch Folgendes entwickelt werden:
Manchmal kommt ein Meditierender und fragt: „Ich denke der Geist ist
völlig verrückt. Manchmal denkt er wirklich schreckliche Dinge, auch über
meinen Lehrer und den Buddha. Das ist sehr schlechtes mentales kamma.
„Warum entsteht das und wie kann ich damit umgehen?“ Es entsteht durch
186
die Befleckungen. Um sie zu behandeln, muss man zuerst die Natur der Be-
fleckungen erkennen und dann die angemessenen Mittel einsetzen.
Es gibt auch andere Mittel störende Gedanken wie diese zu beseitigen.
Diese werden ausführlich in der Lehrreden über Gedankenformen oder dem
SatipaSShāna-Sutta behandelt. Einige dieser Mittel sind:
Korrekter Umgang und Gespräche mit hilfreichen und freundlichen Ge-
fährten, die rechte Ansicht erworben haben, die Gefahr der Unruhe und die
Vorteile der Konzentration etc. betrachten. Als letzter Ausweg wird in der
Lehrrede über Gedankenformen geraten, den Geist mit dem Geist zu be-
kämpfen. „Mit zusammengepressten Zähnen, mit der Zunge gegen den
Gaumen gepresst. Wenn er so widersteht, dann herrscht der Geist über den
Geist. Diese üblen Gedanken verbunden mit Gier, Hass und Verblendung
wird man auf die Art los und sie kommen so zu ihrem Ende“ Indem man sie
los wird, wird der Geist stetig, beruhigt sich und ist einspitzig konzentriert.
Zusammenfassung
1. Sinnesbegehren (kāmachanda) kann vertrieben werden durch:
188
• Das Kennen der Schriften
• Befragung zur Praxis im Orden.
• Das Verstehen der Disziplinarregeln
• Verbindung mit solchen, die erfahrener in der Praxis und der Tugend
sind als man selbst
• Freundliche und hilfreiche Freundschaft mit guten Menschen.
• Anregende Gespräche, die helfen bei der Vertreibung von Unruhe
und Sorgen.
189
B. Konzept und Realität
Es ist wichtig für den Meditierenden, den Unterschied zwischen „Kon-
zepten“ und „Letztendlichen Wirklichkeiten“ zu verstehen, da der Geist von
den Konzepten in Richtung Realität geführt werden muss.
Konzepte sind die Dinge oder Ideen, die vom Geist ausgedacht und er-
zeugt werden. Sie bauen auf den „Letztendlichen Wirklichkeiten“ auf. Kon-
zepte sind nur konventionell und subjektiv wahr.
„Letztendliche Wirklichkeiten“ auf der anderen Seite sind die Phäno-
mene, die unmittelbar wahrgenommen werden können (deshalb „letztend-
lich“), ohne durch den Prozess des konzeptuellen Denkens, Folgerns oder
Vorstellens gegangen zu sein. Dies sind Wahrheiten, die unabhängig von
konventionellen Definitionen sind. „Letztendliche Wirklichkeit“ jedoch
bedeutet nicht notwendigerweise „Absolute Realität.“ Dies bezieht sich nur
auf den unveränderlichen, unbedingten Zustand nibbāna.
Obwohl wir die konventionelle oder konzeptuelle Wirklichkeit im All-
tag nicht ganz über Bord werfen können, müssen wir sie während unserer
Meditationszeiten beiseite tun, um uns zu erlauben wirklich zu sehen und
die Dinge, so wie sie sind, zu erfahren.
Beispiele von Konzepten, die für den Meditierenden relevant sind, sind:
1. Wort Konzepte (sadda paññatti)
Wörter bestehen aus Silben oder Geräuschen, die fortlaufend entstehen
und vergehen. In einem Zeitmoment existieren die Wörter nicht. Es existiert
nur das Entstehen und Vergehen des Geräusches, eine vibrierende Form
materieller Natur. Gleichwie ein Musikstück aus vielen „Noten“ (den Ge-
räuschen) gemacht ist. Solche gehörten Worte basieren auf Geräuschen,
190
durch die wir Ideen und Erfahrungen mitgeteilt bekommen. Hier sind sie
auch visuell, da sie niedergeschrieben wurden.
Geräuschkonzepte (Worte) können real sein, wenn sie sich direkt auf
reale Phänomene beziehen, die unmittelbar erfahren werden können. Un-
wirkliche Konzepte sind jene, die sich nicht direkt auf Realitäten beziehen.
Sie beziehen sich auf andere Konzepte und Ideen, die selbst nicht wirklich
existieren.
Andere Wörter werden mit weiteren Wörtern verbunden und weitere
Konzepte werden aufgebaut und können eine Kombination von realen und
unrealen Konzepten sein.
Beispiel: Das Wort „Bewusstsein“ ist ein reales Konzept, da es sich auf
geistige Phänomene, die unmittelbar ohne Konzeptbildung erfahren werden
können, bezieht.
Das Wort „Mensch“ ist ein unreales Konzept, da es sich auf etwas be-
zieht, das nicht ohne Konzeptbildung unmittelbar erfahren werden kann.
Einige Worte sind beides z. B. „patient“ (patient = deutsch: Patient) kann
sich auf eine kranke Person beziehen und ist unreal oder es bezieht sich auf
einen toleranten geistigen Zustand (patient = deutsch: Geduld) und ist in
dem Fall real.
In der Meditation benutzen wir reale Konzepte als Marken um uns beim
Identifizieren der Realitäten zu helfen. Wörter oder Kennzeichen sollten
während der Meditation nicht ergriffen werden. Stattdessen sollte man ver-
suchen zu verstehen, was es bedeutet zu erfahren.
2. Form, Gestalt und Entfernung
Diese Konzepte lassen die zwei und dreidimensionale Welt entstehen.
Wenn ihr den Fernsehschirm richtig betrachtet, ist das Bild aus einem Elek-
tronenstrahl gemacht, der mit großer Geschwindigkeit innerhalb der Röhre
herumläuft. Er entsteht und vergeht so schnell. Zu schnell als dass jemand
wirklich erfassen kann, was tatsächlich gerade passiert. Was der Geist er-
fasst (zu langsam) ist ein Farbenspiel mit Formen und vermittelt uns so
Ideen. Sie entstehen so schnell, dass es scheint, als würden sie zur gleichen
Zeit auftauchen.
3. Richtungskonzepte (disa paññatti)
Dies sind Konzepte, die mit Richtungen korrespondieren, ein Ding mit
einem anderen in Beziehung setzen wie z. B. Ost, West, rechts, links, oben,
unten, einwärts, auswärts etc.
4. Zeitkonzepte (kala paññatti)
Das Zeitkonzept wird aus Ideen gebildet, die die wiederkehrende und
aufeinanderfolgende Erscheinung von materiellen und geistigen Phäno-
menen betreffen. Materiell ist Licht und Dunkelheit betroffen (wie am Tag
oder bei Nacht), der physische Zustand des Körpers (wie in alt und jung)
etc.
Mental sind mentale Aktivitäten und Funktionen wie Schlafdauer,
Arbeitszeit etc. betroffen.
191
Obwohl wir einen allgemeinen Zeitplan für unsere Praxis benötigen,
müssen wir ihm nicht blindlings folgen. Anpassungen können gemacht
werden, wenn es gerade unpassend ist. In Gruppen muss manchmal das
eigene Wohlergehen dem Wohlergehen der Gruppe geopfert werden.
5. Kollektive Konzepte (samuha paññatti)
Diese korrespondieren zu Gruppen oder Sammlungen an Dingen, z. B.
eine Klasse, ein Rennen, ein Auto, eine Stadt, Gruppenmeditation etc.
6. Raumkonzepte (akasha paññatti)
Raumkonzepte sind solche, die sich auf offene Räume beziehen wie,
Wellen, Höhlen, Löcher oder Fenster.
7. Sichtkonzepte (nimitta paññatti)
Dies sind visualisierte Bilder wie das aufgefasste Bild und das Gegen-
bild der Ruhemeditation. Viele Halluzinationen und Vorstellungen fallen
auch unter diese Kategorie.
8. Lebewesen, Ego (satta paññatti)
Was Leute normalerweise als „ich, du, er, sie, Person,“ oder „Hund“
oder „Engel“ bezeichnen, sind tatsächlich Serien von sich ständig ändern-
den Körper-Geist-Prozessen. Diese Konzepte von Lebewesen sollten zur
Bequemlichkeit in der Kommunikation benutzt werden, aber wenn sie als
wirklich aufgefasst werden, als letztendlich wirklich oder absolut, hilft das
nicht, sondern erzeugt große Konflikte.
Das Aufgeben des Ego-Konzeptes ist von äußerster Wichtigkeit für die
Vipassanā-Meditation. Bis zur Realisation, dass „Alle dhamma Nicht-Selbst
sind “, sollte man nicht denken: „Ich gehe“, sondern nur achtsam auf den
Gehprozess sein. Einige mögen philosophieren, wenn sie gehen. Dies fällt
wieder in eine andere Kategorie von Konzepten.
Es gibt noch eine Menge mehr an Konzepten wie Glück, Leiden, Leben
etc., aber wir werden sie hier jetzt nicht behandeln. Um ein besseres Bild
der Konzeptbildung zu bekommen, ist es hilfreich den Gedankenprozess zu
erläutern.
Der Gedankenprozess kann als eine Serie von Bewusstseinsarten, die in
einer gewissen Reihenfolge erscheinen, beschrieben werden. Diese Reihen-
folge schafft das, was wir „sehen,“ „hören,“ und „denken.“
Diese Gedankenprozesse entstehen aus dem Lebenskontinuum, das ist
ein Bewusstseinsstrom ähnlich dem Zustand im tiefen Schlaf, wenn man
dem Stimuli von internen oder externen Objekten folgt.
Es gibt sechs Arten von Gedankenprozessen, abhängig von dem „Tor“,
wo das Objekt entsteht:
192
6. Der Gedankenprozess, der am Geist-Tor entsteht.
Sinnestorprozess: b At bc bu pc v sp st vo J J J J J J J t t b
Geisttorprozess : b At bc bu M J J J J J J J t t b
Erklärung:
At : Vergangener Bewusstseinsmoment des Lebenskontinuums
bc : Vibrationsmoment des Lebenskontinuums
bu : Abschließender Moment des Lebenskontinuums
pc : Sinnestorhinwendungsbewusstseinsmoment
v : Seh-, Hör-, Riech-, Schmeck- oder Tastbewusstseinsmoment
sp : Objektaufnahmebewusstseinsmoment
st : Objektuntersuchungsbewusstseinsmoment
vo : Objektbewertendermoment
J : Karmisch aktive Momente
t : Nachwirkender erfahrender Moment
M : Geisttorhinwendungsbewusstseinsmoment
b : Lebenskontinuumsmoment
Dasselbe gilt auch hier: Durch bloßes Benennen „Hören“ schneiden wir
die Konzepte ab. Es hilft auch die gehörten Worte zu missachten oder unbe-
rücksichtigt zu lassen um näher an das Vipassanā-Objekt zu rücken.
Und hier nun wieder dasselbe mit den Riech-, Schmeck- und Tastobjekten:
1. Letzter Prozess
2. Ansammlung
3. Bedeutung
4. Benennen
Nur durch das Notieren des Geruchs mit „Riechen“ etc. schneiden wir
die Konzepte ab. Ideen, was gerochen, geschmeckt oder getastet wurde,
sollten auch missachtet werden.
Die Prozesse folgen so schnell aufeinander, dass die daraus entste-
henden Konzepte komplex, solide und als Ganzes erscheinen.
Vier Arten der scheinbaren Solidität/Festigkeit (ghana paññatti)
1. Santati ghana (Kompaktheit der Kontinuität)
Die mentalen und geistigen Prozesse entstehen und vergehen so schnell
einer nach dem anderen, sodass es scheint, als wären sie eine sich nicht
verändernde Erscheinung.
194
4. Arammana ghana (Kompaktheit der Objekte)
Da das Bewusstsein und die Prozesse mit hoher Geschwindigkeit ab-
laufen, erscheinen auch die Objekte so, als würden sie in einem Bild
auftauchen um Formen, Gestalten etc. entstehen zu lassen.
Um durch diese ganzen Konzepte auch nur für einen Moment durchzu-
brechen, um also die Realität zu durchdringen, können wir von hier aus-
gehend klar erkennen, dass unsere Achtsamkeit wie folgt zu sein hat:
195
Kurzgefasst sind diese (das Letzte ausgenommen) geistige und mate-
rielle Prozesse, die vom Meditierenden als unbeständig, unbefriedigend und
als Nicht-Selbst erkannt werden müssen.
Jedoch kann dies alles nicht vom Anfänger erkannt werden. Zum Bei-
spiel ist es für sie nicht möglich die jhāna (Vertiefungs-) und lokuttara
(überweltlichen) Bewusstseinsarten zu erkennen, da sie beim Anfänger
nicht entstehen. Neutrale Gefühle werden auch nur von erfahrenen Meditie-
renden erkannt, da diese Gefühle feiner sind und eine schärfere und stärkere
Achtsamkeit benötigen.
Tatsächlich sind die Anfänger nicht in der Lage, Objekte ohne Konzepte
zu notieren, da sie so lange Umgang mit ihnen hatten. Deshalb notieren An-
fänger, um die Situation zu erleichtern, reale Konzepte um ihren Geist zu
helfen, ihn auf die Realitäten zu richten. Das Benennen muss gesteigert
werden, wenn die Achtsamkeit mehr Phänomene notieren kann. Aber
vipassanā ist nicht bloßes Benennen oder Aufsagen. Deshalb darf man nicht
blind daran hängen. Manchmal ist es besser ohne sie zu meditieren. Mit
weiterem Fortschritt wird es sehr viele dieser mit großer Geschwindigkeit
entstehenden und vergehenden Phänomene geben. Dann muss das Mar-
kieren aufgegeben werden oder es wird zum Hindernis.
Von den Konzept-Ideen muss das Konzept des Lebewesens verworfen
werden, wenn jemand überhaupt irgendeine Vipassanā-Einsicht haben
möchte. Es ist klar, dass man beim Achtsamsein auf Geist und Materie
keinerlei Lebewesen finden wird, egal wie stark man es versucht. Im Laufe
des Fortschritts, wenn die Realitäten sehr gut notiert werden können, muss
man andere Konzepte wie das der Form, der Richtung, der Gestalt, des
Raumes und der Zeit verwerfen. Es gibt da auch feine Konzepte wie des
Glücklichseins und der Realität, die ihr mit der Zeit erkennen werdet. Zum
Beispiel:
a) Gehmeditation
Zuerst machen die Meditierenden noch ihre Gehmeditation mit der Form
der Beine in ihrem Geist.
Mit konstanter Hilfe des Benennens der einzelnen Schrittphasen wie
„Heben,“ „Schreiten“ richten die Meditierenden den Geist auf die verschie-
denen Erfahrungen aus. Wenn sie klar die Bewegung, Spannung, das
Ziehen, die Hitze und Kälte erfahren können, wird die Gestalt der Beine
bald verworfen werden. Mit erhöhter Achtsamkeit auf die Realitäten und ihr
Verhalten, muss auch das Benennen aufgegeben werden. Wenn die
Konzentration tief wird, kann der Meditierende auch die Zeit, die Richtung,
oder wo sie sich im Moment befinden, vergessen.
b) Sitzmeditation
Zuerst richtet man seine Achtsamkeit auf die Bewegung der Bauchdecke
und anderer Erfahrungen, die als „Heben“ und „Senken“ benannt werden.
196
Wenn man die „ziehenden“ und „drückenden“ Bewegungen und die
anderen Erfahrungen wie Druck, Härte etc. trennen kann, kann man den
Sinn für die Richtung verlieren und es ist deshalb besser es so benennen,
wie es sich anfühlt anstatt mit „Heben“ und „Senken.“ Hier kann man ent-
weder eine angemessenere Benennung benutzen oder sie alle beiseite legen.
Zu Zeiten wo das „Heben“ und „Senken“ sehr klar und langsam ist,
werden mehr Benennungen „„Heben, Heben, Heben...“ dem Geist helfen
den aktuellen Moment zu notieren. Wenn die Momente als sich sehr schnell
verändernd wahrgenommen werden können, ist es sehr schwierig diese
Bewegungen alle zu benennen.
Die Meditierenden schärfen ihre Achtsamkeit, indem sie versuchen von
Moment zu Moment alle dieser Realitäten, wie sie entstehen und vergehen,
zu erfahren. Um den Meditierenden zu helfen klarer zu sehen, werden sie
oft gebeten ihre Erfahrungen in ihren eigenen Worten zu beschreiben und
gründlich zu berichten. Technische Ausdrücke wie dukkha sind dann defi-
nitiv zu vermeiden. Ein häufiger Gebrauch derselben zeigt, dass der Geist
noch in theoretischem Denken und Konzepten verwickelt ist.
Es muss aber noch zur Vorsicht eine andere Bemerkung gemacht
werden. Das Verwerfen von Konzepten kann bei falschem Verständnis zur
Desorientierung in der konventionellen Wahrnehmung führen. Wenn man
dabei nicht vorsichtig vorgeht, kann der Geist so eventuell zu weiterer Des-
orientierung und Desorganisation geführt werden. Es ist essenziell, dass
man versteht, dass die konzeptionelle und konventionelle Welt zwar im
ultimativen Sinne nicht real, aber auf Realitäten aufgebaut ist. Das
muss akzeptiert und darin muss gelebt werden.
Es gibt z. B. Leute, die ablehnen die Worte „ich“ und „du“ zu benutzen,
weil sie denken, dass das die Idee eines Selbst hervorrufen könnte. Das ist
unnütz!
197
C. Schwierige Situationen auf dem Weg
In den letzten paar Jahren haben eine große Anzahl an Malaien mit Ein-
sichtsmeditation angefangen. Von dem erhaltenen Feedback könnten wir
eine Liste der entstandenen Probleme erstellen. Wir werden sie hier jedoch
etwas allgemeiner behandeln.
Ich denke, dass die meisten Buddhisten wissen, dass spirituelles Glück
besser und dem weltlichen Glück überlegen ist. Es ist spirituelles Glück,
das am Ende wirklich zählt. Aber es ist auch schnell einsehbar, dass spiri-
tuelles Glück wesentlich schwieriger zu erhalten ist als materieller Besitz.
Da unsere Wogen des Verlangens noch sehr stark sind und unser Wissen
meist noch oberflächlich ist, werden die meisten von uns, wenn nicht alle,
während ihres sterblichen Lebens als Hausleute verbleiben. Einige werden
sich anstrengen beides zu erreichen, sowohl ihre spirituellen als auch ihre
weltlichen Ambitionen und fühlen sich zerrissen. Andere versuchen eines
von beiden zu ignorieren, aber das hilft auch nicht das Problem zu lösen.
Zu Recht sollte ein Buddhist in seinem ganzen Leben das spirituelle Ziel
im Auge behalten, damit sein Leben eine spirituelle Beimengung hat, um
sich und andere über die weltlichen Probleme zur überweltlichen Befreiung
198
zu erheben. Wenn man die Kultivierung seiner eigenen innersten Freiheit
ignoriert, wird man in erbärmlichen Bedingungen enden.
Im abhidhamma wird erklärt, dass nach dem Auftauchen aus dem Ge-
dankenprozess von Pfad und Frucht (d.h. Erleuchtung) Folgendes passiert:
Das Nibbāna-Objekt wird mittels eines Geisttorprozesses in ein Bewusst-
sein der Sinnessphäre übertragen, das von Wissen (pañña) begleitet wird
und das die aktive Phase (javana) durchläuft. Das bedeutet, dass man klar
um das unbedingte Element, die absolute Wahrheit, die friedvolle Glück-
seligkeit weiß und sie mit dem Geist wahrnimmt. Mit diesem Bild hat man
für immer Folgendes aufgegeben:
Wenn dies tatsächlich passiert, wird der dhamma bis zum vollständigen
Aufhören der Daseinsgruppen in einem weiterleben.
200
i. Abnorme Verhaltenstendenzen
Tief in unserem Geist liegen latente versteckte Tendenzen und zwar
gute wie schlechte, die vielleicht nicht nur in diesem Leben akkumuliert
wurden, sondern auch aus vorherigen. Es ist nicht ungewöhnlich, wenn
solche sehr starken Tendenzen während eines Meditationskurses in einem
auftauchen. Wenn ihr sie nicht führen könnt, werden sie euch führen. In
einigen von uns (glücklicherweise nur wenigen) ist die Tendenz zu-
sammenzubrechen stärker als bei anderen. Dies tritt bei Leuten mit starken
Neurosen auf, während es sich bei anderen um genetische Faktoren handelt.
Wenn das bei euch so ist, solltet ihr extrem vorsichtig mit eurer Meditation
umgehen. Intensive Retreats besonders ohne Leitung sind nicht empfeh-
lenswert. Es ist deshalb ratsam eure weltlichen Probleme - so gut ihr könnt -
vor der Meditation zu behandeln. Es disqualifiziert einen nicht wirklich
davon vipassanā zu praktizieren. Es muss nur unter ständiger Beaufsichti-
gung durch einen erfahrenen Lehrer stattfinden. Man sollte eine Beratung
aufsuchen, den Lehrer informieren und ihn von den Problemen oder vor-
herigen Zusammenbrüchen berichten, wenn es solche gibt.
ii Falsche Praxis
Was hier gemeint ist, ist falsche Konzentration im Vergleich zu rechter
Konzentration. Der Unterschied ist die An- oder Abwesenheit von Acht-
samkeit. Wenn Achtsamkeit abwesend ist, ist der Geist unheilsam und so
werdet ihr damit enden, dass die Konzentration eure Begierde, euren Zorn
und euren Wahn erhöht. Das bedeutet, dass, wenn ihr ärgerlich seid, euer
Ärger noch viel stärker ist. Genauso ist es auch, wenn ihr gierig oder im
Wahne seid. Ein solcher Geist ist nicht sehr von dem eines Verrückten ver-
schieden und es wird noch schlimmer, wenn der Meditierende mit falscher
Konzentration weitermeditiert. Was lief falsch?
- Es mag sein, dass der Meditierend mit den falschen Motiven begonnen
hat. Leute meditieren aus verschiedenen Gründen. Wenn eure Motive
egoistisch sind, werdet ihr sehr wahrscheinlich noch egoistischer und
verblendeter enden. Das Ziel von vipassanā ist, die Befleckungen (Gier,
Hass und Verblendung) durch konstante und ununterbrochene Achtsam-
keit auf die körperlichen und geistigen Prozesse aufzugeben. Wenn ihr
meditiert, um Millionäre zu werden, um mit unsichtbaren Wesen zu
sprechen oder die Gedanken anderer Leute zu lesen, empfehle ich euch,
dass ihr mit dem Meditieren aufhört.
- Das Handhaben von Objekten auf falsche Weise. Im Laufe der Praxis
mag der Meditierende auf ungewöhnliche Erfahrungen treffen, die sehr
schrecklich oder glückselig (so wie Bilder, Stimmen oder Gefühle) sein
können. Beim vipassanā werden sie achtsam notiert und sie vergehen
dann normalerweise. Wenn sie bestehen bleiben, ist der nächste Schritt
sie zu ignorieren und ein anderes Vipassanā-Objekt (wie „Heben“ und
„Senken“) zu beobachten. Wenn das Objekt (das Schreckliche oder
Glückselige) weiterhin vorherrscht, ist es besser aufzustehen und Geh-
meditation zu machen.
202
Einige Leute fürchten, während sie den Schmerz beobachten, dass sie
dauerhaft behindert sein könnten oder sterben. Hiervon gibt es zwei Arten:
Ohne tatsächliche Leiden und mit realen Leiden z. B. Herzrhythmusstö-
rungen, Hämorrhoiden, Asthma, hohen Blutdruck etc.
203
Was für Qualifikationen? Es ist eine unleugbare Tatsache, dass es das
Beste für alle Beteiligten ist, wenn der Meditationslehrer wirklich weiß, wie
man meditiert und kompetent genug ist, es anderen beizubringen. Kompe-
tentes Wissen, wie man meditiert, kann man so definieren: Man braucht
gründliche Praxis. Das bedeutet, klares Verständnis der Kunst der Geist-
entwicklung durch eigene Erfahrung. Der Lehrer sollte Entsagung üben, die
man bei ihm durch Einhalten der Sittenregeln beobachten kann. Seine Ruhe
sollte klar durch den ruhigen und unerschütterlichen Geisteszustand er-
kennbar sein und die Stärke der Befleckungen (Gier, Hass, Verblendung)
sollte schwach sein.
Die Kompetenz den Weg zu zeigen kann so definiert werden. Man muss
ein mitfühlendes Herz haben, das mit ausreichend Wissen über die buddhis-
tische Lehre ausgestattet ist, wie sie im Palikanon und seinen Kommentaren
verkörpert wird. Ein Meditationslehrer ist auch in der Lage präzise Instruk-
tionen und rechtzeitige Ermutigung zu geben, sodass der Meditierende
schnell und sicher auf dem Pfad der Läuterung fortschreiten kann.
Überflüssig zu sagen, dass effektive Kommunikation zwischen dem
Lehrer und Schüler wichtig ist. Wahrheitstreue und Offenheit ist dabei der
Part der Schüler. Es ist auch vernünftig einen Lehrer zu wählen, dessen
Temperament zu unserem passt. Infolge des Mangels an Lehrern dürfte es
weise sein nach den Retreats - in denen ihr die Tage in intensiver Medita-
tion verbringen könnt und eine gute Vorstellung davon bekommt, was
Meditation ist und wie sie durchgeführt wird - Ausschau nach guten
Lehrern zu halten. Danach sollte man regelmäßigen Briefwechsel pflegen,
damit man die Praxis fortsetzen kann. Anfängliche Instruktionen sollten
besser persönlich gegeben werden.
d) Mangel an Konzentration
Ein anderer häufiger Grund, warum Leute die Vipassanā-Praxis auf-
geben, ist die extrem unruhige Natur ihres Geistes. Anstatt Frieden zu
finden, scheint es, als ob sie nicht nur ihre Zeit verschwenden, sondern auch
unnötigerweise mehr leiden. Solche Personen sollten sich selbst Folgendes
fragen:
• Habe ich die Sittenregeln gut eingehalten? Wie beherrscht bin ich in
meinem Alltag? Wenn wir stark in Genuss schwelgen, ist es kein
Wunder, dass unser Geist verstört ist. Dem Übel absagen ist die
Grundlage von Konzentration, deshalb sollte nicht die Meditation
beschuldigt werden. Wenn diese Leute Achtsamkeit im Alltag üben,
sollten sie fähig sein sich zu konzentrieren.
• Wie viel Stunden am Tag meditiere ich? Tu ich es jeden Tag ernst-
haft? Ihr könnt nicht zu viel erwarten, wenn ihr es nicht richtig ver-
sucht. Wenn ihr regelmäßig, ernsthaft und begeistert praktiziert,
werdet ihr kein Problem haben euren Geist zu konzentrieren.
204
• Habt ihr richtige und vollständige Instruktionen erhalten. Habt ihr
regelmäßige Interviews gehabt? Es ist ein Wunder, dass es euch
nicht noch schlechter geht, wenn ihr nicht die richtige Anleitung be-
kommen habt. Diese wird gewöhnlich erst nach vielen Interviewsit-
zungen und Diskussionen mit dem Lehrer (weil wir normalerweise
nicht richtig hören und dazu neigen zu vergessen) erlangt.
1. Buddhanussati
Die Betrachtung einer oder mehrerer Vorzüge des Buddha
(generiert Vertrauen und Energie)
2. Mettabhāvanā
Das Ausstrahlen von liebender Güte zu einem oder mehreren Lebe-
wesen (überwältigt Übelwollen, Unzufriedenheit, flösst Freundschaft
ein).
3. Asubha
Betrachtung der Widerlichkeit des Körpers. Das sind die 32 einzelnen
Körperteile (überwältigt Lust).
4. Maranasati
Todesbetrachtung (überwältigt Furcht vor dem Tod und legt einem die
Dringlichkeit nahe)
Anhaltende Praxis
Ein anderes Problem dem der Vipassanā-Meditierende gegenübertritt,
ist die Unfähigkeit die eifrige Praxis aufrechtzuerhalten oder zumindest
regelmäßig zu sitzen. Das ist aber entscheidend für den Fortschritt. Praxis
ist, wenn wir es genau betrachten, die aufgebrachte Anstrengung. Diese
Fähigkeit (Tatkraft) ist sehr von der Fähigkeit Glauben/Vertrauen abhängig.
Als Grundlage des Vertrauens wird das Objekt, das Vertrauen (saddha
vatthu) einflösst, genannt.
205
Die drei Kleinodien sind das, was ich dabei im Geist habe:
• Der dhamma – der durch das Rad des Gesetzes oder durch Bücher
dargestellt werden kann oder durch die tatsächlichen Lehren oder
Praktiken, denen man begegnet oder sie ausführt.
206
Empfohlene Bücher
In Deutsch:
Geistestraining durch Achtsamkeit Nyanaponika (Beyerlein & Steinschulte)
Vipassanā Meditation U Janakabhivamsa (In „Der Weg zum Nibbana“
Michael Zeh Verlag)
Die Ausübung der Einsichtsmeditation Mahasi Sayadaw
(In „Der Weg zum Nibbana“ Michael Zeh Verlag)
Fortschreitende Einsicht Mahasi Sayadaw
(In „Der Weg zum Nibbana“ Michael Zeh Verlag)
Die sieben Stufen der Läuterung Ñanarama (In „Erkennen, nicht tadeln,
ändern“ Jhana Verlag)
Die sieben Betrachtungen der Einsicht Ñanarama (DBU)
Der Weg zur Erlösung Nyanatiloka (Beyerlein & Steinschulte)
Im Augenblick liegt alles Leben Sayadaw U Panditabhivamsa (O. W.
Barth)
Visuddhi Magga Buddhagosha (Übersetzt von Nyanatiloka) (Jhana Verlag)
In Englisch:
The Power of Mindfulness Nyanaponika Thera (BPS)
The Way of Mindfulness Soma Thera (BPS)
The Four Foundations of Mindfulness Venerable U Silananda (Wisdom)
Living Dharma Jack Kornfield (Shambala)
The Basic Principles of Satipatthana Vipassana Practice and Other Lectures
Sayadaw U Pandita (free publication)
Weitere Bücher vom Ehrw. Sujiva:
Stilling of the Volcanoes (English, Deutsch & Chinese)
Meditation on Loving Kindness (English)
Awakening the Insight within (English)
Divine Abodes (English & Chinese)
Walking Iris (poems)
The Door (poems)
Wind in the Forest (poems)
Funny Monks Tales
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Lebenslauf
Bhante Sujiva ist in einer chinesischen Großfamilie in Kuala Lumpur,
Malaysia, aufgewachsen und hatte bei einem chinesischen Chan-Lehrer die
ersten Kontakte mit der Meditation. Schon damals faszinierte ihn die Be-
obachtung innerer Abläufe. Nach Abschluss seines Studiums der Agrar-
wissenschaften wurde er Mönch, um sich so ganz seiner Liebe zur Medita-
tion widmen zu können.
Bhante Sujiva meditierte als junger Mönch zuerst in verschiedenen
Meditationszentren und Waldklöstern Südthailands und Malaysias. Bei
einer mehrmonatigen, strukturierten Unterrichtung durch burmesische
Meditationsmeister (insbesondere bei Sayadaw U Javana und Sayadaw U
Pandita) erfuhr seine Meditation eine bedeutende Intensivierung. Heute lebt
er vorwiegend in Europa und hält zahlreiche Retreats in Deutschland und in
der Schweiz sowie in Italien als auch in der tschechischen und slowaki-
schen Republik ab. Bhante Sujiva unterrichtet in einer flexiblen Art
vipassanā (Einsicht) und samatha (Stille) Meditation. Seine Anweisungen
beruhen einerseits auf seinem tiefen persönlichen Verständnis der Abläufe
und andererseits auf seinem intuitiven Wahrnehmen der Anlagen einer
Person.
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